Freitag, 30. Dezember 2011

Der Käseglockenfaktor

Wir leben in einer schlimmen Welt. Unheil und Grauen passiert jeden Tag: Krieg, Unwetter und so viele einzelne Schicksalstragödien. Ein Blick in die Nachrichten geworfen, wird es wieder schmerzlich bewusst: Auf der Welt ist es alles andere als friedlich und schön.
Viele Menschen fühlen sich davon angesprochen und ergreifen die Initiative. Eine ganze Menge Leute spenden Geld an Hilfsorganisationen, die sie für glaubwürdig halten. Und ein paar wenige werden zu wahren Helden des Alltages: Menschen, die einen Teil oder sogar ihre ganze Freizeit opfern, um mitanzupacken, wo es nötig ist. Ob nun aktive Greenpeace-Mitglieder, Verkäufer bei Aktion-Mensch-Lotterien oder Entwicklungshelfer in Afrika: Diese Menschen leisten großartiges und verdienen für ihre Courage und ihre Selbstlosigkeit Anerkennung im höchsten Maße.

Damit spreche ich wohl jedoch kein neues Themengebiet an. Mein Post soll sich eher den "anderen" widmen. Denen, die NICHT im Entwicklungsland helfen und aus welchen Gründen auch immer die Zeit nicht haben oder einfach nicht aufbringen, zu helfen. Die, die einfach nur ihr Leben leben, ihrer Arbeit nachgehen, ihre Kinder großziehen und es sich einfach auch mal gut gehen lassen. Klingt egoistisch? Sind aber: Die meisten unter uns.
Ob man es nun zugibt oder nicht, die meisten schaffen sich doch gerne eine Art Käseglocke um sich. Es geht dabei meistens nicht etwa darum, sich vor Hunger und Leid auf der Welt verschanzen, den Kopf in den Sand stecken und einen auf "Friede, Freude, Eierkuchen" machen. Man möchte ja aufgeklärt sein und sozialkritisch sein. Man möchte ein guter, helfender Mensch sein, der mit anpackt.
Es ist jedoch nicht so, dass das Leben nicht oft bereits genug Aufgabenbereiche bietet, denen es sich ebenso zu widmen gilt. Zugegebenermaßen brutal formuliertes Beispiel: Was hilft es den eigenen Kindern, die keine Zuwendung bekommen haben, dass man dringend in Afrika helfen musste?

Selbsterhaltung ist ein starker Trieb im Menschen. Der, gemeinsam mit der Veranlagung zum "Nestbau", löst in uns die Sehsucht nach Harmonie und Zufriedenheit aus. Nach einer eigenen geregelten Welt, die wir uns nach unseren Wünschen erschaffen haben. Nach einem schönen Leben in einem friedlichen Umfeld mit angenehmen Menschen und fordernden, aber nicht überfordernden, Aufgaben.

Ich lebe in einer Stadt, der die Käseglocke oft vorgeworfen wird. Salzburg ist wunderschön und ja: Sie ist auch wundertouristisch. Es geht viel um Glanz, Gloria, prunkvolle Gebäude, hübsche Parks und eben alles, was nett anzusehen ist. Fans vom Berliner Kreuzberg rümpfen empört die Nase, sobald sie hübsch hergerichtete Blumenbeete, die leicht bis enorm kitschig dekorierten Geschäfte und die verschnörkelten Schilder in der Altstadt sehen.
Und hier stehe ich zu meiner Meinung:
Ich genieße die Atmosphäre Salzburgs: Mischung aus kuscheligem Dorf und ästhetischer Stadt der Historik. Was könnte falsch daran sein?

Zurück zum eigentlichen Thema, kann Salzburg durchaus als repräsentative Metapher für ein selbstbestimmtes Leben, das von schönen Dingen umgeben ist, gelten.
Doch wie weit ist es in Ordnung, es sich selbst kuschelig und nett zu machen, während draußen der Sturm tobt? Wie sehr darf man sich verschanzen, schützen und auch einfach mal abschalten?
Wo müssen wir eingreifen?

