Montag, 24. Dezember 2012

Es waren mal die Bücher

Sie stapeln sich zu Hauf im Haus meiner Eltern, sie füllen Regale und sie enthalten Unmengen an Wissen, Fleiß und Schreibkraft von Menschen, die eine unbestimmte Zeit aufgewendet haben, um das Buch zu schreiben. Vielleicht manch einer sogar zunächst von Hand, wie es vielleicht üblich war, als sich noch nicht jeder eines Computers auf den hauseigenen Schreibtisch, bzw. heute Laptops auf den Schoße eigen nennen konnte. Doch auch wenn am PC ein sehr persönliches Stück.

Auch heute gibt es sie noch. Bücher, die nicht zur spannenden undoder belustigenden Unterhaltung dienen sollen, sondern dem Zuwachs an Bildung und dem Füttern mit neuen Informationen, Fakten und Nützlichkeiten. Teilweise scheint sich geändert zu haben, was als nützlich empfunden wird. Ich spiele auf diverse Hobbyphilosophen an, deren Werke ich aus hochmütigen Vorurteilen heraus jedoch nicht gelesen habe, und mir daher hier gar nicht weiters ein Urteil erlauben will.

Zurück zum Thema. Die Wände voller Schränke, die Schränke voller Bücher, sehe ich mir deren Inhalt immer wieder gerne an. "Was fehlt meiner Topfpflanze?" ein Titel. "Katzen. Ein psychologischer Ratgeber" ein anderer. Es steht dann ein Autor da und ich frage mich: Was ist das wohl für ein Mensch, dieser H. N. Cevat, der all sein Wissen in Form eines Buches verewigt hat. Egal ob ich ihn mir als leicht verrückten Pflanzenforscher mit wirrem Haar, als Bankangestellten mit grünem Daumen und einem schönen Hobby oder aber als - die einfachste und daher langweiligste Lösung - Florist oder Gärtner vorstelle. Ich finde es irgendwie bewegend und toll, dass es da ein Buch gibt mit einem Autor. Es scheint vertrauenswürdig. Es ist klar: Wann immer meiner Topfpflanze was fehlt, dieses Buch wird mir helfen. Sicherer Boden in einer denkbar unsicher und irgendwie waage gewordenen Welt.

Denn was macht man heutzutage, wenn was nicht passt? Ja, man schaut im Internet. Da findet man ja alles. Das Problem: Wirklich alles. Von Schrott bis zur Weltformel vermutlich alles auffindbar, wenn man mit viel Glück und Erfahrung darauf stößt. Es ist eine Riesenplattform, auf der jeder schreiben kann, was er lustig ist. Dadurch steht immens viel Wissen und immens viel Bullshit. (dazu habe ich mich bereits in meinem Artikel "Kollektives Wissen oder allgemeine Verblödung?" ausgelassen)

Ich weiß nicht, wieviele Bücher H. N. Cevat letztlich an den Mann gebracht hat. Im Wohnzimmer von Mama und Papa steht es jedenfalls. Aber wie schaut das künftig aus?
Wer kauft heut noch Bücher zu einem Thema, wirklich zur reinen Info? "Wer bin ich und wenn ja wieviele", die "Anleitung zum Unglücklichsein" und wie sie nicht alle heißen kann ich da nicht ernsthaft dazu zählen.

An der Uni findet es noch statt, der Wissensaustausch mit Büchern und Skripten. Man schreibt an einer Arbeit zu einem Thema, leiht sich Literatur aus der Bibliothek aus, schreibt sich die Finger wund. Die Uni ist allerdings meines Erachtens auch in gewisser Weise ein von der freien Wirtschaft zunächst geschützter Raum.

Kaufen Leute also noch Bücher? Oder würden sie überhaupt im Buch nachsehen, selbst wenn sie eins in wilder Übermut an einem Shoppingnachmittag im Hugendubel gekauft hätten? Wäre nicht immer das Eingabefenster mit dem blinkenden Zeichen bei Google die wesentlich bequemere Wahl?

Ich glaube, das Internet ist dabei, Alltagswissen in Form von Büchern zu ersetzen. Eigentlich ist es ja vielleicht besser so. Mussten sicher schon viele Wälder für all die bedruckten Seiten und Umschläge dran glauben. Weniger Krempel spricht auch den Minimalisten in uns an.

Aber hier im Wohnzimmer meiner Eltern finde ich mich emotional befangen wieder, objektive Argumente kurzzeitig einfach unbeachtet. Es ist schön. All diese Bücher, in denen man blättern kann. Vielleicht sogar mit Bildern, auf jeden Fall mit Eintauchen-in-eine-andere-Welt-Effekt. Und sei es in die Welt der Zimmerpflanzen. So gesehen ist so ein Bücherregal eine lange Reihe von Portalen.
Ich werde mir jetzt keine Privatbibliothek mit Wissen zu verschiedensten Themen anlegen. Das rentiert sich einfach nicht mehr wirklich, das ist mir in meinem modernisierten Hirn ja klar.

Aber ich bin gern hier zuhause und schmökere mich durch die Riesenpalette an gedruckten Eingangspforten. Das Internet kann echt viel. Aber den Geruch von einem alten Buch, wenn man es nach länger Zeit wieder aufschlägt, nach Weisheit und Holz. Das Gefühl von Seiten, wie man die Finger über sie streichen lässt. Und diese immens seriöse und bodenständige Ausstrahlung.
Das vermisse ich bei Dr. Google schon jetzt.

Dienstag, 18. Dezember 2012

Und wieso und wieso und wieso

Seine Stimme klingt zerknautscht, müde, ein bisschen fertig. Nach zu langen Nächten und zu unausgeschlafenen Morgen, nach Ärmeln, die sich die leicht geröteten Augen reiben. Bei all den geradezu mütterlichen Beschützerinstinkten, die der Sänger Clueso mit seiner "Eigentlich bin ich ja schon groß aber"-Stimme in mir hervorruft, würde ich ihn wirklich am liebsten ganz fest drücken.

Er singt "Und wieso und wieso und wieso", wiederholt in seinem Lied "Pizzaschachteln" immer wieder diese Frage, die auch wir im Erwachsenenalter gerne mindestens zehnmal wiederholen könnten, ohne das Gefühl zu haben, bereits oft genug "wieso" gefragt zu haben. Gibt soviele Dinge, die man selbst hunderttausendmal hinterfragen könnte und verstehen täte man sie danach immer noch nicht. Clueso fragt: "Und wieso (...) fühl ich mich trotzdem so gut". Das Thema, um das es geht: Chaos. Unaufgeräumte Zimmer, Pizzaschachteln die sich stapeln, Staub in der Bude und, frei nach meiner Interpretation, auch ein bisschen viel Wirrwarr im eigenen Oberstübchen. Und dennoch (oder vielleicht gerade deswegen) glücklich durch die Gegend zu laufen.

Dieses Lied hat sich einen Platz in mir erschlichen, vielleicht sogar in meinem Herzen, in jedem Fall auf meiner Lieblings-Playlist. Und auch wenn dieser Satz nun vermutlich zum dreibillionsten Mal geschrieben sein dürfte, muss ich es gestehen: Es spricht mir mit seinem Text so sehr aus der Seele. Gleichzeitig, eben aufgrund dieses aus der Seele sprechenden Inhaltes, komme ich nicht drumrum, ihn kritisch zu hinterfragen. Hier ein paar Auszüge aus dem Lied: "Man könnte mein, dass ne Bombe in meinem 
Zimmer ziemlich gesplittert ist. Doch ich find immer noch'n alten Pullover, der noch nicht zu doll zerknittert ist.", "Pizzaschachteln stauen sich. Jeder weiß, dass es bei mir staubig is. Ich mein, aufzuräum ist kein Problem, nur ich glaub ich trau mich nich". Ja, ich glaub ich weiß, was du meinst, Clueso.

Wer mich schonmal zuhause besucht hat und mich ein bisschen besser kennt, der findet sich wahrscheinlich auch im Textteil wieder: "Wer mich nicht kennt, aber sieht wie ich hause für den ist das 'n krasser Schlag". Ohne jetzt zu genau darauf einzugehen, in wie weit ich tatsächlich "hause" (und wie man das definiert?) wird mir in dem Lied von Clueso viel bewusst.

Ich bin anders als viele andere. Es gibt Menschen, die falten gern, sortieren gern, ordnen gern. Ich gehöre dazu. Es gibt Menschen, die machen das auch im Alltag und deren Zimmer sehen trotz pikierter Ausrufe "Ohgott jetzt habe ich gar nicht mehr aufgeräumt!!" aus wie geleckt. Ich würde keine Sekunde zögern, von ihrem Fußboden zu essen. Ich gehöre nicht dazu. Die meisten Leute scheinen auch einfach nicht so viel Krempel zu haben wie ich. Ich räum einmal auf und fünf Minuten später quillt er doch wieder aus allen Ecken. Still und heimlich plane ich meine innere Revolte gegen all den Kram, der meinen Kopf und meine Wohnung belastet. Aber es sind einfach viele Sachen, die nicht durch Zufall und nicht plötzlich da gelandet sind, wo sie jetzt rumliegen. Ich habe sie gesammelt, habe mir zu dem Zeitpunkt auch was gedacht und mich oft sogar darüber gefreut. Dass es irgendwann Relikte einer vergangenen Zeit sein würden, hatte ich damals halt einfach noch nicht geahnt.

Zurück zum Lied, der wichtigste Satz meines Erachtens ist nämlich darin: "Dass mit mir was nicht stimmt, dass glaub ich nich. Und 'n guten Ratschlag, den brauch ich nich". Spontaner Gedanke dazu: Also echt, Clueso, wie kann man nur. Sich auch einfach garnichts sagen lassen! Geht ja mal garnicht.
Geht vielleicht doch? Weiß ich nicht. Ich weiß nur, dass dieses Chaos sich auch oft in meinem Verhalten verankert. Ich wandere naiv durch die Gegend, vertraue hier, glaube da und lasse mich dort einfach fallen. Hätte tausendmal in die Hose gehen können, ist es aber tatsächlich nur ein paar mal. Den Rest der Zeit war ich glücklich, weil ich mir damit ein bisschen was vom Kindsein erhalten habe. Unverantwortlich? Ja, weiß ich eben nicht. Eine einzig richtige Antwort wird man vermutlich ewig suchen.

Ich glaube, ich lasse Sie jetzt weiter Gedanken spinnen, wenn Sie Lust darauf haben. Das, worüber ich nachdenke ist einfach nur: Wie weit ist es denn einfach okay, dass man so ist, wie man ist? Wo soll man auf andere hören und ab wann sollte man tatsächlich aufhören, so zu sein, wie man ist? Es zumindest versuchen? Und wieso und wieso und wieso....

Sonntag, 9. Dezember 2012

Danke Papa

Heute ging's mir nicht gut. Nein, es war keine Verkühlung (gut, die auch, aber die nicht maßgeblich) und nein es war kein Kater. Es war ein trauriges Gefühl, eine tumbe Leere und ein düsterer Schatten der sich über mein Denken legte. Draußen schien die Sonne und der Schnee glitzerte doch in meinem Herzen, in meinem Bauch und in meinem Kopf wollte es nicht recht mitglitzern. Stattdessen fühlte ich mich ziemlich bleischwer und ein bisschen benebelt, ein bisschen beängstigt, woher nun diese Wolken kamen.

Und dann kam mein Papa. Ich hatte mit ihm telefoniert. Er hatte gefragt: "Wie geht's dir?" und ich: "Ganz ehrlich?" Ja er wollte ehrlich und er bekam ehrlich. Drei Stunden später war er da. Ich hatte eigentlich genug Sätze parat gehabt, um es ihm auszureden. Schließlich hat auch er nicht die Freizeit im Überfluss. Habe gesagt: "Das krieg ich schon." Hatte es nicht nur gesagt, war überzeugt davon. Na komm jetz, was soll das jetzt, muss doch nich sein, so ging es in meinem Kopf rundumher und genau das gab dann auch mein Mundwerk wieder. Man ist ja kein Baby mehr und kann nicht mal eben mit drei Kugeln Eis getröstet werden. Und überhaupt, selbst ist die Frau und so. Kann ja nicht jedes Mal nach Mama und Papa rufen.

