Samstag, 29. September 2012

Die Meister


Neulich war ich auf einem Termin, der viel länger gedauert hat, als für Pressetermine üblich. Über drei Stunden wurde herumgeführt, erzählt, berichtet, präsentiert. Meine Geduld ist normalerweise recht erschöpflich, doch in diesem hätte ich genauso gut baden, ja vielleicht sogar einziehen können. So wohl fühlte ich mich.

Umgeben war ich auf dem Termin von Meistern. Kein Meister Yoda und kein Weltmeister, sondern die, die den Namen Meister vielleicht mehr, zumindest aber ebenso verdient haben, wie vorher genannte: Handwerksmeister. Vom Bäcker, über den Trachtenschneider, bishin zum Goldschmied und Buchbinder war alles vertreten. In meinen ersten Assoziationen beim Klang von Worten wie "Schmiede-Eisen", "Ambos" oder "Glas-Brennerei"  tauchte ich gedanklich ein in dunkle Zeiten des Mittelalters. Häuser aus Steinziegeln, Pferdekutschen, laut klappernde Hufen auf Kopfsteinpflaster und das laute Scheppern vom Hammer, wie er immer wieder vom Schmied auf das Eisen geschlagen wird. Ein Duft von Brot, der herbei weht, weil der Bäcker es gerade frisch aus dem Feuer geholt hat. Eine etwas betuchtere Frau, die sich ihre Halskette, selbstverständlich ein Unikat, vom Juwelier abholt.

Weg vom Mittelalter befand ich mich nun in einem durchaus traditionellem, aber doch auch modernen Haus des 21. Jahrhunderts. Die Menschen trugen keine Mittelalterskluft (bis auf eine Ausnahme, die man wohl durchaus zu der Sorte der exzentrischen Künstler zählen darf), sondern normale Hosen, Röcke, Blusen, Hemden, Strickjacken und was Menschen im Alter zwischen 30 und 60 halt so tragen.
Und doch umgab sie etwas ganz besonderes.

Man muss dazu sagen, dass es in vielen "modernen" Gewerben heutzutage durchaus üblich ist, sich in regelmäßigen Abständen zu Darstellungszwecken aufzuplustern wie ein Hahn in der Paarungszeit. Lebensläufe werden aufgemotzt, geringfügiger Aufwand zu Heldenleistungen modelliert und überhaupt ist jeder gefühlt sowieso ganz klar der Größte. Ist ja auch notwendig, bei so viel Konkurrenz. Wie soll man im Bewerbungsgespräch sonst auffallen.

Zwar haben die Handwerksleute nicht weniger Konkurrenz, aber vielleicht dafür mehr Ahnung, warum sie das tun, was sie tun. Das oder die Sache, der sie tagtäglich nachgehen, oder irgendetwas anderes scheint sie unendlich zu erden. Denn all diese Menschen um mich herum zogen mich aus einem Grund magisch an: Sie zogen keine Show ab und versuchten auch sonst nicht, irgendetwas irgendwie darzustellen. "Ich nähe halt Kleider."

Unsicherheiten, Übermut bishin zum Größenwahn, Ängstlichkeiten und Orientierungslosigkeit sind Nomen, die mir spontan zu unserer Generation einfallen. Es ist halt ein Riesendschungel da draußen. Wie soll man da noch wissen, wo man Auslandsemester machen, ob man freiwilliges soziales Jahr leisten oder wohin man die eigene Karriere verlegen soll? Ein paar scheinens immer genau zu wissen, denen folgt man dann, bis man irgendwann den eigenen Weg erkennt und sich reumutig wieder auf diesen begibt. Man findet sich mit der Zeit.

Ja, ich glaube, das war es. Die Leute da, der exzentrische Buchbinder, die etwas roh, aber sehr liebenswert wirkende Bäckerin, der unglaublich charmante Schmied: Es waren echte MENSCHEN, fern vom büroalltäglichen Einheitsbrei. Menschen, die ihrer Leidenschaft folgten und tagtäglich etwas taten, von dem sie wirklich wussten, warum, wofür und was am Ende dabei herauskam. Es muss ein schönes Gefühl sein, wenn man am Ende ein fertiges Dirndl in den Händen hält und weiß, dass es kein Zufall ist, wie der Stoff fällt und wo der Knopf angenäht ist. Man weiß: Das da hab ich gemacht, und das wird wer tragen.

Ich kann mich nicht erinnern, wann ich dieses Gefühl zuletzt beim Gestalten einer Powerpoint-Präsentation hatte. Beim Schreiben habe ich es. Auf dem Termin habe ich Menschen gefunden, die ihrem Handwerk, zwar mit bereits viel mehr Fachwissen und Erfahrung, aber mit der selben Liebe nachgehen. Ich fühlte mich ihnen nahe und bewunderte sie für ihren Fleiß und ihren Ehrgeiz. Sowohl auf Reisen als auch daheim sind es immer die selben Menschen, die mich inspirieren und mir zeigen, wie schön und lebenswert das Leben ist. Menschen, die ihren eigenen Weg gehen und nicht zwangsläufig gegen den Strom, aber ihre eigene Route schwimmen. Die wissen, wann man sich treiben lassen sollte, und wann es sich empfiehlt, mit Vollgas in eine Richtung zu paddeln. Die sich nicht reinreden lassen, sondern, ja ein bisschen Pathetik muss an dieser Stelle sein, ihrem Herz folgen.
 
Das Glück ist ja so ne Sache, Wenn man es nicht hat, dann sucht man es verzweifelt, probiert es am Ende, mit fragwürdigen Techniken wie Lachyoga, Meditation, groß angelegte Unternehmungen und ähnlichem  herbeizuzwingen. Dabei wissen wir doch selber, dass man es damit eher verschreckt.

Vielleicht kommt das Glück dann, wenn man konzentriert und mit Eifer bei einer durchaus simplen Sache ist und grad an alles andere denkt, als daran, ob man denn jetzt glücklich ist. Dann schleicht es sich heimlich dazu. Einfach so, wie man grad einfach tut, was man tut.

Das ist eine Kunst für sich und ich will sie lernen. Zum Beispiel von den Meistern.

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