Ich glaube, es gibt einen wichtigen Unterschied zwischen dem was man MUSS und dem was man KANN.
Was man kann: In Länder reisen, um dort zu helfen. Den Großteil der Ersparnisse für Organisationen spenden oder in regionalen Hilfsorganisationen aktiv werden. Jede ehrenamtliche Tätigkeit ist eine bewundernswerte und tolle Sache: Aber nur wenn sie von Herzen kommt. Jedes andere Motiv würde langfristig wohl eher zur schnellen Wiederaufgabe der "gefaketen" Selbstlosigkeit führen.

Was man muss: Hinsehen, statt wegsehen. Mit anpacken, wenn man es genau hier, an Ort und Stelle, machen kann. Nicht einfach nur zuschaun, wenn jemand verprügelt wird. Die Polizei rufen, wenn man draußen laute Hilfeschreie hört. Den Notarzt rufen, wenn jemand mit Schmerzen am Wegrand sitzt. Sich neben ihn setzen und warten, bis der Notarzt kommt. Seine Hand nehmen und mit ihm sprechen.

Die Käseglocke ist soweit ok, denn sie gibt uns Ruhe und Gelassenheit, die wir für unsere eigenen Herausforderungen des Alltags brauchen.
Doch die Käseglocke eines Menschens, der es sich gemütlich zurecht gemacht, dennoch aber ein Auge und Ohr für andere hat: Der erkennt, dass die Glocke nicht isoliert, in ihrer Form mehr einem Schirm ähnelt.  Ein Schirm, der vor Regen schützen kann. Denn so ein Schirm hat gegenüber der Käseglocke den entscheidenden Unterschied:
Wir können Menschen mit unter ihn lassen.
Spannt man den Schirm nicht nur für sich, so fängt man bereits an, Gutes zu tun. Diese Welt zu verändern. Es ist ein gutes Recht, sich selbst wohlfühlen zu wollen.

Denn das Schönste ist doch, wenn man merkt, dass man nicht alleine unter dem Schirm ist.

Sonntag, 25. Dezember 2011

Ist die Kirche noch zeitgemäß?

"Friede sei mit dir." Wer zu Weihnachten in der Kirche war (oder auch irgendwann anders) hat diesen Satz gesagt. Mehrmals. Und möglicherweise zu wildfremden Leuten. Ja,  man kennt den Satz (zumindest die christlichen Kirchgänger). Und er hat mich zum Nachdenken gebracht.

Tatsächlich kommt mir Kirche schon ziemlich altmodisch, verstaubt und bieder vor. Tut mir Leid, wenn ich hier so manch einem Kirchenfan vor den Kopf stoße: Ja, ich sehe, dass von der Kirche viele gute karitative, nächstenliebliche und zwischenmenschliche Ansätze, Impulse und Aktionen stammen. Dass sie einer Menge Menschen Halt gibt und gerade für diejenigen, die gerade dringend etwas Regelmäßiges, Beständiges, Zum-Festhaltendes brauchen, ist sie wirklich ideal. Daher würde ich niemals für eine Abschaffung oder ähnliches plädieren.
Ich denke nur, dass es gerade für die neuere Generation, die mit iPod, Internet und Netbook vertrauter ist, als mit den eigenen Nachbarn, so eine Kirche nicht unbedingt Besucherziel Nummer eins ist. Die Bänke sind unbequem, es ist kalt, das ganze wirkt sehr festgefahren. Ein Mensch der Modernes gewohnt ist, mag es vielleicht schön finden, einmal "was ganz anderes, ruhiges" zu erleben, aber mal ehrlich: Wie viele von den Menschen, die die meiste Zeit vorm Laptop verbringen, werden nach und vor Weihnachten wieder kirchlichen Grund und Boden betreten (um in eine Messe zu gehen)?  Genau, glaube ich auch: Nicht viele. Vielleicht noch zu Ostern. Ganz vielleicht.