Das Schöne an dem Ganzen war ja, dass ich nicht laut gerufen hatte. Mit den Ohren nicht hörbar. Aber für meinen Papa mit dem Gefühl.

Wie er dann da war ist mir eins klar geworden. So schlau bin ich gar nicht. Eine Umarmung von einem Menschen, der einen dermaßen gut kennt und lieb hat ist fünf millionen mal so viel wert wie drei Kugeln Eis als man noch klein war. Und mit ihm zu reden, all die kleinen und großen Dummheiten, Ideen, Möglichkeiten, wirres Zeug loswerden, rauspurzeln lassen, wies grad kommt. Mir ist klar geworden, dass man rational und im einsam-sturen Moment nicht erkennen kann, wie sehr man Menschen wie den Papa braucht. Wie unendlich gut es tut, ihn beim andächtigen Wandern durch die Winterlandschaft neben sich atmen zu hören. Seine Handschuhe zu klauen.

Und eins auch: man sollte nie glauben, dass man selbst am besten weiß, was gut für einen ist.
Stattdessen muss man auch mal loslassen. Zurücklehnen und vertrauen.
Danke, Papa.

Dienstag, 4. Dezember 2012

Gut, danke

"Wie geht's dir?", fragte mich einmal jemand. Er wirkte interessiert, sein Blick eine Mischung aus Fürsorglichkeit und freundlicher Wärme und überhaupt war das ein sehr angenehmer Moment. Ich hatte schon oft gehört, dass manch einer sich schneller aus dieser Frage mit "Gut, danke" herausgewunden hatte, als der andere auch nur Zweifel haben hätte können. Dass es das beinahe heilige Grundgesetz des Smalltalks war, die Antwort auf maximal drei Worte begrenzt zu halten. Wo kämen wir auch hin, wenn da auf einmal jeder auspacken würde und beim alltäglichen Geplauder mal eben die gesammelten Tragödien seiner Lebensgeschichte herunterjaulen würde.

Aber da war dann dieser Moment. Ich fühlte, dies war ein besonderer. Ich hatte schon den Mund geöffnet, um zu sagen "Gut, danke, selbst?" und hielt inne. Ich schloss ihn wieder, sah kurz auf den Boden, sah ihn wieder an und sagte dann "Ehrlich gesagt geht es mir nicht gut." Na und was antwortete er darauf? Richtig, er  erkundigte sich, was mir fehle. Das wollte ich ihm doch aber nun gar nicht sagen, auch nicht, wenn ich es gewusst hätte. Und, ich schwöre, er hat mich nie wieder ohne diesen besorgten Blick angesehen.

Dann war da eine andere Begegnung. Ein Mädchen, zu dem ich mich sehr verbunden fühlte. Es war unheimlich offen, charismatisch und dann doch wieder still genug, um eine wahre Tiefe an Empathie und Intelligenz vermuten zu lassen. Auch sie konfrontierte mich mit der bedeutungsschwangeren Frage. Ich holte tief Luft. "Weißt du, manchmal wache ich morgens auf und ich muss mich schon sehr wundern, dass ich da bin, wo ich bin. Und überhaupt, was ist dann an dem Tag? Fühlst du dich nicht auch manchmal ein bisschen verloren, so als ob da gar kein Boden wär unter den Füßen und man einfach so in Ahnungslosigkeit dahin schwebt? Kennst du die Angst, dass da am Ende gar nichts wartet?"
Vielleicht hätte ich das alles wirklich sagen sollen. Vielleicht hätte sie mich verstanden und ich hätte mich ein bisschen weniger alleine mit meinen Gedanken gefühlt.
Aber ich hatte zuviel Angst vor dem heiligen Grundgesetz. Und auch ein bisschen, was sie von mir denken würde.
Sie fragte also: "Wie geht's dir?"
Und ich sagte: "Danke, gut."

Samstag, 24. November 2012

Leben ohne Handy

Seit nun gut über vier Tagen lebe ich ohne Handy. Die Enthaltsamkeit ist keine selbstgewählte sondern auf eigenes fahrlässiges Verhalten zurückzuführen. Ich schlenderte fröhlich aus dem Café, tippte beschwingt eine SMS und machte dann den folgeträchtigen Fehler: Statt es zurück in die Tasche zu werfen, ließ ich es so locker und lustig wie ich mich gerade fühlte, einfach nur in meine Jackentasche verschwinden. Und von der aus wohl in kürzester Zeit auf nimmerwiedersehen gen Asphalt. Denn als ich nach geschätzten 100 Metern schon feststellte, dass das Handy nicht mehr da war, wo es sein sollte, war es schon zu spät. Ich lief die Meter ab und es hätte nur eine Lupe gefehlt, um die Gegend genauer abzusuchen. Keine Spur. Ob ehrlicher Finder oder nicht, schnell war er in jedem Fall.

Im Fundbüro ist nichts und auch sonst ist das Gerät mittlerweile aus. Ich bin noch in Trauer aber ich akzeptiere allmählich mein Schicksal. Scherz beiseite: Ich genieße es!
Schon wenn ich auf einen Spaziergang rausging, hatte ich mich zu Lebzeiten meines Begleiters immer gefragt, ob er denn jetzt wirklich mitkommen müsse. Ich wollte lieber alleine, ohne ihn, aber dann fielen mir diverse Momente ein, in denen dann doch wer wichtiges angerufen hätte. Und ich war nicht erreichbar! Ein Graus. Nicht ohne tiefen Seufzer steckte ich das Handy also stets mit ein und fühlte bei jedem Schritt die Last, wie es sich in der Hosen-(!sicherer, da rutscht es nicht raus)tasche gegen mein Bein warf, als wollte es sagen: "Entspann dich bloß nicht zu sehr. Wenn du mich nicht hörst, ja dann..." So die drohende und spannungsgeladene Einleitung mit der düsteren und alles vernichtenden Botschaft: "...Verpasst du was." Zack, die Angst unserer Generation mal eben in drei Worten ausformuliert. Wer würde sich davon nicht einschüchtern lassen? Eben.


Gut, jetzt verpass ich wohl eine Menge. Ich laufe durch die Gegend, mitunter fast schon lustigen Illustrationen aus Comicheften anmutend mit den Händen in den (leeren) Hosentaschen, ein Liedchen vor mich hinpfeifend und ganz vergessen, dass es sowas wie moderne Technologie überhaupt gibt. Ich sehe Menschen, wie sie mit gerunzelter Stirn und böse dreinblickenden Augenbrauen verwirrt auf dem Bildschirm ihrer Smartphones herumdrücken. Andere atmen tief und mit genervter Inbrunst ein und aus bevor sie in stiller Ergebenheit an ihr Handy mit einem wahlweise schwachen "Ja?" oder aber einem gespielten "Ja hallo, DAS ist aber schön, dass du anrufst" gehen. Wieder andere werden fast vom Auto überfahren, weil sie doch grad noch eine wichtige SMS komplettieren und absenden mussten. Die Umwelt, die schöne glitzernde Salzach in der Sonne, die lustige Frau mit dem riesigen Hut und der niedliche Hund, der sich vor ihre Füße warf, um gestreichelt zu werden... vollkommen unbemerkt. War da was?

Wie oft habe ich eigentlich telefoniert, nur weil mir gerade langweilig war? Geredet und geredet, ohne wirklich etwas zu sagen? Wie oft schrieb ich SMS an Empfänger, bei der die Wahrscheinlichkeit auf eine Antwort niedriger war, als im Vorbeigehen einem singenden Schwein zu begegnen? Wie oft fühlte ich mich irgendwann leer, weil ich soviel kommunizierte, wie vor hundert Jahren auf den paar Metern mit Sicherheit kein Mensch, und doch keine Nähe spürte.


Seit das Handy weg ist, bin ich oft mal allein. Ganz allein. Ich gehe meines Weges in dem sicheren Wissen, das sich niemand bei mir melden wird. Nicht weil mich keiner lieb hat. Sondern einfach nur, weil es nicht möglich ist. In den letzten Abenden habe ich fast immer was mit Freunden gemacht. Denn sobald ich Abends heimgekommen war, fühlte ich mich wirklich entspannt. Fühlte mich nicht einsam, aber begierig darauf, jemanden zu treffen. Hatte Zeit gehabt, mich zu sammeln, um in der Gemeinschaft wieder ein wenig Gesammeltes auszutauschen.

Über Facebook und eMail bekomme ich alles (beruflich) Notwendige mit und auch alles andere kann man sich tatsächlich, bin ich mittlerweile überzeugt, auch ohne Tastengerät holen. Ich fürchte mich nur vor dem Moment, wenn mir jemand freudestrahlend entgegen lächelt und verkündet: "Wir haben Ihr Handy gefunden!"

Sonntag, 18. November 2012

Hilfe, ich liebe eine Maschine

Meine Kaffeemaschine kann sprechen. Früh am Morgen, wenn sie noch schläft, drücke ich sanft ihren Einschaltknopf. Sie blinzelt kurz verschlafen, wahrnehmbar durch ein rotes Blinken, bevor sie auch schon freudig losrattert. Es klingt nicht jedes mal gleich. An einem Tag röhrt sie fröhlich nach kurzer Blinkzeit los, ruft mir freudig ein erfrischendes "Guten Morgen!" entgegen. Am nächsten kommt sie kaum zu potte mit ihrer Blinkerei und auch dann knirrscht sie eher mürrisch vor sich hin, als wollte sie sagen: "Was... schon wiiieder Kaffee... man man man." Wenn ihr der Saft ausgeht, dann ist sie beleidigt. Kein Wasser? Keine Bohnen? Na, dann gibts auch keinen Kaffee.

All das sind Phänomene, die Ihnen nun wahlweise bekannt vorkommen könnten. Diejenigen unter Ihnen, die mich bis dato noch nicht für verrückt erklärt haben, ich hab noch mehr auf Lager. Ich höre schon bevor das Wasser alle ist, dass das Wasser gleich alle ist! Die Maschine klingt dann anders. Auch wenn das Gefäß mit dem Dreckwasser (es hat bestimmt einen richtigen Namen, verzeih, liebes Lesepublikum das sich mit Technik auskennt) lockerer sitzt. Ich höre das nicht nur am Klappern, nein, ich kann richtig durch das ratternde Plastik hindurchspüren, was meine kleine Kaffeebrauerei empfindet. Und überhaupt ist sie eine meiner besten Freundinnen, meine Kaffeemaschine. Wenn es mir schlecht geht, war sie noch immer für mich da.

Gut, ich gebe es zu, zum Schluss hin (aber auch nur da) mag ich ein wenig überzeichnet haben. Dennoch, kurz gefasst: Ich habe eine emotionale Beziehung zu meiner Kaffeemaschine. Und das wiederum bringt mich auf einen weiter gespannten Trichter: Wie war das nochmal mit den Robotern und den Gefühlen?
In zig Filmen wird es thematisiert, das Empfinden und Nichtempfinden für Leben-simulierende Maschinen in ferner und auch durchaus näheren Zukunft (der jüngste der Film "Eva". Sehenswert!).

Ein paar Fragen im Bekannten- und Freundeskreis zeigten, das ich mit meiner Liebe zur Kaffeemaschine nicht alleine da stehe. Auch Gegenstände wie Laptops, Handys, Uhren und sogar Mikrowellen erfreuen sich hoher emotionaler Verbundenheit seitens ihrer Besitzer. 

Sollten also mal lebensechte Roboter erschaffen werden, die zumindest ansatzweise aussehen wie Menschen, könnten emotionale Verbindungen tatsächlich entstehen? Wenn schon mit Laptop und iPod so positive Assoziationen bestehen, dass diese kaum aus dem Leben wegzudenken wären, wie wär das erst bei einem Typen, mit dem man sich tatsächlich verbunden fühlen kann?
Sind es die Funktionen oder ist es die gemütliche Gewohnheit, das "Kennen" dieser Geräte? Ist es falsch, Sympathien zu einer Maschine zu hegen?
Oder bin ich einfach nur zu lange wach gelegen?
Man weiß es nicht.