Doch um auf den Anfang zurückzukommen: Während ich mich in der Messe gelangweilt und mich mit aller Macht davon abzuhalten versucht habe, auf mein Handy zu schaun, wer mir denn gerade vibrierenderweise eine SMS geschickt hat, kam aufeinmal der Teil in der Kirche, den ich immer schon am liebsten mochte. Das Shaking Hands.
Und da ist mir klar geworden: Man tut der Kirche und eigentlich (meines Wissens) jeder Religion unrecht, wenn man behauptet, sie, ganz an und für sich, wäre altmodisch. Denn das ist nicht wahr. Die wahren Werte werden uns Menschen auch jetzt schon durch eher leidenschaftslose Internetisierung und Automatisierung immer mehr bewusst. Das ist der Ökotrend, das ist der Heimatstrend ("Bauer sucht Frau" lässt grüßen), das ist auch der Couchsurfingtrend und nicht zuletzt natürlich der Foren/Internetcommunity-Trend. Beim Getippe vorm Laptop vermissen viele aufeinmal das Ursprüngliche. Hinaus ins Freie gehen, herumlaufen, frische Luft. Mit Freunden einen Kaffee trinken gehen. Jede Menge Spaß haben und das nicht in virtuellen Welten.

Die Religionen unserer Welt "propagieren" das seit ihrer Existenz. Das Miteinander, Füreinander und Aufeinander-schaun ist in jeder von ihnen sehr wichtig. Nächstenliebe heißt es so im Christentum. Beim Händeschütteln in der Kirche wird durch ein einfaches Ritual genau das wieder klar gemacht. Man gibt sich die Hand, wurscht ob man sich kennt. In einer Welt, in der sonst Misstrauen, schützende Distanz und Vorsicht geboten sind, lässt man einfach mal locker und denkt daran, dass wir eben doch alles die selben seltsamen Wesen sind, die sich Menschen nennen. Dass es eben doch noch was anderes gibt außer Arbeit am Laptop, moderne Internetverbindungen und mobile Kleinstcomputer.

Es wäre toll, wenn sich ein paar schlaue, neuzeitlich denkende Menschen daran setzen würden, aus der Kirche wieder einen Ort zu machen, an dem sich eben jene neuzeitlich denkenden Menschen wieder wohlfühlen und an den sie regelmäßig kommen möchten, ohne gleich a) als spießig oder b) als übertrieben spirituell und religiös zu gelten.

Denn dieser eine Satz birgt so viel Kraft in sich, dass wir alle unsere Probleme mit ihm lösen könnten. Wenn wir einfach nur regelmäßig diesen einen Satz zueinander sagen (und meinen!) und uns die Hand geben würden, wäre das ein soviel schönerer Planet.

In diesem Sinne:
Friede sei mit dir.

Samstag, 17. Dezember 2011

Alles eine Frage der Einstellung?

"Alles eine Frage der Einstellung." Das scheint immer mehr das Credo einiger Neuzeit- und Hobbyphilosophen heutzutage zu sein. Job scheiße, vom Partner verlassen oder am Ende vielleicht unzufrieden mit der Gesamtsituation? Kein Problem: Einfach positiv denken und kritische Situationen nicht als Problem, sondern als Möglichkeit für Wachstum sehen. Will heißen: Job scheiße? Vielleicht investiert man nicht genug, hat noch nicht genug Kontakt zu den Kollegen aufgebaut etc. Vom Partner verlassen? Na, dann nutzen Sie doch die Gelegenheit, um sich Zeit für sich selbst zu nehmen. Gut möglich, dass Sie sich selbst einfach nicht genug lieben. Die Ratgeber, die am Markt erscheinen und genau diese "positive Einstellungs-Philosophie" in die Welt setzen und verbreiten, als wäre es die Entdeckung und Sensation des Jahrhunderts, nehmen stark zu.