Sonntag, 11. November 2012

Loch in der Leggins

Meine Lieblingsleggins hat ein Loch am Knie. Das kommt daher, dass sie in ihrer privilegierten Position als Lieblingsleggins freilich auch oft und schon seit vielen Jahren getragen wurde und wird. Nebst inzwischen idealer Anschmiegform und ausgedünntem Kuschelstoff hat sich wie bereits erwähnt leider ein Schönheitsfehler eingeschlichen. Ein kleiner Riss am Knie, der als harmloser Piekser anfing und sich unbarmherzig ausbreitete.

Ich habe die Leggins noch, meine Mutter hasst sie. Ich trage sie, wann immer ich finde, dass ich nun wirklich nicht schick auszusehen brauche. Beispielsweise bei einem Ausflug durch die Wälder. Eichhörnchen, Moos und Bäume werden sich schon nicht dran stören. Auch dass einem andere Wanderer begegnen war mir in diesem Moment herzlich egal. Der leicht resignierte kurze Blick meiner Mutter auf das Loch sprach allerdings Bände, ohne dass sie auch nur ein Wort sagte. Sie ist sensibel und will mir nicht zu nahe treten, daher hielt sie sich zurück. Aber hier war die erste Verunsicherung gesteckt.

Neulich trug ich sie zum Laufen. Ebenfalls eine von diesen Situationen, in denen ich der festen Überzeugung bin, dass es hierbei um etwas anderes gehen muss, als das Zurschaustellen von Kleidung. Frei sein, ist mein Gedanke dahinter, mich zu kleiden, wie ich möchte. Und grad beim Laufen ist dieses Freisein eigentlich genau der Grund, warum ich diesem Sport überhaupt nachgehe. Wie, wenn man selbst in diesem Moment der inneren Kraft und Ruhe auf äußerliche Feinheiten schauen müsste? Unangenehmer Gedanke.

Aber auch hier blieb ich nicht verschont. Wie ich die letzten Meter zurück zur Wohnung ging, die Hörstopsel bereits aus dem Ohr, hörte ich sie kichern, kaum volljährige Weibsen. In einer Clique stehen sie da, eine kompromisslose Jury mit Glitzer, Glamour und Glanz-Fellkragenjäckchen, die nicht verstehen können, wie ich mich nur so gehen lassen kann. "Ich glaub ich kauf ihr eine neue Leggins", raunt die eine der anderen zu (nicht leise genug, offensichtlich, denn ich hörte es). Es hat mich verletzt, obwohl einem sowas doch eigentlich egal sein sollte. Das war mein Gedanke. Zunächst dachte ich trotzig "Ey Alte, lass mal, ich hätt das Geld schon selber, aber nicht jeder hat es nötig, sich über Äußerlichkeiten zu definieren."

Fühlte mich allerdings mit diesem Gedanken nicht wohl. Er klang für mich nicht nur selbstgerecht, sondern auch anmaßend und verurteilend. Eben das, was sie tat, tat ich sozusagen einfach zurück. Bringt einen das weiter? Ich schätze nicht.
Wie weit muss man sich anpassen? Wie weit nimmt man in Kauf, beleidigt zu werden oder auch nur resignierte Blicke zu ernten? Ist es das ganze wirklich wert, muss man immer auf Teufel komm raus individuell sein?

Letztens habe ich die Leggins zum Laufen wieder getragen. Hab einfach nicht dran gedacht. Und an diesem Tag lächelten mich gleich fünf Leute unterwegs ganz freundlich an.
Wenn man sich anpassen will, muss man ja erstmal wissen, was denn nun richtig ist. Die einen finden ein Loch in der Leggins assig, die anderen finden es niedlich und locker. Und, das allerbeste: Es gibt sogar solche, denen die Beschaffenheit meiner Hose einfach wurscht ist.
Ich glaub, wenn genau diesen Leuten was an mir auffallen würde, was ihnen nicht passt. Ja, dann würd ich mich gern anpassen.

Sonntag, 4. November 2012

Träume malen

 Auf Reisen, das ist so ein Phänomen, zumindest wenn man alleine reist. Man fährt von Ort zu Ort und nächtigt üblicherweise in Jugendherbergen und Hostels. Jene günstigen Unterkünften, die alle eins gemeinsam haben: Man trifft die selben Nasen wie man selbst. Auch auf Reisen, auf Sparen und auf Menschen-Kennenlernen aus und allzeit bereit für einen netten Plausch am Frühstückstisch. Im Unterschied zu Hotels oder Urlauben, bei denen sich ja bekanntlich auch nicht jeder hinter unsichtbaren Mauern versteckt sondern durchaus ebenfalls ins Gespräch kommt, sind die Resultate der Gespräche noch unklar.

Im  Hotel dürfte es in der Regel so sein, dass jeder seines Weges geht und eben Urlaub macht. Auf Reisen kommt man zusammen und, wenn es sich eben ergibt, bleibt auch zusammen. Viele Menschen sehen genau in diesem freien, unkalkulier- und unerwartbarem Zustand des "Jederzeit alles möglich" den tatsächlich süchtig machenden Reiz des Reisens. So ist es dann tatsächlich so, dass sich aus manch einem Gespräch langsam aber sicher gemeinsame Pläne stricken, gemeinsame Geschichten ausgetauscht werden und sich letztlich gefühlt wird, als kenne man sich eigentlich schon ewig. Ich glaube nicht unbedingt an Seelenverwandtschaft, aber der Begriff "soul mates" gefällt mir gut. Man ist vielleicht nicht verwandt, aber die Seelen passen zueinander. Oder halt der Charakter. Isjajetzauchegal.'

Auch wenn das Solidarisieren des Reisens und das Menschen-Kennenlernen auf eine sonst selten bestehende Weise ein wunderschönes Thema ist, möchte ich darauf nun nicht hinaus. Es war nur eine vielleicht etwas ausschweifend weil mit schönen Erinnerungen verbundene Einleitung.


Ich hab dann nämlich mal was ausprobiert. Wie man sich so traf, an Frühstückstisch, Couch vorm Fernseher, draußen auf der Bank oder am Strand, da lernte ich die Leute kennen. Und war jemand ganz anderes als ich bin. Ich erzählte Geschichten, die nicht stimmten. Ich erfand Eigenschaften, die ich nicht hatte. Ja, ich spielte sie sogar. Es war kein Lügen im eigentlichen Sinne, denn ich blieb immer nahe der Wahrheit. Aber ich probierte mich in Realitäten. Ich dichtete mir keinen Doktortitel an, aber behauptete, schon einmal in einer physiologischen Praxis ausgeholfen zu haben. Ich machte mich nicht zur Alkoholikerin aber erzählte von wilden Feten, die so tatsächlich nur in meinem Kopf stattgefunden hatten.

Ist das schäbig? Vielleicht. Der Unterhaltungswert war wunderbar und ich glaube, es hatte ohnehin keiner vor, eine Biografie über mein Leben zu schreiben. Der Wahrheitsgehalt meiner Aussagen war somit irgendwo auch wieder egal. Erzählt man Geschichten, sind die ja auch nicht immer wahr. Aber naja, sein Urteil über mein Verhalten darf sich freilich jeder selber bilden. Für mich war es ein spannendes Experimentieren mit meinen grade mal 18 Lebensjahren, in denen man sich nunmal "noch nicht richtig gefunden hat", um es so schön platt zu formulieren.

Das interessante Resultat: Je lebhafter ich Geschichten erzählte, je mehr ich gestikulierte, lachte und die anderen glauben machen konnte, sie wären wirklich passiert (absurd waren sie schließlich nie), desto mehr glaubte ich sie selber. Ich freute mich an meinen Erlebnissen, an den Momenten, die ich in schillernden Farben in die Luft zeichnete. Vergaß bald fast, dass es doch nicht wirklich echt war. Traurig war ich darüber dann nie mehr. Die Fantasie schien zu reichen.
Auch wenn ich stundenlang im Bus saß, am Meer spazieren ging und meinen Gedanken nachhing, tauchten sie auf, alle diese Träume. Ich lebte sie, ich spürte sie, und fühlte mich, als ich zurück in mein Zimmer kam, als hätte ich alles wirklich erlebt. Die Grenzen zwischen echt und Kopf lösten sich mehr und mehr, je freier ich mich fühlte.


Und das macht mich bis heute nachdenklich. Denn auch heute taucht immer wieder der Satz eines sehr klugen Menschens in meinem Kopf auf. "Fantasie ist wichtiger als Wissen, denn Wissen ist begrenzt". Albert Einstein, Gott habe ihn selig.
Wenn man die Fantasie hat, sich alle Träume zu erschaffen, die man sich nur wünschen kann und vollends über reale Grenzen hinausgehen kann, um das Ungreifbare zu spüren. Ganz ohne Drogen und mit der reinen Vorstellungskraft.
Wie weit darf man da gehen? Ist es wichtig, dass Dinge wirklich passiert sind? Sollte man sich nicht zu sehr in Träumen verlieren oder ist es genau das, was die schönste Kunst des Lebens sein könnte?


Ganz ehrlich, ich weiß es nicht.

Samstag, 27. Oktober 2012

Immer wenn es draußen grau wird

Immer wenn es draußen grau wird, komme ich zu mir. Es breitet sich Ruhe aus. Gestern noch war es ganz still, sogar der Wind schien zu schlafen. Weil es kalt war, konnte man, wenn man genau aufpasste, ein Klirren hören in der Luft. Die ersten ankündigenden Klänge von Schnee und Winter. Doch eigentlich war da nur Ruhe. Auch jetzt ist alles was das stumme Grau draußen durchbricht der Regen. Er ist nicht heftig sondern er passt sich an und besprüht gemächlich die Stadt und die Berge. Nicht zu laut, passt zur Stimmung und fließt mit ein in das rundum triste Bild da draußen.

Ja, ich finde es trist. Aber ich finde es nicht traurig, wenn das einen Sinn ergibt. Denn ich habe aufgehört, nur in Fröhlichkeit und euphorischer Sonne Schönheit zu finden. Es ist doch so: Wenn draußen die Sonne strahlt und alles zu rufen scheint "Komm raus, hab Spaß, genieße mich!" und wir dem folgen, ist das wie ein volles Programm. Man lässt sich draußen treiben, die Menschen sind fröhlicher weil hormonell von Sonnenstrahlen zu aktiven Treiben und freudigem Lächeln motiviert und man tanzt eine Art Sonnentanz mit ihnen mit. Es wird geredet, gescherzelt, im Sommer gebadet, im Herbst und Winter halt dann nur noch gesonnt und überhaupt ist die Stimmung ausgelassen. Wenn die Sonne scheint, dann geht es den meisten Leuten einfach besser und die Welt sieht freundlicher aus.
Das ist etwas schönes und ich würde es nicht missen wollen. Aber es ist, wie schon gesagt, ein bereits in sich vollständiges Programm. Es bedarf kaum mehr, um sich in diesem Moment wohl zu fühlen. Für die einen mag das ein Geschenk sein. Ich musste jedoch in Ländern, die immerzu heiß und freundlich sind feststellen, dass es das nicht für mich ist. In Australien etwa machte es mich mürbe. Nicht die Hitze. Die Sonne! Immer Sonne. Immer freundlich, fröhlich, lustig.
Verstehen Sie mich nicht falsch: Ich bin sicher niemand, der sich schlechte Laune herbei wünscht. Aber Ruhe, die schon.

Denn heute ist es grau, aber heute ist es auch ruhig. Gestern war es schon so und ich zog meine Schuhe an und ging raus. Ich fühlte mich ein bisschen leer. Keine Sonne, die das ganze ausfüllte und vergessen machte. Kein Lächeln, das mich ablenken konnte und keine fröhlich hüpfende Euphorie warmer Strahlen und leuchtender Farben. Nur die Stadt, die Salzach, das Wasser das darin floss und ein leises Rauschen. Und sonst dieses Klirren. Ich ging eine Weile, fühlte mich ein bisschen traurig. Ein leeres Traurig, wenn es keinen richtigen Grund gibt und man aber gerade einfach keinen frohen Gedanken finden kann, in den man sich schmiegen könnte.