Nun aber mal eine Frage: Stimmt das wirklich, dass wir unser eigenes Lebensgefühl stets in der Hand haben? Ob es uns gut oder schlecht geht, ist das wirklich reine Perspektivensache, allein abhängig davon, wie wir auf unser Hier und Jetzt schaun?
Für praktizierende Buddhisten und extrem stabile Persönlichkeiten, ebenso wie für vorbildliche Positivdenker vielleicht. Ich glaube aber, in Wahrheit machen diese nur einen kleinen Teil der Bevölkerung hierzulande aus. Je reicher und generell wohlständiger, desto weniger. (ein eigenes Phänomen, das sich durchaus lohnt, in einem eigenen Post einmal behandelt zu werden)

Denn mal im Ernst: Job beschissen? Dann geht es einem auch dementsprechend. Vom Partner verlassen? Man verkriecht sich heulend mit einer Wagenladung Tempo-Taschentücher in das tiefst und verborgenst mögliche Loch und heult sich die Augen aus. Oder (bzw. und im Anschluss) begibt man sich mit den Saufkumpanen des Vertrauens in die nächstgelegene Kneipe, lässt sich volllaufen und schreibt peinliche SMS. Hat vielleicht noch einen One-Night-Stand, den man nachher so richtig bereuen kann. Schaufelt sich wahlweise tonnenweise Schokolade hinein oder aber lässt die Nahrungsaufnahme eine Weile vor Kummer ganz schleifen.
Menschen sind im Herzen so. Wenn es ihnen schlecht geht, dann geht es ihnen schlecht. Die positiven Philosophien und die Meinung, dass man jede, aber auch wirklich jede Situation positiv und "konstruktiv" annehmen kann, ist eine menschliche Erfindung. Die einen rappeln sich früher auf, die anderen später, aber ich glaube wirklich keiner würde von Haus aus denken "Oh ja, ich bin verlassen werden, toll: Der nächste hübsche und viiiiiel besser passende Partner kommt bestimmt schon bald! Jippie, mensch, bin ich froh, dass der alte Idiot endlich weg ist. Jetzt können meine Energien wieder fließen." (außer man hat das Ende bereits herbei gesehnt, versteht sich)

Ich denke jedoch nicht, dass man dazu verdammt ist, jede noch so scheußliche Situation anzunehmen und sich am besten einfach solange im Selbstmitleid suhlt, bis man sich selbst in seinen eigenen Tränen aufgelöst hat.
Ich glaube einfach nur, dass wir fehlgeleitet sind, wenn wir glauben, dass wir a) immer alles in der Hand haben. Manchmal läuft das Leben gut, manchmal läuft es schlecht. Man kann sich wehren, dass damit eben auch entsprechende Gefühle einhergehen. Man kann es aber auch einfach akzeptieren und endlich mal aufhören, ständig alles kontrollieren und beeinflussen zu wollen. Solange es nicht in einer Depression ausartet, muss nicht immer ein ganzer Persönlichkeits- und Einstellungswechsel her, wenn sich mal eine Krise anbahnt.

b) Dass es sich hier ein bisschen um die Frage nach dem Huhn und dem Ei handelt. Was war zuerst da? Ist die positive Grundhaltung die, die gute Ereignisse hervorruft? Oder sind es eben diese tollen Erfahrungen, die in uns eine positive Stimmung und Haltung auslösen? Schwer zu sagen. Fest steht: Sobald der Taschentücher-Vorrat aufgebraucht ist, kann man sich ruhig aufmachen. Auf zu neuen Gefilden, neuen Möglichkeiten oder auch die alten nochmal anders in Angriff nehmen. Ohne den Anspruch, es gleich besser zu machen, sondern einfach der eigenen Intuition folgend. Letztlich muss man dabei eben auch ein bisschen Vertrauen haben, dass alles wieder gut wird. Ohne das läufts wohl eher nicht. Es ist nicht schlimm, wenn es einem nicht sofort gut geht, nur weil man beschließt, etwas zu ändern. Es ist ok, wenn es auch  beim zweiten Anlauf wieder schief läuft.
Das ist einfach das Leben.