Ich ging dann dahin, wo ich immer hingehe, wenn ich nachdenken möchte. Auf den Mönchsberg. Auch hier war das selbe Bild, die Bäume und der Laubboden und die Steine und Hügel und Täler, alle schienen sie sich heute ein wenig farblos zu fühlen. Aber sie lächelten mich an. Etwas müde und viel ruhiger als im Sommer, aber immerhin. Und dann geschah das, was mir eigentlich immer nur bei einem solchen Wetter passiert. Weil es so still um mich war, konnte ich aufeinmal ganz tief in mich selbst hinein hören. Die Stimmen, die sprachen. Die Erinnerungen, die den Teppich für das boten, was sich sonst so abspielte, und endlich mal pausierte. Auf dass man den Krempel wegräumen und den Teppich nun endlich einmal begutachten konnte. Die Bilder, von denen ich glaubte, sie wären verblasst, konnte ich auch wieder finden. Sie waren noch immer so schön bunt, wie ich sie in Erinnerung hatte.

Ich hielt sie neben die etwas triste wirkende Landschaft, zum Vergleich, und erkannte, dass sie mich zusammen unendlich glücklich machten. Ich besann mich darauf, was ich mir im Leben noch wünschte, was ich schon hatte und all das konnte erst leuchten, weil das Um mich herum aufmerksam zuhörte und nicht selber laut war.
Ich träumte, ich dachte all diese Gedanken, die ich mir nur denke, wenn ich ganz ruhig und friedlich und in meiner Mitte bin.

Ich weiß, das hört sich alles möglicherweise etwas esoterisch an. Vielleicht auch langweilig. Oder am Ende verrückt, geisteskrank.
Aber vielleicht können Sie es nachempfinden.
Immerhin ist es das, was uns unser Leben lang begleiten wird, egal wo und wer und was wir sind und machen.
Unsere Gedanken und Erinnerungen. Unsere Träume.

Samstag, 20. Oktober 2012

Blick in die Zukunft

Manchmal habe ich kurze Ausblicke in etwas, das ich glaube als Zukunft zu erkennen. Natürlich handelt es sich eher um einen kräftigen Schuss Übermut der Fantasie, aber dennoch wirkt es ganz klar und wie auf der Hand, dass das Bild vor meinem inneren Auge einmal so sein wird.

"Früher", erzähle ich da, als alte Dame, wie ich mit meiner Enkelin durch den Supermarkt schlendere und wir Gurken, Pudding und Waschmittel in den Einkaufskorb fallen lassen, "ja früher, da mussten die das an der Kassa alles einzeln scannen!" "Wie?", fragt die Kleine und ihre Nase läuft schon wieder, "Aber das muss doch dann ganz lang gedauert haben?" "Ja, schon. Aber wir haben halt gewartet, bis wir dran waren." Ganze Gesetze wurden damals aufgestellt, erinnere ich mich. Murphys Laws genannt. Sie besagten, dass immer die Schlange schneller voranging, an der man gerade nicht anstand.
Wir dagegen, meine Enkelin und ich, wir werfen die Produkte in einen Korb, der automatisch zählt, was hinein fällt. Derzeit ist der Entwicklungsstand mit dem Beamen schon fortgeschritten, aber nur die wirklich abgefahren spacigen (dass ich das als alte Omi noch sage!) Supermärkte in Japan beamen die Sachen schon direkt nach Hause. Da geht aber auch noch einiges schief, was man so hört, und es wird gemunkelt, dass dadurch krebserregende Stoffe entstünden. Was auch sonst.

Später gehen meine Enkelin und ich noch in ein Restaurant. Es ist eines der wenigen, in dem noch Menschen servieren. Tatsächlich war das Service-Personal zwar nicht das erste, aber eines der ersten, das durch Roboter ersetzt wurde. Die Aufgabenbereiche waren verhältnismäßig einfach, auch wenn sich hin und wieder Problematiken aufstellten, die man nicht hatte kommen sehen. Wie schnell Suppe und Wasser aus Teller und Schüssel schwappten, beispielsweise. Oder dass Geschirr unterschiedlich fest angepackt werden durfte, damit es nicht zerbrach. Mein Sohn und seine Frau, die Eltern meiner Enkelin, finden, dass ich da etwas nostalgisch bin. "Es ist doch auch nicht besser, wenn Menschen schuften müssen", argumentieren sie, nicht unstichhaltig, muss ich gestehen.

Dennoch finde ich es einfach heimeliger, so von Mensch zu Mensch. Am Anfang waren noch alle fasziniert gewesen von Horrorvorstellungen, von Robotern, die plötzlich wie schon in futuristischen Filmen, die Weltherrschaft an sich reißen und die Menschheit vernichten wollen. Oder an die man sein Herz verlieren konnte und möglicherweise ja umgekehrt. Tatsächlich waren das aber, wenn man so sagen kann, wildromantische Fantasien um die potenziellen Persönlichkeiten eines Roboters. Wenn man die Teile jetzt hier so sieht, wird man schnell desillusioniert. Da ist so ein freundliches menschliches Lächeln und persönlicher Bezug schon herzerwärmend. Und ich bin eh nicht die einzige, wir sind da richtig aktiv. "Viva la vida!" heißt die Initiative, in der ich mich hin und wieder beteilige.

Ja und sonst.. es hat sich viel geändert aber nicht so viel, wie man manchmal früher geglaubt hat. Der Mensch hatte irgendwie bald das Interesse an zu viel Futuristischem verloren. Er wollte einfach nicht, dass alles Grün weg ging, er wollte diese vollautomatischen grau-weiß-schwarzen und sterilen Riesenstädte nicht. Es blieb vieles wie es war, teilweise wird jetzt sogar extra auf "gute alte Zeiten" getrimmt, das ist seit langem ein großer Hype. Statt des schick-schnittigen Penthouses greifen die vermögenden Leute lieber wieder tief in die Taschen für ein uriges Landhaus im Stil des letzten Jahrhunderts. Ein eigener Bauernhof ist grad auch wieder am Kommen. Allerdings von Robotern betrieben, aber naja, wir müssen unseren Weg halt auch erst finden.

Dann war die Fantasie vorbei und ich saß wieder da. Als 22-Jährige, an einem sonnigen Herbsttag an der Salzach. Es würde hier noch viel Wasser entlang fließen. Gott sei Dank. Denn erleben will ich das alles schon selber.

Montag, 15. Oktober 2012

Jetzt mal unter uns Menschen.

Wo hört die Kompetenz, die ein Mensch im sozialen Alltag aufbringen soll(te), auf und wo fängt das legitime Menscheln an. Das war eine Frage, die ich mir neulich stellen musste, als ich über einen Artikel in einer meiner heiß geliebten Zeitschriften stolperte. Thema "Gesprächsgestaltung". Oder auch: "Nie wieder sprachlos. Wie umgehe ich typische Gesprächsfallen?" Aufgelistet waren Situationen, die tatsächlich, wie ich jetzt einfach mal wage zu behaupten, jeder schon einmal erlebt hat. Die peinliche Stille. Das Fettnäpfchen (ob  sich in Grund und Bode schämend aktiv oder bemüht die verletzte Stelle mit erzwungenem Grinsen verdeckend passiv). Die plötzliche Bemerkung, die einen vollkommen unvorbereitet trifft. Unangenehme Situationen, wenn einer zu viel, zu laut, zu leise, zu klangvoll, zu.... spricht.

Sehr unterhaltsam war, wie man sich wiederfand. Kopfkino an, erlebte ich diverse beschriebene Szenarien noch einmal durch, hatte bei Geschichten sofort einen Mensch mit Haut und Haar vor Augen. Was ich mir gedacht habe. Was er sich wohl gedacht hat. Was ich mir dachte, was er dachte. Und was wir dann gesagt haben. Wenn Menschen aufeinander treffen, entstehen die ulkigsten, merkwürdigsten, furchtbarsten aber auch zauberhaftesten Momente.

Und genau deswegen konnte ich den weiteren Sinn des Artikels nur teils nachvollziehen. Ich verstehe einfach nicht: Warum, wozu, weshalb? Zuletzt fragte ich mich dieses Warumwozuweshalb bei der genauen Analyse der PR-Strategie eines (rein kommerziellen) Produkts. Mir kommt manchmal vor, da wird ein Riesenaffentanz um einen heißen Brei veranstaltet, der letztlich weder satt noch glücklich macht, aber halt existiert, weil die Leute das kaufen. Mit dem Geld kann weiter getanzt werden. Aber das artet hier zu sehr aus und stellt unser ganzes System in Frage, wofür ich mich nicht kompetent halte.

Also will ich mich hüten über den Sinn professioneller Kommunikation in Unternehmen, über PR und über die konstruktive Art, ein Unternehmen auf objektivem Fundament aufrecht zu erhalten und mit Bausteinen der Logik und Pragmatik auf- und auszubauen. Das ist profi, business, kennt man ja.

Aber diese Tipps zur problemfreien Gesprächsgestaltung, "Nie wieder sprachlos", die waren nicht für Profis, nicht für PR und nicht für Business. Die waren für die ganz normalen Gabi und Hans, die auf einer Party sind, sich unterhalten und plötzlich trifft einer den wunden Nerv der anderen. So, dann mal fix rausgerettet. Oder für die blöde Tussi/ den eingebildeten Idioten, der mehr rotznäsige Gemeinheiten austeilt als der Dealer beim Pokern Karten. Die kann man mit einer gekonnten Bemerkung zum Schweigen bringen. Und dann wär da noch die traurige Situation und keiner weiß so genau, was er denn jetzt sagen soll.
Ist doch toll, wenn's da ein Handbuch für "Dummies" gibt? Find ich nich. Ich geh nämlich mal davon aus, dass wir doch letztlich alle Dummies sind. Menschen nämlich, und das ist auch gut so.

Magische Momente entstehen nicht, wenn immer ein Plan besteht. Immer eine perfekte Masche aufgegriffen wird, der schlagfertige (auswendig gelernte) Spruch auf den Lippen liegt und jeder immer souverän und schlau reagiert. Ja sind wir denn Roboter?
Schön wird's oft erst wenn's komisch wird. Wenn's peinlich wird, wird uns rot und warm. Das ist nicht nur unangenehm. Das ist Leben.

Stellen Sie sich zwei Verliebte vor. Stellen Sie sich vor, wie sie stammeln, rumdrucksen und vor Scham versinken, weil sie doch einfach nicht wollen, wie sie nun was von all den tausend purzelnden Gedanken sagen wollen. Bezaubernd, magisch und wunderschön in einem. Und genau das kann Menscheln sein. Also bitte weg mit den Plänen. Danke.

Sonntag, 7. Oktober 2012

Wie die Bravo-CD das Leben erleichterte

Neulich wie ich bei der Post in der Warteschlange stand ließ ich den Blick über das kleine überschaubare Sortiment an Filmen und CDs gleiten und blieb hängen an etwas, das ich wirklich schon lange nicht mehr bewusst gesehen hatte. Die aktuelle Bravo-CD. Hachja, die Bravo, Volume dreihundertmillionenfünfhundertsechzig. Kauft die eigentlich noch wer?, fragte ich mich verwundert. In Zeiten von iTunes Store und Musikdownloads, ob legaler oder illegalerweise sei jetzt mal dahin gestellt, scheint eine Zusammenfassung der aktuell (angeblich) besten Titel überflüssig. Ja geradezu unselbstständig und uncool, ist es doch genau unsere Individualität das, worauf wir heutzutage furchtbar stolz sind. Es ist das allerwichtigste, besonders zu sein in einer Welt wo bald mal jeder theoretisch alles kann. Da lässt es sich gar nicht genug an geheimen Indie-Musiktipps von bisher unbekannten und aufgrund ihrer Brandaktualität noch unter Verschluss gehaltenen schwedischen Bands aus dem Ärmel schütteln. Wer will schon Einheitsbrei, wenn man allen um einen rum beweisen kann, was für ein ausgefuchster Kenner mit delikatestem Geschmack man doch ist. Ein revolutionärer Andersdenker, der es wirklich nicht nötig hat, sich eine Sammlung der besten Lieder kaufen zu müssen. Viel mehr könnte er sie ERSTELLEN.

Zugegebenermaßen neige ich auch hier zur Überzeichnung und freilich sind wohl die meisten Hörer mit ganz individuellem Geschmack einfach nur Menschen, die keine Lust auf das haben, was mal eben frisch aus Amerika als "neuer Hit" versucht wird, zu verkaufen. Sie nehmen sich die Möglichkeiten der heutigen Zeit mit gutem Recht und stellen sich aus ihren Lieblingen eine Playlist zusammen, die ihnen nicht nur gefällt, sondern in der sie sich wohl und zuhause fühlen. Nicht jeder, der individuell sein möchte, tut das um es nach außen hin zu tragen. Es scheint also für beide, die Hipster und die Freidenker, von Vorteil zu sein, wie das heutzutage läuft mit dem Individualismus der Musikauswahl und dem Abkehr von der Bravo-CD.


Noch immer befand ich mich in besagter Post, beim Anblick der Bravo-CD ins Grübeln geraten. Urplötzlich erschreckte mich ein kleines Stimmchen, es kam von irgendwo. "Aber manchmal", wisperte es leise und ein wenig schüchtern, "manchmal wär's doch auch ganz nett. So eine Bravo-Hit Kollektion." Und da merkte ich, dass es für mich gedanklich schon lange nicht mehr nur um Musik ging. Es ging um Leben, Studieren, Arbeiten, Familie, Reisen, Daheimbleiben, Tun und Nichtstun. Tatsächlich will doch jetzt eigentlich jeder und überall zu jeder Zeit individuell sein. Je mehr Leute Yoga machen, biologisch und ökologisch denken und handeln, mit Rucksäcken verreisen, sich sozial engagieren oder aber auch steile Karrieren erklimmen und Doktortitel einsahnen, desto weniger scheint noch Platz da zu sein, um sich was eigenes zu finden. Alle Wege, die früher als individuell galten, wurden schon eingeschlagen. Von jeder Seite kommen munter Empfehlungen, es ihnen nachzutun. Individualität ist kein Luxusgut mehr, es ist Alltag. Hektisch versucht man, mitzuziehen, möglichst einen ganz besonderen, eben seinen ganz eigenen Weg zu gehen. Ob Rucksackreise nach Australien, exotisches Auslandspraktikum in Peru oder auch nur freiwilliges soziales Jahr im eigenen Heimatsdorf. Da soll sich noch jemand orientieren, im riesigen Meeresstrudel der Möglichkeiten.

Die Bravo-CD hat vielleicht nicht immer die beste Musik geboten, aber eins schon: Einen Rettungsanker. Zumindest was Musik betraf. Man kaufte sie sich, hörte sich durch, war auf dem Stand. Konnte mitreden. Der Grundstock war solide, den Rest konnte man sich ja dann dazu finden. Man konnte sich irgendwie darauf verlassen, dass auch die anderen sie sich kauften und somit hatte man ein Richtmaß.

Wie wär's mit sowas für's Leben? Ein Basic, mit dem man auf jeden Fall mal alles richtig macht? Egal ob man heiratet und Kinder kriegt, oder studiert und Karriere macht, oder auf alles scheißt und künftig nur noch aus dem eigenen Rucksack lebt und unter Brücken schläft: Die Zeiten eines unumstrittenes Lebensmodells, an das man sich mal eben halten kann, sind passé.
Da wär so ne Bravo CD schon mal gut, nur so um sicher zu gehen. Letztlich kann man sie ja dann auch im Regal liegen lassen. Einfach nur froh, zu wissen, dass es sie theoretisch gibt.

Ich verließ die Post nachdenklich, ohne die CD. Aber ich schmiss zuhause das Radio an. Mal hören, was de anderen so hören. Letztlich ist es ja ein Geschenk, begriff ich.

Inspiration statt Passform.

Dienstag, 2. Oktober 2012

Strudel der Erinnerungen

"WAS? Jeden Tag???" So oder so ähnlich lauten häufige Reaktionen, wenn ich nach meinem liebsten Hobby gefragt werde: Dem Laufen. Gepaart mit wahlweise gen Boden klappenden Unterkiefern oder aber irritiert-skeptisch hochgezogenen Augenbrauen (mit größtem Unterhaltungswert wenn beides zusammen), können viele meine Treue, Liebe und manchmal auch Hartnäckigkeit nicht verstehen. Das wiederum kann ich gut verstehen. Wenn ich genau darüber nachdenke, dann ist es eigentlich wirklich irr. Rein objektiv betrachtet ziehe ich Morgen für Morgen meine Laufschuhe an, galoppiere von dannen oder aber trabe friedlich meines Weges an der Salzach. Komme wieder heim, ein bisschen durchgeschwitzter und um einiges fröhlicher. 

Doch subjektiv und emotional ist es (sorry, das kann wohl keiner mehr hören, aber dennoch) ein tiefer Schnaufer für die Seele. Eine Art Ventil über das überflüssige Wut, Trauer, Angst, Euphorie und was auch immer hinaus gelassen und in Form von spürbarer Kraft "abgerannt" werden können. Auch Klischees wie das Zu-sich-kommen, Gedanken-freimachen etcetera etcetera muss ich an dieser Stelle leider Gottes (oder auch zum Glück) ebenso bestätigen.

Ein Phänomen, das ich beim Laufen jedoch für mich entdeckt habe, kannte ich als einschlägiges "Hab-ich-auch-schon-gehört" so noch nicht: Es wirkt wie ein Fotoapparat bei einem spektakulären Anblick oder anderem tollen Motiv vor der Linse, wie die Stopptaste auf der Fernbedienung. Es konserviert. Denn obwohl man läuft, sich schnell bewegt, bleibt die Zeit stehen. Während mein Körper arbeitet, ganz von selber weiß, was er tut, hat mein Kopf Zeit. Zeit, sich voll und ganz in den vom Körper ausgeschütteten Glückshormonen und der sprudelnden Kraft und Wärme mit all den Ereignissen der letzten Tage auseinanderzusetzen. Beine und Arme strampeln und wippen, doch das Denkkasterl kommt zu klarer Ruhe. Der Moment steht still, wie all die Erlebnisse an einem vorbeiziehen und noch einmal durchlebt werden können. Das Gespräch mit meinem besten Freund, spontane Inspirationen, Gefühle, Gedanken, dieser Geruch, der mich im Moment x am Tag y an einen uralten Ort erinnert hat. Menschen, Situationen, seltsame Begebenheiten, Essen, Bilder, Farben, Stimmungen. Vor meiner Nase ist das fließende Wasser der Salzach, doch vor Augen habe ich scheinbar freie Auswahl im Strudel meiner Erinnerungen.

Nennt man das "Verarbeiten"? Ich weiß nur: Es tut verdammt gut. Egal ob man das wie ich beim Laufen (und Spazieren) tut oder lieber auf einer Decke im Park: Es lohnt sich, alles nochmal durch den Kopf rauschen zu lassen. Für mich bedeutet es ein Geschenk. Der Reichtum, bewusst zu leben.

Samstag, 29. September 2012

Die Meister


Neulich war ich auf einem Termin, der viel länger gedauert hat, als für Pressetermine üblich. Über drei Stunden wurde herumgeführt, erzählt, berichtet, präsentiert. Meine Geduld ist normalerweise recht erschöpflich, doch in diesem hätte ich genauso gut baden, ja vielleicht sogar einziehen können. So wohl fühlte ich mich.

Umgeben war ich auf dem Termin von Meistern. Kein Meister Yoda und kein Weltmeister, sondern die, die den Namen Meister vielleicht mehr, zumindest aber ebenso verdient haben, wie vorher genannte: Handwerksmeister. Vom Bäcker, über den Trachtenschneider, bishin zum Goldschmied und Buchbinder war alles vertreten. In meinen ersten Assoziationen beim Klang von Worten wie "Schmiede-Eisen", "Ambos" oder "Glas-Brennerei"  tauchte ich gedanklich ein in dunkle Zeiten des Mittelalters. Häuser aus Steinziegeln, Pferdekutschen, laut klappernde Hufen auf Kopfsteinpflaster und das laute Scheppern vom Hammer, wie er immer wieder vom Schmied auf das Eisen geschlagen wird. Ein Duft von Brot, der herbei weht, weil der Bäcker es gerade frisch aus dem Feuer geholt hat. Eine etwas betuchtere Frau, die sich ihre Halskette, selbstverständlich ein Unikat, vom Juwelier abholt.

Weg vom Mittelalter befand ich mich nun in einem durchaus traditionellem, aber doch auch modernen Haus des 21. Jahrhunderts. Die Menschen trugen keine Mittelalterskluft (bis auf eine Ausnahme, die man wohl durchaus zu der Sorte der exzentrischen Künstler zählen darf), sondern normale Hosen, Röcke, Blusen, Hemden, Strickjacken und was Menschen im Alter zwischen 30 und 60 halt so tragen.
Und doch umgab sie etwas ganz besonderes.

Man muss dazu sagen, dass es in vielen "modernen" Gewerben heutzutage durchaus üblich ist, sich in regelmäßigen Abständen zu Darstellungszwecken aufzuplustern wie ein Hahn in der Paarungszeit. Lebensläufe werden aufgemotzt, geringfügiger Aufwand zu Heldenleistungen modelliert und überhaupt ist jeder gefühlt sowieso ganz klar der Größte. Ist ja auch notwendig, bei so viel Konkurrenz. Wie soll man im Bewerbungsgespräch sonst auffallen.

Zwar haben die Handwerksleute nicht weniger Konkurrenz, aber vielleicht dafür mehr Ahnung, warum sie das tun, was sie tun. Das oder die Sache, der sie tagtäglich nachgehen, oder irgendetwas anderes scheint sie unendlich zu erden. Denn all diese Menschen um mich herum zogen mich aus einem Grund magisch an: Sie zogen keine Show ab und versuchten auch sonst nicht, irgendetwas irgendwie darzustellen. "Ich nähe halt Kleider."

Unsicherheiten, Übermut bishin zum Größenwahn, Ängstlichkeiten und Orientierungslosigkeit sind Nomen, die mir spontan zu unserer Generation einfallen. Es ist halt ein Riesendschungel da draußen. Wie soll man da noch wissen, wo man Auslandsemester machen, ob man freiwilliges soziales Jahr leisten oder wohin man die eigene Karriere verlegen soll? Ein paar scheinens immer genau zu wissen, denen folgt man dann, bis man irgendwann den eigenen Weg erkennt und sich reumutig wieder auf diesen begibt. Man findet sich mit der Zeit.

Ja, ich glaube, das war es. Die Leute da, der exzentrische Buchbinder, die etwas roh, aber sehr liebenswert wirkende Bäckerin, der unglaublich charmante Schmied: Es waren echte MENSCHEN, fern vom büroalltäglichen Einheitsbrei. Menschen, die ihrer Leidenschaft folgten und tagtäglich etwas taten, von dem sie wirklich wussten, warum, wofür und was am Ende dabei herauskam. Es muss ein schönes Gefühl sein, wenn man am Ende ein fertiges Dirndl in den Händen hält und weiß, dass es kein Zufall ist, wie der Stoff fällt und wo der Knopf angenäht ist. Man weiß: Das da hab ich gemacht, und das wird wer tragen.

Ich kann mich nicht erinnern, wann ich dieses Gefühl zuletzt beim Gestalten einer Powerpoint-Präsentation hatte. Beim Schreiben habe ich es. Auf dem Termin habe ich Menschen gefunden, die ihrem Handwerk, zwar mit bereits viel mehr Fachwissen und Erfahrung, aber mit der selben Liebe nachgehen. Ich fühlte mich ihnen nahe und bewunderte sie für ihren Fleiß und ihren Ehrgeiz. Sowohl auf Reisen als auch daheim sind es immer die selben Menschen, die mich inspirieren und mir zeigen, wie schön und lebenswert das Leben ist. Menschen, die ihren eigenen Weg gehen und nicht zwangsläufig gegen den Strom, aber ihre eigene Route schwimmen. Die wissen, wann man sich treiben lassen sollte, und wann es sich empfiehlt, mit Vollgas in eine Richtung zu paddeln. Die sich nicht reinreden lassen, sondern, ja ein bisschen Pathetik muss an dieser Stelle sein, ihrem Herz folgen.
 
Das Glück ist ja so ne Sache, Wenn man es nicht hat, dann sucht man es verzweifelt, probiert es am Ende, mit fragwürdigen Techniken wie Lachyoga, Meditation, groß angelegte Unternehmungen und ähnlichem  herbeizuzwingen. Dabei wissen wir doch selber, dass man es damit eher verschreckt.