Wenn wir dann im Bus sitzen und aufeinmal hockt sich da ein Mensch neben uns, der uns freundlich anlächelt. Und der sich, auch wenn wir es da noch nicht geahnt hätten, als die Liebe unseres Lebens entpuppt. Wenn es aufeinmal wieder aufwärts geht, ohne dass wir richtig verstehen, wie genau das jetzt eigentlich passiert ist. Wenn wir uns am Ende gar nicht mehr erinnern können, wie das nochmal war, als es uns so scheiße ging. Da wird einem klar:

Leben passiert, ob man nun übereifrig schafft und handelt oder geduldig wartet.
Denn ob gut oder schlecht, eines kann man sagen:

Das Leben bleibt spannend. Ein Leben lang.

Donnerstag, 15. Dezember 2011

Dazu gehören VS. Selbstfindung

Wie ich neulich für Werbepsychologie gelernt habe, hat mich ein Absatz in meinem Skript sehr nachdenklich gestimmt. Es ging darin um die kulturelle Unterschiede in der Werbung. Als Beispiel wurde genannt, dass Werbung in USA und Europa mehr auf Individualität und persönliche Vorteile ausgelegt sind, während die Asiaten in ihrer Werbung lieber möglichst viele zusammengehörende Menschen in einer Gruppe sehen. Selbstfindung VS. dem Aufgehen in einer Gruppe.

Es sei mal dahin gestellt, ob dieser kulturelle Vergleich tatsächlich zutrifft. Was mich eher zum Nachdenken gebracht hat, war: Ist das so? Entscheiden wir uns in unserem Leben an irgendeinem Punkt entweder für Individualität oder der Zugehörigkeit zu einer Gruppe? Denn seien wir mal ehrlich: Je größer die Gruppe, in die man hineingehören möchte, desto weniger kommt das Ureigene heraus. Im Zentrum steht ganz einfach nicht mehr unsere kleinsten und feinsten Details und Vorstellungen, sondern der gemeinsame Geist. Man steckt zurück. Das hört sich negativ an, muss es aber nicht sein. Denn der Mensch ist ein Herdentier, er geht in der Gruppe auf. Mag das nicht auf jeden hundertprozentig zutreffen, ist es wohl kaum zu leugnen, dass wir uns wohl fühlen, wenn wir von Menschen umgeben sind, die wir mögen. Ja, wichtige Voraussetzung ist, dass die Gruppe unserem Ich entspricht.

Doch was ist mit der Individualität? Mit der Persönlichkeit? Jeder von uns ist, auch wenn das nun pathetisch klingen mag, einzigartig und hat seine eigenen Stärken und Schwächen, Erinnerungen, Gedanken und, noch pathetischer: Jeder ist für sich ein Wunder. Einfach nur weil es ihn in seiner Einzigartigkeit gibt. Sollte man das nicht ausleben? Ist es nicht schade, wenn dieses Wunder untergeht in einer Gruppe, in der alle zurückstecken, um zusammen etwas zu machen?

Ich glaube, man macht einen Fehler, wenn man hier versucht, ein Entweder/ Oder zu erzwingen, wie es in dem Werbungsbeispiel vorgegaukelt wurde.
In der Gruppe findet man Sicherheit, Halt. Man muss nicht alleine entscheiden und im Zweifelsfall für Fehler alleine einbüßen.
Doch es ist auffällig: Während in der Jugend die Freundeskreise und sogenannte Cliquen nicht groß und verbandelt genug sein können und man Freunde wie Sticker sammelt, um möglichst viele Gleichgesinnte um sich zu scharen, nimmt das im steigenden Alter rasant ab. Die Freunde werden in den meisten Fällen weniger, aber besser. Und vor allem: Je älter wir werden, desto mehr wissen wir sehr genau, dass wir NICHT wie unsere Freunde sind. Man ist und bleibt man selbst, ebenso der Freund, aber glücklicherweise passt man gut zusammen.

Der Selbstfindungsprozess und die Identifikation des eigenen Ichs findet statt, wenn man gemerkt hat, dass Sicherheit und Halt in der Gruppe schön, aber nicht alles sind. Der Mensch ist meistens auf der Suche. Auf der Suche nach sich selbst. Wirklich glücklich und erfüllt kann jemand, denke ich, nur sein, wenn er erkannt hat, was ihn auf diesen Planeten einzigartig macht.

So gesehen ist eine Gruppe nicht einfach eine Ansammlung von Leuten auf einem Haufen. Es sind Individuen mit ihren ureigenen Charaktereigenschaften, Erinnerungen und Erlebnissen, die gemeinsam dem größten gemeinsamen Nenner der Menschheit frönen:

Dem Zusammensein.

Mittwoch, 14. Dezember 2011

Smalltalk wird unterbewertet

Ich dachte immer ich kann ihn nicht leiden. Ich hielt ihn immer für überflüssig, oberflächlich, zu offensichtlich frei von Tiefgrund und nur auf Gelaber aus: Den Smalltalk.

Doch hier und jetzt muss ich meine Einstellung zu dem lockeren Geplaudere auf Partys, an der Supermarktkassa oder im Zug noch einmal gründlich überdenken. Zunächst einmal zu den Gründen, aus denen es zu der Abneigung (die ich, wie ich weiß, mit vielen teile) überhaupt kam: Die Erfahrung, dass man in zwei Gesprächsarten aufteilen kann: Gespräch und Smalltalk. Ist das Gespräch in meinen Augen unendlich wertvoll und wichtig, kam mir Smalltalk wie der blöde Stiefbruder vor. In einem Gespräch sprechen beispielsweise zwei Freunde miteinander. Sie tauschen die neuesten Ereignisse und Gegebenheiten ihres Lebens aus, quatschen über dies und das und empfinden dabei: Freundschaft. Verbundenheit. Nähe. Es tut gut, mit einem Freund zu reden, egal über was. Das was man im Gespräch miteinander teilt ist ein weiterer wertvoller Baustein im Fundament der Freundschaft. Ein Fundament, auf das die beiden sich auch am nächsten Tag, in der nächsten Woche, dem nächsten Monat und solange die Freundschaft hält, stützen können werden. Smalltalk ist hier meines Erachtens kaum möglich, je besser die Freundschaft, desto weniger. Denn selbst ein dahingeworfenes "Ja, gut" auf die Frage "Wie geht's dir?" wird bereits vom Freund interpretiert (jaaa auch von den Kerlen unter euch!) und ganz anders bewertet, als würde man nichts über den Freund wissen. Subkontext, zwischen den Zeilen lesen und Empathie unter Freunden nennt sich das. Oder schlichtweg: Man kennt sich halt. Dieses Gespräch ist also wertvoll und oft zehren wir von guten Gesprächen mit unseren Lieben eine ganze Weile.
Übrigens entstehen gute Gespräche natürlich auch mit Nicht-Freunden. Auch diese sind mit Smalltalk nicht vergleichbar, denn gerade Fremden vertrauen wir manchmal unserer allertiefsten Geheimnisse an: Und zwar, wenn wir sie voraussichtlich nicht mehr wiedersehen. Auch diese zähle ich nicht zu Smalltalk.

Soviel zur ersten Gesprächssorte. Die zweite ist nun der genannte Smalltalk. Und der kam mir, unterschieden vom Gespräch, das in freundschaftlicher Verbundenheit stattfindet, geheuchelt, beinahe "falsch" vor. Als ich in Australien war, ist mir aufgefallen, dass dieser dort mehr vertreten ist, als bei uns. Bei uns passiert selbst beim Provinzbäcker in kleinen Dörfchen im Nirgendwo weniger Smalltalk, als in einem großen Supermarkt in Brisbane in Australien.
Was ich nun sagen muss: Ja, er ist oberflächlich. Nein, ich glaube nicht, dass sich die Leute wirklich WIRKLICH darum kümmern, wie es einen geht. (wobei es tatsächlich enorm hilfsbereite und liebe Australier gibt)
Aber ich war noch öfter auf Reisen und habe mit der Zeit den Smalltalk immer mehr zu schätzen gelernt. Auch in meiner Heimatsstadt und eigentlich egal wo, ob im Zug, Flieger oder im Vorlesesaal an der Uni (sehr zu Unfreuden des Dozenten): Er wärmt inzwischen mein Herz. Davon auszuschließen ist übrigens Businesskauderwelsch und Floskeln die zum Schleimen oder zum Aufwerten der eigenen Position gedacht sind. Ich rede von den Leuten, die wirklich einfach nur spontan miteinander plaudern.