Vielleicht kommt das Glück dann, wenn man konzentriert und mit Eifer bei einer durchaus simplen Sache ist und grad an alles andere denkt, als daran, ob man denn jetzt glücklich ist. Dann schleicht es sich heimlich dazu. Einfach so, wie man grad einfach tut, was man tut.

Das ist eine Kunst für sich und ich will sie lernen. Zum Beispiel von den Meistern.

Mittwoch, 19. September 2012

Der leise Schatz

Das Seltsame am Leben ist, dass die zwei wichtigsten Dinge in ihm gleichzeitig auch die leisesten und unauffälligsten sind. Die innere Stimme und die Menschen, die wirklich zählen.

Man geht seinen Weg, man tut dies, schafft das und meistens scheint alles einigermaßen Sinn zu ergeben. Wäre es so, dass jeder von uns soviel Zeit hätte, über alles nachzudenken, wie er wollte. Jederzeit die Möglichkeit, das Drumherum kurz auszublenden, um ganz tief und fest in sich reinzuspüren und zu hören. Wenn jeder die Muse hätte, sich eine Weile zurückzuziehen um in stillem Nachdenken sich auf das Wertvolle zu besinnen. Ja, dann würden wir alle auf unsere innere Stimme hören und genau das tun, was diese uns sagt.

Manche finden Nischen, in denen sie Genanntes zumindest ansatzweise für sich erreichen können. Meditation, Reisen, Sport, Malen, Schlafen... es gibt viele Wege.

Doch man kommt kaum aus. Oft ist das Leben wie ein reißender Bach, der in eine Richtung fließt, bei der man höchstens mit aller Kraft noch ein wenig nach links oder rechts (bitte nicht politisch auslegen) rudern kann, nicht jedoch rückwärts. Der Sprung heraus scheint schwer, geradezu absurd. Hektik im Alltag kann der Bach sein, es kann aber auch ein innerlicher Zwang sein, sein Leben nach bestimmten Maßstäben zu leben und bestimmten Kriterien gerecht werden zu wollen. Es können Verpflichtungen sein, sogar Ziele und Träume. Alles das, was uns antreibt, kann zu schnell werden.

Ähnlich läuft es denke ich mit den Menschen, die uns über den Weg laufen. Wir sind spontan begeistert, verliebt, befreundet, verzaubert und abgeneigt. Wir lernen neue Leute kennen und sind auf der Suche nach Menschen, die uns weiterbringen. Logisch, dass die als erstes ins Auge stechen, die vor Selbstbewusstsein nur so strotzen. Auf die magische Leuchtpfeile in kräftigen Farben blinkend zu zeigen scheinen und die mit lauter, kraftvoller Stimme sprechen. Die, die wir bewundern. So will ich auch mal sein, wenn ich groß bin.

Worauf ich hinaus will? Wenn man den ganzen Tag das tut, was man sollte, das, was offenbar richtig ist. Wenn man seinen Zielen immer näher kommt, aber die Freude plötzlich ausbleibt. Wenn man merkt, dass man zwar eine Menge toller Menschen kennt aber das Gefühl von Vertrautheit und Geborgenheit nicht aufkommen will. Dann wird es plötzlich ruhig. Dann sieht man dem Bach mal kurz beim Strömen zu und will auch niemanden kennen lernen. Man setzt sich hin und sieht auf einmal, wer geblieben ist. Und dann hört man sie aufeinmal, diese Stimme. Sie hat die ganze Zeit geredet, aber wie soll man sie auch hören bei dem Getöse des Baches. Sie wiederholt freundlich und unaufhörlich immer das selbe: Unsere tiefsten Wünsche, meist relativ bescheiden und einfach. Ja, beinahe langweilig. Aber eben der wahre Kern.


Und dann sieht man sich um. Da ist ein Mensch, ja vielleicht sogar ein paar, wenn man Glück hat. Und die waren die ganze Zeit da, sind still mitgeschwommen und haben uns begleitet. Sie schreien nicht, sie drängen nicht und sie haben auch keinen Plan für uns. Alles was sie haben, ist ihre Nähe. Und aufeinmal ist das alles, was zählt.

 
"Ich reise.
Alles, was lange währt,
ist leise."
Joachim Ringelnatz

Dienstag, 18. September 2012

Warum reisen?


Warum sollten Menschen reisen. Das ist eine Frage, mit der ich mich oft und viel beschäftige. Unter anderem deswegen, weil ich zwar wahnsinnig gerne reise, aber das Leben letztlich oft anders läuft. Es gibt die einen, die scheinen ständig auf Achse. Gestern New York, heute Madrid und morgen gehts auf nach Tokyo. Oft sind das diejenigen, die sich es halt auch leisten können und deren Absichten sind gerne durchaus konsumbedingt.

Es gibt welche, die leben quasi nur noch im VW-Bus oder aus dem Rucksack. Ich habe sie getroffen und sie haben mich gleichwohl verzaubert wie auch verwirrt. Seit Jahren sind sie unterwegs, bleiben hier mal einen Monat, arbeiten dort ein paar Wochen, könnten sich auch manchmal kurzzeitig vorstellen, sesshaft zu werden. Doch dann zieht es sie weiter wie der Wind Marry Poppins, wenn sie den Schirm aufspannt. Trägt sie zu neuen Orten, neuen Menschen und neuen Erlebnissen. Neuen Erkenntnissen?

Es gibt dann noch solche, die Reisen überhaupt nicht interessiert. Sie machen ihr Ding, arbeiten wahlweise an Studium, Ausbildung  oder sitzen bereits sattelfest im Beruf, verdienen ihre Brötchen, treiben ihre Hobbys, haben ihre Freunde und sind glücklich. Sollte das jetzt zynisch klingen oder gar herablassend, dann ist das wirklich nicht meine Absicht. Denn wer vom Leben mehr erwartet, als glücklich und zufrieden zu sein, dem tun sich ganz neue Probleme auf. Wer also einfach friedlich alles wie es ist genießen kann, der kann sich von wahrem Glück schätzen.

Natürlich ist das jetzt alles sehr oberflächlich und stark in Schubladen gepresst formuliert und letztlich ist jeder individuell, eh klar. Es handelt sich bei den Beschreibungen ja nicht um Und-so-wird-es-für-immer-bleiben-Zustände.

Doch auch mein Verhaltensmuster beim Reisen beobachte ich bei vielen anderen. Grundsätzlich  ist man mehr als interessiert, nahezu begeistert, wenn man auch nur irgendwie der Perspektive des Reisens über den Weg läuft. Sei es auf einem Plakat, in einer Broschüre oder in den Erzählungen von Freunden. Grundsätzlich hört man nicht auf, von Abenteuern mit dem Rucksack auf dem Rücken zu träumen, von fremden Kulturen, von schrägen, schönen, tollen und schaurigen Momenten, ja sogar von Kulturschock und vom Eingeschüchtertsein. Eine wilde Sehnsucht, wie das vielleicht der Mensch damals nach dem Fliegen empfand. Und dann erfand er das Flugzeug. Grundsätzlich wäre man ja schon viel rumgekommen. Wenn es da nicht immer das Wenn-und-aber gäbe. Mal passt es nicht ins Leben, mal passt es nicht in die Stimmung und dann wieder kommt es einem doch unnötig vor.

Mir ist jetzt denke ich eins klar geworden: Reisen ist wichtig. Zumindest für mich. Ich kann reisen und ich sollte reisen. Dass es den Horrizont erweitert, dass man so viel Schönes sieht und erlebt und vieles, das einen auf ganze neue Gedanken bringt. Dass man Faszinierendes erlebt und so viel für immer im Schatzkästchen der Erinnerungen aufbewahren darf. Allein schon das wären alles gute Gründe, doch es nicht meiner.

Genau wie Mary Poppins ihren Schirm aufspannt, bereit, wo anders wieder ihre Füße auf Boden zu setzen und dort weiter zu gehen, möchte auch ich das tun. Immer und immer wieder. Man lebt sein Leben und das ist in Ordnung so, doch wenn man nicht aufpasst, dann schläft man ein. Man sieht immer weniger von dem, was um einen passiert. Man erkennt die eigenen Perspektiven nicht mehr. Träumt vor sich hin, doch packt kaum etwas Neues an, einfach aus Gewohnheit. Es passt, wies passt und das kann einlullen.
Für mich war es erneut eine wichtige Erfahrung zu verreisen. Nicht  nur lernt man über sich selber, auch gibt es die Chance, alles mal zu betrachten, was man bisher so angestellt hat. In Ruhe und ganz weit weg.

Es ist die Chance, das Leben immer wieder neu zu sehen. Ein bisschen, wie es Metallica in ihrem weit bekannten "Nothing Else Matters" beschreiben: "Trust I seek and I find in you. Every day for us something new. Open mind for a different view and nothing else matters." Nur geht es für mich in dem Lied nicht um Vertrauen in einen Menschen, sondern Vertrauen in das Leben. Dass das Leben so viele Geschichten bereit hält, die es wert sind, zu erkunden.

Ich freue mich auf die nächste.

Sonntag, 16. September 2012

Die Thai

Zwei Wochen reisen haben mich eher nachdenklicher gemacht als Erholung gebracht. Diese Erkenntnis trifft mich hier und jetzt, wie ich wieder in heimatlichen Gefilden vor meinem PC sitze, alles wie gehabt im Bett mit Laptop auf dem Schoß und doch alles ganz anders wirkt.
Reisen bedeutet wohl für jeden etwas anderes. Die einen wollen einfach nur ein paar Abenteuer erleben , um dann ziemlich bald genug von der Fremde zu haben und sich mit Freudenschauern nach dem Tag sehnen, an dem es endlich wieder heimwärts geht. Schon allein das Gefühl vom Endlich-wieder-daheim ist manch eine Reise wert. Manche wollen Erholung und sind vielleicht dementsprechend etwas wehmütig, wenn die Chiller-Zeit offiziell mit dem Flieger nach Hause endet.

Meine erste Reise nach Thailand letztes Jahr war ein Urlaub, war spannende Abenteuer, war eintauchen in fremde Gewässer. Sowohl wortwörtlich als auch metaphorisch. Ich bin mit dem guten Gefühl heimgeflogen, viele Bilder für das heimische Album mitgenommen zu haben.
Die zweite Reise hat mich nun hungrig gemacht. Ich wäre am liebsten länger in Bangkok geblieben. Die Stadt, die mir anfangs Schlaf und Nerven raubte, die mich fast um den Verstand gebracht hätte. In Sinnkrisen, weil ich sie einfach nicht verstehen konnte, die Menschen, die dort lebten. Das komplette Haareraufen und Unverständnis angesichts zahlreicher Ereignisse die sich zwar vor meinen Augen abspielten aber wie Sand durch meine Finger rinnten, weil ich sie nicht fassen konnte. Dabei wollte ich. Ich versuchte von Anfang an voll Faszination und Gier jedes Fitzelchen der Thai-Kultur und dieser Stadt die allem, was ich kenne so fremd ist, in mich aufzusaugen wie ein Schwamm.
Ich fühlte mich hektisch, ich wollte rennen, um möglichst schnell alles zu sehen. Fliegen, um die Stadt von oben zu betrachten. Ich wollte wissen, wonach es da ständig roch, mal widerlich, mal unfassbar lecker und dann mal ganz undefinierbar aber seltsam inspirierend. Ich wollte sie besitzen, ich wollte sie aufessen, die ganze Stadt mit ihren Geheimnissen wollte ich lesen wie ein Buch.

Doch als ich das erste Mal die Erfahrung machte, alleine in Bangkok zu sein, entspannte ich mich. Ich fuhr mit den Öffentlichen, mit einem Stolz, den ich mich tunlichst bemühte zu verbergen. Ich aß so wie alle im FoodCourt, also gewissermaßen der Mensa für alle. Ich shoppte und feilschte wie ich es mir von den Thai abgeschaut hatte. Ich ging joggen im Lumphini Park und sah mit Freuden all die Yoga-, Athletik- und Tai-Chi-Begeisterten. Mir war, als hätte ich die Chance, ein ganz anderes Ich zu entwickeln und auszuleben. Nach und nach adaptierte ich, wie sie sich bewegten, wie sie redeten. All das tat ich nicht absichtlich, da hätte ich mich blöd gefühlt. Es passierte einfach mit mir.

Und dann passierte noch etwas anderes mit mir. Ich tanzte im Rhythmus der Stadt. Ich habe angefangen, zu begreifen, warum selbst ein so lauter, bunter und wilder Ort wie Bangkok trotz allem ein guter Ort sein kann. Mehr großer lebendiger Marktplatz, denn gefährliche Großstadt. So zumindest fühlte es sich an.

Dass ein Radlunfall im wunderschönen Lumphini Park schließlich zur Erleuchtung für mich führen würde, hätte ich wohl vorher auch nicht gedacht. Aber so war es. Eine Thaimama mit Schulkind fuhr mir in Schrittgeschwindigkeit in die Wade. Raus kam eine große blutige Schramme sowie eine versammelte Masse, die mit mir fühlte und die Frau strafend ansahen. Beschwichtigende Gesten und Worte ("Its ok, its ok!") konnten zumindest den Zorn schließlich von ihr lenken, nicht jedoch eine liebe Oma in anmutiger ehrwürdiger Erscheinung davon, mir alsbald heilsame Tropfen auf die Wade zu träufeln. Flink hatte sie diese aus dem Handtäschchen gepackt und verbeugte sich kurz, bevor sich ein angenehmer Geruch nach einem Kräutergemisch ausbreitete. Es hörte auf zu bluten und ist schnell geheilt.
Die Erkenntnis hat mich da getroffen. Oder die Liebe, wie man es sehen möchte.
Die Thai und ich, das könnte was werden.
Mal sehen, was die Zukunft bringt.

Sonntag, 19. August 2012

Liebes böses Facebook

Man liebt es, man hasst es, nichtsdestotrotz gilt für mehr als man glauben möchte: Man nutzt es. Wenige Dinge spalten derzeit die Menschen in ambivalente Gesinnungen wie Social Media und insbesondere Facebook. Wer etwas auf sich hält, findet Facebook natürlich blöd. Wer offen zugeben würde, seine Zeit mit Vorliebe damit zu verbringen, Posts zu schreiben, Bilder zu teilen und sich über die Likes und Shares mehr zu freuen, als über das letzte Geburtstagsgeschenk des besten Freundes, würde mit Verachtung gestraft. Wie armselig. Wie bemitleidenswert. Hat der denn kein Leben außerhalb von Facebook?

So der Status Quo. Schön und gut, jetzt werfen wir doch aber mal einen kurzen Blick auf die Nutzerdaten. 750 Millionen Menschen sind auf Facebook angemeldet. Davon sind frelich nicht alle aktive Nutzer - aber doch einige. Man muss sich ja nur mal überlegen: Das Ganze würde bei Weitem nicht so viel Furore erzeugen, wenn da nicht ordentlich im sozialen Netzwerk gewerkelt würde. Wenn da nicht so viele Menschen posten, liken, sharen und chatten würden, wäre das ganze Thema ja obsolet. Tatsächlich investieren eine Menge Leute bewusst und auch unbewusst einen beträchtlichen Teil ihrer Freizeit in den virtuellen Räumen der Kommunikation. Aber das offen zugeben? Nein, niemals! Entsprechende Artikel in Zeitschriften, im Internet und Diskussionen im Alltag machen eine äußerst kritische Haltung gegenüber Social Media und Facebook klar. Es sei etwas für Selbstdarsteller, die nach Aufmerksamkeit hungerten. Für Menschen, die es nicht zustande brächten, sich fern vom Computerbildschirm ein soziales Leben aufzubauen. Und nicht zuletzt für Stubenhocker, die sonst halt irgendein Videospiel zocken würden.

Dabei ist es doch so: In vielerlei Hinsichten entspricht Facebook genau unseren tief verwurzelten Bedürfnissen. Sei es Zugehörigkeit, Anerkennung, Selbstfindung und letztlich auch die Suche nach Nähe zu anderen Menschen. Kommunikation in ihrer reinsten Form findet auch dann statt, wenn jemand ein Bild postet und gespannt wartet, wie sein Umfeld darauf reagiert. War früher nicht anders, hat sich aber einfach verlagert und ist einfacher geworden. Die sozialen Bedürfnisse greifbarer. Damit ist auch die rege Nutzung zu erklären.

Man kann Facebok tatsächlich eine Menge ankreiden. Es ist weder der beste noch der schönste Weg, um mit anderen zu kommunizieren. Es ist kein Ersatz für das reale Miteinander an frischer Luft und mit tatsächlicher Nähe, Berührung, echtem Lachen. Es wird nie ein Treffen mit guten alten Freunden bei einer leckeren Tasse Kaffee und tausend geteilten Insidern ersetzen.

Aber selten war es so leicht, Diskussionen im öffentlichen Raum zu starten. Seiner eigenen Meinung Gehör zu verschaffen. Bilder und Ansichten mit Menschen zu teilen und die besten Freunde von früher, mit denen man tagtäglich die Schulbank drückte, wieder ausfindig zu machen.

Freunde auf Facebook sind nicht gleich Freunde im eigentlichen Sinne. Die eigenen Geheimnisse sollte man angesichts der Öffentlichkeit lieber nicht auf genau dieser Plattform zum Besten geben. Und genau wie im echten Leben, sollte man nicht außer Augen lassen, dass Aktionen eine Reaktion erzeugen könnten, möglicherweise auch eine negative.

Doch wer diese Regeln beachtet, der kann sich in den Facebook-Räumen ruhig austoben, finde ich. Und danach dazu stehen. Denn wer darüber nachdenkt, was öffentliche Anerkennung, das Kommunizieren mit anderen und gemeinsame Gespräche zu den verschiedensten Themen emotional so auslöst, der kommt wohl nicht umhin, durchaus auf positive Gefühle zu stoßen.
Letztlich ist Facebook und all die Aufmerksamkeitshascherei und Selbstdarstellerei meiner Meinung nach einfach nur eins: Zutiefst menschlich. Und das kann man jetzt finden, wie man möchte.

Freitag, 17. August 2012

Die Entkreativierung

Für die nächste Zeit habe ich mir einen Vorsatz der eher unüblicheren Art gefasst. Ich will nicht kreativ sein. Klingt komisch, ist aber so. Ursprung des Ganzen ist die Tendenz des Menschen, sich mit etwas unter Druck zu setzen. Er könnte es lassen und friedlich, fröhlich, beschwerdenfrei leben, bis ihn jemand nervt. Tut er aber nicht, er nervt sich lieber selber. Er stellt Limits, Aufgaben und Ansprüche an sich, die er sonst niemandem zumuten würde. Dabei legt er einen Befehlston an den Tag, der den bellenden Feldwebel beim Militär vor Neid erblassen ließe.

Dass man lieb zu sich sein sollte, eh klar. Dass die Ziele nicht zu hoch gesteckt und die eigenen bereits erbrachten Leistungen nicht zu geringfügig wertgeschätzt werden sollten: Alles schon mal gehört und mal mehr, mal weniger eingehalten.

Aber ich bin jetzt auf was gestoßen, wo mir wohlgemeinte Ratschläge von hohem pädagogischen Wert nicht helfen, vielleicht sogar alles nur noch schlimmer machen. Was ist, wenn man frei ist? Wenn man die Welt aus den Augen eines Kindes sieht, lacht, bastelt und träumt, wie man lustig ist. Und dann auf einmal der Wunsch daher kommt, einfach mal gelangweilt zu sein? Einfach mal stupide etwas zu leisten, das mit Spiel und Spaß wenig am Hut hat? Was ist wenn man bei all der lachenden Spielerei nicht mehr aus der Rolle rauskommt und sich gar nicht mehr traut, unkreativ zu sein?

Ich meine, ich habe es versucht, das Kreativsein, wenn ich doch garnicht will. Hab mir meinen Block überall hin mitgeschleppt, auf dass mir eine schöne Zeichnung oder ein wahlweise frohlockendes oder tieftrauriges Gedicht einfiele. Ich packte Nylonfaden, Perlen und Anleitung aus, um japanische Perlentiere zu zaubern. Ich kaufte bunten Stoff, Tücher und Nähutensilien, um ein Kleid zu schneidern.
Und fand mich wieder, auf meinem Bürostuhl sitzend. Traurig bis leicht verzweifelt das ganze Zeug anstierend. Was wollt ihr denn jetzt von mir? Mit bösen Blicken sahen sie mich an. "Sei kreativ! Komm schon! Du kannst es! Überleg doch, wie individuell und cool du dann bist!"
Ich stierte noch eine ganze Weile, Schuldgefühle fraßen sich langsam in mein Inneres hinein und ich war wie gelähmt. Und dann tat ich das, was ich immer tue, wenn ich grad nicht mehr weiter weiß. Ich zog mir meine Schuhe an und ging raus, spazieren. An der Salzach.

Ich habe beschlossen, nicht mehr so unbedingt kreativ zu sein. Das zum Trotze all der Pädagogen, die nicht müde werden zu erzählen, wie sehr man sich doch ausleben kann und wie glücklich das Gebastel doch machen soll. Was mit Händen machen und das Ergebnis in eben diesen am Ende stolz zu halten, zu seiner inneren Mitte finden. Bla bla bla. Ich bin lieber genau die, die ihre Zeit bei Facebook verschleudert und auch einfach mal nur rumsitzt. Und Sport macht, einfach weil man sich dann so stark fühlt. So erschöpft danach. Und eben gar nicht viel denken muss. Schon gar nicht basteln.

Ich habe zudem beschlossen, weder Freunde noch Zeitschriften um Rat zu ersuchen für Freizeitbeschäftigungen. Nähen Sie einen Teddy! Malen Sie die Wand an! Kaufen Sie Wachsmalkreiden und kreieren Sie ein kunterbuntes Mosaik-Bild! Stellen Sie sich vor, wie befreit Sie sich dann fühlen! Wie entspannt, losgelöst, ja, und hier das Zauberwort der heutigen Zeit: SELBSTVERWIRKLICHT! Die lustigen und sinnvollen Sachen, die man machen könnte, all diese Anregungen fließen nur hinein in das große klaffende Loch der Dinge-die-ich-tun-könnte-aber-ich-machs-halt-nicht. Noch schlimmer wird es, wenn man dann sieht, dass andere genau das, woran man manchmal so denkt, tatsächlich tun. Und dabei genau so cool und individuell und kreativ sind, wie man es selbst doch auch gern wär. Selbstgeschneidertes Gewand und Polaroidfotos inklusive.

Naja aber letztlich schreib ich grad diesen Blogpost. Vielleicht ist das auch des Rätsels Lösung. Entweder es fällt einem von selber ein, oder man lässt es.


Samstag, 4. August 2012

Was ist schon Unvernunft?

Neulich laß ich einen Artikel zum Thema "Sind wir zu vernünftig?". Der Titel hat mich sehr neugierig gemacht und mit einer gewissen Erwartungshaltung machte ich mich ans Lesen. Denn genau diese Frage habe ich mir gerade in letzter Zeit des öfteren gestellt.

Doch ich war erstaunt. In dem zwar gut geschriebenen Artikel ging es inhaltlich recht einseitig zu. Zum Thema unvernünftiges Verhalten, das als erstrebenswert geschildert wurde, war letztlich primär eins im Vordergrund: Essen. Ich weiß nicht, wer den Text geschrieben hat, doch es war offensichtlich jemand, der sich von Diätregeln und Ernährungstipps im Alltag recht kasteien lässt. "Endlich mal wieder ein Hanuta", "Schokolade statt Obst", waren sehnsuchtsvolle Seufzer, die in den Worten durchklangen. Fast schon konnte man die Gelüste auf Kalorienbomben durch das Papier hindurch schmecken.

Klar, Ernährung ist definitiv ein Thema, das sich heutzutage viele (viel zu) wichtig nehmen. Es soll nicht nur gesund, es soll auch kalorienarm und frei von jeglichem Geschmacksverstärker und Konservierungsstoff sein. Es sollte natürlich und vielseitig sein, am besten gleich bio und reich an Nährstoffen. Functional Food. Man kann sich wirklich reinsteigern in das, was, könnte man meinen, doch eigentlich primär der Sättigung und dem Genuss dienen soll.