Wer gleich nach tiefgründstigem Anlass und Hintergrund sucht, aus dem heraus ein solcher Smalltalk à la "Und wie gehts?", "Ma, das Wetter heut, so schee!"ensteht, der wird vermutlich verächtlich schnaubend scheitern. Aber es gibt einen Anlass. Einen Grund. Und zwar: Wir wollen miteinander reden. Miteinander kommunizieren.

Merkt man, dass, obwohl die Person einen nicht kennt, in diesem Moment tatsächlich gerne mit einem plaudert oder andersherum sieht man, dass sich die ältere Dame wahnsinnig freut, wenn man sie in ein Gespräch verwickelt: Dann tut das gut. Es lässt uns spüren, dass wir letztlich doch alle die selben seltsamen Wesen sind, die diesen Planeten bevölkern. Die einerseits furchtbar vernünftig, rational und analythisch sind. Aber im innersten Kern doch immer noch vor allem nach einem suchen: Menschlicher Nähe und Wärme.

Smalltalk ist die kleinste Ebene, in der, meint man ihn ehrlich, man diese vermitteln kann.
Und übrigens: Gute Gespräche entstehen oft aus ursprünglich intendierten Smalltalk.

Ein Hoch auf den Smalltalk!

Dienstag, 13. Dezember 2011

PC-Getippe: Ist das unsere Zukunft?

Die digitale Welt, in der wir leben. Egal ob es um den Aufbau einer Zeitung geht, Skizzen für Modedesigns oder um die bürokratische Verwaltung: Der liebe Herr Computer ist allgegenwärtig. Handwerkliche Berufe nehmen ab, Massenherstellung in Manufakturen nehmen zu und das was für den Menschen an Tätigkeit übrig bleibt ist: Die Computerarbeit. Bringt diese, besonders für eher Gemütlichkeits-orientierte Bewohner, durchaus Vorteile mit sich (wenig Anstrengung, kann sich den Arbeitsplatz schön und angenehm gestalten, am PC ist alles schön übersichtlich (zumindest übersichtlicher als Papierkrieg Locher gegen Schere.)).
Aber ist das wirklich unsere Zukunft?

Nicht nur der Computer ist ein allgegenwärtiger Begleiter des 21. Jahrhunderts, sondern auch: Die Depressionen. Burnout. Überforderung aufgrund von Unterforderung. Klingt eigenartig? Ist es nicht.
"Also der Beethoven hatte jedenfalls keinen Burnout", meinte neulich ein guter Freund von mir und hat damit die Rädchen in meinem Kopf zum heftigen Rotieren gebracht. Hatte er wirklich nicht, zumindest weiß man nichts davon. Es erscheint aber durchaus schlüssig.  Denn: Was hat Herr Beethoven gemacht? Saß er am PC und rackerte vor sich hin, an Dingen, die eigentlich zu abstrakt für sein Denken waren und immer mit den selben (mit wenig Bewegungen verbundenen), fast schon maschinellen Getippe und Gestarre auf den Bildschirm? Nein. Er klimperte auf dem Klavier. Er schrieb dann wahrscheinlich hektisch ein paar Noten auf. Machte vielleicht einen Spaziergang oder etwas anderes, bei dem er sich sammeln konnte, um sich inspirieren zu lassen und seine Gedanken und Ideen zu ordnen. Und setzte sich wieder an sein Werk. Die Leidenschaft begleitete ihn sicher auf all seinen musikalischen Wegen.