Zu vernünftig. Schuldig im Sinne der Anklage

 

So, bevor ich jetzt selbst genau zu dieser kulinarischen Thematik ausschweife, komme ich mal auf den Punkt. Denn ursprünglich sollte es im oben erwähnten Artikel laut Titel doch darum gehen, auch mal unvernünftig zu sein.
Wir stehen morgens auf, haben eine mentale To-Do-Liste im Kopf, die wir Stück für Stück den Tag über abhaken. Die meiste Zeit ihres Lebens verbringen die Leute damit, entweder sinnvolle Tätigkeiten zu absolvieren oder sich über deren Sinnhaftigkeit Sorgen zu machen. Zweifel dominieren den Alltag, Pflichtbewusstsein wird als Vorwand genommen, um nicht zu überlegen, was man denn eigentlich WIRKLICH tun möchte. Ist es Angst, von der Norm abzuweichen? Sorge, am Ende mit leeren Händen da zu stehen, weil man einmal nicht einem Ziel nachgerannt ist?
Indirekter Vorwurf im Text: Im Leben der Menschen dominiert die Arbeit. Der Lebenslauf des Durchschnittsbürgers ist fest in der Hand von Vernunft-geprägten und wohl durchdachten Entscheidungen. Studium und Ausbildung auf Kosten wilder Jahre in zügelloser Freiheit. Überstunden und disziplinierte Arbeit auf Kosten eines freischaffenden Künstlerdaseins ohne viel Geld aber auch ohne Zwänge. Wir sind einfach zu vernünftig, so die Quintessenz des Artikels.

... weil Menschen halt so sind?

 

Ich stelle jetzt mal eine waghalsige These auf: Ich glaube, letzten Endes MÖCHTE der Mensch einfach sinnvolles tun. Er möchte gebraucht werden, Aufgaben erledigen, sich gut fühlen, weil er etwas getan hat. Die Erziehung ist schuld, sagen die einen. Die anderen führen es auf die Leistungsgesellschaft zurück. Ich behaupte: Es ist schlicht und ergreifend Evolution. Mal im Ernst, können Sie sich vorstellen, dass sic Steinzeitmenschen früher sich sorgten, aufgrund pausenloser Bisonjagd und zu wenig Quality-Time beim Beeren-Sammeln möglicherweise einen Burnout erleiden zu können? Dass sie wegen der lästigen Familienpflege einfach zu wenig zur Höhlenmalerei kämen?

Klar, wir sind keine Steinzeitmenschen mehr. Unsere Gehirne sind weiter entwickelt (bei den meisten zumindest), unsere Wünsche definierter und unsere Ziele und Sinnkonstruktionen komplexer. Daraus jedoch gleich zu schließen, dass sich unser grundlegendes Wesen verändert hat, ist möglicherweise so nicht richtig. Noch immer sind wir, so meine These, dafür gemacht, sinnvolle Aufgaben zu erledigen.
Und das ist nicht eigentlich meine These. Der Begriff Eudaimonismus stammt schon von Aristoteles und grob gesagt formuliert er genau dieses Glück, das aus der Pflichterfüllung resultiert. Das gute Gefühl, ordentlich gearbeitet und etwas geschafft zu haben.

Das lässt sich ausweiten. Wir ernähren uns möglicherweise nicht deswegen von gesunden Dingen, weil wir zwanghaft vernünftig sind. Wir tun dies, weil wir unserem inneren Drang folgen, Sinnvolles zu leisten. Dass das auch auf die Ernährung greift ist wohl auf den heutigen Wissenstand und das Bewusstsein des Menschen zurückzuführen, den Körper lange fit halten zu wollen. Auch Ziele wie Schlankheit, schönem Äußeren (letzten Endes Attraktivität), könnte man so durchaus als Strategien der Partnersuche deuten. Ich glaube eben nicht, dass Vernunft automatisch unglücklich macht. Es mag unterschiedliche Menschentypen geben, aber die Gefahr, bei allzulanger Untätigkeit oder zuviel Freiheit in ein Loch zu fallen scheint, angesichts Fallbeispielen Arbeitsloser und gefallener Hedonisten, durchaus ein reelles Szenario zu sein.
 

Bloß nicht peinlich sein?

 

Soweit so gut. Und wie war das jetzt mit der unglücklich machenden Vernunft, dem Übermaß dieser?
Nun, es gibt da ein paar Regeln in der Gesellschaft, die fragwürdig sind, weil der Sinn dahinter eher im Verborgenen bleibt. Nicht auf den Straßen tanzen, zum Beispiel. Nicht singen, nicht zu laut lachen. Nicht unüberlegt einmal einfach einen Freund besuchen, einen Spontanausflug machen. Nicht alleine auf die Tanzfläche, schon gar nicht als Erster. Nicht wild über die Wiese rennen und sich dann mit klopfendem Herzen einfach fallen lassen. Es gibt soviele davon. Bloß nicht auffallen! Könnt ja peinlich sein.

Einfach mal rumspinnen: endlich frei sein

 

Das sind die Regeln, die wirklich kasteien, meiner Meinung nach. Es sind Scheuklappen und Handschellen für ein munter auf und ab springendes Herz, das einen eigentlich zu wilden Freudensprüngen motivieren wollte. Das einen dazu bringen wollte, lauthals das Lieblingslied aus dem iPod mitzuträllern oder spontan der Frau auf der anderen Straßenseite mitzuteilen, wie unglaublich hübsch sie aussieht.
Manchmal sind es auch andere kleine Wünsche, die man übersieht, weil es eigentlich Wichtigeres zu tun gibt. Die süße Katze knuddeln. Den Sonnenuntergang bewundern. Noch ein bisschen länger schnuppern beim Duft der Bäckerei, an der man vorbeischlendert.

Sinnvolles leisten und trotzdem auch mal bescheuert sein. "Einmal verrückt sein und aus allen Zwängen fliehen", formulierte es Udo Lindenberg. Ich denke nicht, dass man gleich aus "allen Zwängen" fliehen muss. Es reicht schon, spontanen Wünschen zu folgen. Übrigens auch, wenn einen dieser gegenüber eines verlockend fröhlich grinsenden Hanutas überkommt. Man muss sich weder Maßlosig- noch Hirnrissigkeit ergeben, um sich zwanglos und frei zu fühlen.

Wenn ich laufen gehe, sehe ich bestimmt oft aus, als hätte ich einen Sonnenstich erlitten. Ich springe, ich shake zum Beat, ich gestikuliere wild und mime leidenschaftlich mit den Lippen den Songtext meiner Lieblingslieder mit. Mir ist vollkommen klar, dass ich in diesem Moment absolut bescheuert aussehe. Und es ist mir egal. Ich nehme mir einfach die Freiheit, einmal wild zu sein und möglicherweise für nicht ganz dicht gehalten zu werden. "Unvernünftig" zu sein. Und frei.

Samstag, 14. Juli 2012

Die geniale Philosophie der Computerspiele

Es gibt da ein Spiel, das mich immer wieder von Neuem fasziniert und begeistert. Manchmal, nach einer sehr intensiven Spielperiode, muss ich es erst mal eine Weile weglegen, um mich danach wieder mit frischer Begeisterung darauf zu stürzen. Doch das Prinzip ist und bleibt meiner Ansicht nach genial und hält mich nun schon seit zwölf Jahren bei der Stange. Die Rede ist vom weltbekannten Computerspiel "Die Sims". Egal ob 1, 2 oder 3, fanatisch bin ich von der ersten Stunde dabeigewesen, die Rolle von bis zu acht Familienmitgliedern zu über- und ihr Leben in meine Hand zu nehmen.


Sims 3 und die Philosophie

Mitunter beinahe philosophische Anwandlungen verspüre ich des öfteren beim Spielen von "Die Sims 3". Man sieht die Welt aus den Augen eines Sim und hat einen genauen Überblick über seine Vorlieben, Bedürfnisse und, ganz besonders: Seine Lebenswünsche. Es ist eine überschaubare Zahl an Dingen, die er gerne haben möchte und die ihn glücklich machen, wenn ihm diese erfüllt werden. Ein Leitsatz, der auftaucht, wenn man gerade während einer Ladezeit warten muss, lautet: "Wenn du mal nicht weißt, was du jetzt tun sollst, dann sieh dir die Wünsche deiner Sims an. Sie verraten, was dein Sim als nächstes tun möchte."
Klingt banal? Ich finde es genial!

Wie oft war ich schon unzufrieden im Alltag. Trieb Stunden vor mich hin und konnte dieses blöde Gefühl der einerseits Langeweile und andererseits Ratlosigkeit in diesem Moment nicht durch etwas Besseres ersetzen. Grübelte, tat vielleicht auch etwas, wovon ich dachte, dass es jetzt sinnvoll wäre. Tat vielleicht etwas, das anderen Spaß macht und hoffte, es würde mir genauso gehen. Saß oft einfach nur da und schlug sie tot, die Zeit. Einfach nur weil grade nix Besseres des Weges kam.
Wenn ich ein Sim wäre, wäre das nicht passiert. Der Sim folgt genau dem, was er als nächstes gerne tun möchte. So vielfältig die Wünsche auch sind ("ein langes Bad nehmen", "einen Computer über 1000 Euro kaufen", "jemanden umarmen", "Logikfähigkeiten verbessern"), irgendeinem wird er schon nachkommen können. Mit der Folge, dass er glücklicher ist und sich auf die weiteren Lebenswünsche stürzen kann.


Wünsche erfüllen, glücklich sein

Es ist nicht einfacher gesagt als getan, denn mir persönlich hat dieses Prinzip nun schon oft tatsächlich geholfen. Mir war langweilig, ich fühlte mich zuweilen etwas rat- und/oder antriebslos. Da überlegte ich: Ja was willst du denn jetzt eigentlich? Schon sind die Stöpsel meines iPods in meine Ohren getroffen, Schuhe und Jacke angezogen und ich hinausmarschiert für einen Spaziergang am Fluss. Wind schlägt mir entgegen, ich schließe die Augen, nicke mit dem Kopf zu meinem Lieblingslied und lasse mich treiben. Bin glücklich. Wunsch erfüllt.

Eine andere Sache die ich genial an Sims finde: Es ist Leben in Kleinformat. Eine Miniversion, extrem vereinfacht, des echten Lebens, in dem man probieren kann ohne Konsequenzen. Im Spiel sieht alles sehr einfach aus. Zuweilen natürlich einfach trügerisch, denn es handelt sich, wie gesagt, um eine stark vereinfachte Version der Realität. Doch manchmal merkt man erst, wie einfach auch die echte Welt doch eigentlich sein kann. Sie haben Lebensziele, die sich realistischerweise nicht in diesem Universum erfüllen lassen? Na, dann ändern Sie doch einfach Ihr Lebensziel! Wie man den neuen Liebhaber einheiratet, merkt man, dass man dessen jugendlichen Bruder, der noch bei ihm lebt, nicht einfach im Haushalt alleine zurücklassen kann? Na, dann nimmt man ihn doch mit auf. Und merkt: Es ist gleich viel lustiger, zu mehrt in der Bude!


Leben wie ein Computerspiel?

Es lassen sich von heut auf morgen neue Karrieren aufgreifen, neue Talente entdecken und einfach mal, aus einem plötzlichen Impuls heraus, das Schachspiel erlernen, durch Teleskope schauen und mit dem Schreiben eines Science-Fiction-Romans beginnen. Geht nicht, gibt's nicht. Man muss es einfach nur tun.

Wir sind keine Sims und das ist kein Spiel, das Leben, durch das wir gehen. Unsere Wege sind komplizierter, unsere Bedürfnisse verwinkelter und unsere Persönlichkeiten und unsere Seele nicht ergründbar wie die Eigenschaften eines Sims.

Aber manchmal kann es helfen, das Leben ein bisschen mehr wie ein Computerspiel anzusehen.  Probieren geht über Studieren, Übung macht den Meister und soweiter. Es ist wirklich was dran. So wie ein Sim plötzlich aus einem Impuls heraus mit dem Gärtnern anfängt, können wir das genauso. Es gibt oft viel weniger zu verlieren, als man glaubt.

Aber eine Menge zu gewinnen.
Vor allem eins: Freiheit und ein Leben voller Abenteuer.