Aber gut, Beethoven war meines Erachtens ein Genie und kaum jemand kann sich mit ihm gleichsetzen. Dann nehmen wir mal die "einfacheren" Leute (ohne tatsächlich ihren tatsächlichen Intellekt, lediglich ihr tägliches Handwerk darzulegen): Schreiner, Schneider, Bäcker, Bauer. Einzige Gemeinsamkeit: Sie haben mit "echten" Dingen zu tun. Und folgen somit um einiges mehr dem, was uns evolutorisch in die Wiege gelegt wurde.
Wäre die Evolution schneller, würde das Herzen des Menschen aufgehen, sobald er ein pdf-File oder gar - oh Freude! - eine Excel-Tabelle vor sich hat. Er würde es lieben abstrakte Skizzen zu entwerfen, die sein Verstand zwar nicht wirklich fassen kann, die er aber gelernt hat, dennoch zu bearbeiten. Er bräuchte nichts zum Anfassen, denn sein Gehirn wäre instinktiv auf das fokussiert, was da vor ihm auf dem Bildschirm läuft.

Aber die Evolution ist langsam. Die fett-triefende Pizza schmeckt noch immer so gut, weil der Körper darauf gepolt ist, möglichst viele Kalorien zu sich zu nehmen, um im Zweifelsfalle genug Reserve zu haben. Ungeachtet der Tatsache, dass eben dieser Zweifels-Reservebedarf-Fall im Leben desjenigen vielleicht oder sogar wahrscheinlich nie eintreten wird. Die Menschen wollen noch immer Sex, selbst wenn sie eigentlich keine Kinder möchten.
Und sie sind meines Erachtens noch immer unbewusst überfordert davon, den ganzen Tag vorm Rechner zu sitzen. Dass aber genau so der Alltag einiger aussieht, führt eben meines Erachtens zu genau den typischen Symptomen unserer Zeit: Unzufriedenheit, depressive Verstimmungen. Man "verlernt" seinen eigenen Körper kennen, sitzt man den lieben langen Tag da. Ein paar präventive Yogaübungen und das individuelle Sportprogramm des Einzelnen können durchaus vorbeugen und helfen. Doch es ist ja nicht so, als würde man sich nicht anstrengen. Die Anstrengung am Computer und generell beim Denken, Entwerfen, Konstruieren und eben alles, was nicht von Hand geht geht zwar nicht auf die Muskeln aber: Aufs Gehirn. Es ist verdammt belastend, sich auf längere Zeit zu konzentrieren. Erfolgserlebnisse? Nur sehr abstrakt und dadurch, zumindest für unsere "ureigenen" Sinne, die auch entsprechende Glückshormone herbeirufen würden, nicht so verwertbar, wie Erfolgserlebnisse im "echten Leben". Der Mensch ist viel einfacher, als er es heutzutage gerne wäre: Wenn er etwas fertiges sieht, das er gemacht hat, freut er sich. Daten lassen sich nicht anfassen und ihre Natur entspricht nicht der unseren. Egal wie lange man an etwas geschrieben hat; stürzt der Computer ab, ist alles weg. Das soll ein Gehirn mal begreifen.
"Innere Erschöpfung" nennt man in der Fachsprache den Zustand, in den wir uns derzeit viel zu oft selbst führen, indem wir uns vom Handwerker zum Programmierer von Maschinen entwickelt haben.

Liegt hier unsere Zukunft?
Ich glaube nicht.
Man wird Lösungen finden. Wege, wie wir lernen werden, uns körperlich und geistig zu betätigen, ohne dabei auf intellektuellen Anspruch verzichten zu müssen. Ist die Wii ein erster Anfang, derzeit noch rein auf Spiel und Spaß ausgelegt? Vielleicht, das kann man nicht wissen.

Im Büro im Jahre 2100 hüpfen die Leute vielleicht in ihrem Büro herum, um über Bewegung ihre Ideen auf virutellen Riesenflächen zu skizzieren. Sie werden vielleicht mit 3D-Brillen durch Städte laufen, um dort die Skizzen für künftige architektonische Bauwerke zu entwerfen.

Was auch immer der Mensch sich noch so einfallen lässt, er wird letztlich seinen Wurzeln folgen.
Es bleibt spannend, soviel ist sicher.