Montag, 20. Oktober 2014

Mysterium Mensch

Wenn es etwas gibt, über das ich mich vermutlich für immer wundern werde, dann ist das: Der Mensch. Eben noch ist mir ein Radlfahrer hineingefahren und lässt mich am Boden liegen während er hastig seinen Weg verfolgt. Da steht schon eine andere junge Frau bei mir, reicht mir die eine Hand und umarmt mich mit der anderen. "Hast du dir weh getan?", fragte sie und ich überlegte, vielleicht auch aus einem akuten Schockzustand heraus, ob das vielleicht ein Engel war.

Ich gehöre zu der Gattung Mensch, die man, meint man es nett mit ihnr, als sensibel bezeichnet. Die anderen nennen es einfach Weichei und Drama-Queen, überempfindlich und viel zu dünnhäutig. Auch ich würde eher eine negativ gefärbte Variante wählen, denn, um es kurz zu fassen: Das Leben ist nicht einfach als Sensibelchen. Ständig sind irgendwo Schwingungen, Tonfälle und gehobene Augenbrauen, die außer mir anscheinend niemand sieht. Aber sie sind da und sie versprühen einen Vibe! Die Menschen senden Signale aus. Und man selbst schaukelt in einem Boot, das sich von einer Welle zum nächsten Tief treiben lässt, sich hebt und senkt mit den Äußerungen und Gefühlen der Menschen um einen herum. Nur dass ich das Gefühl habe, den Menschen selbst ist ihr eigener Vibe oftmals nicht bewusst.

Mein Herzallerliebster bezichtigt mich sehr charmant des Öfteren, es läge vielleicht an mir, dass mir so seltsame Dinge passieren. Ihm jedenfalls passiere sowas nicht. Im einen Moment unterhalte ich mich lachend mit einer wildfremden Person und fühle mich zu ihr verbunden wie das frühlingsknospende Blatt zum Baum. Dann wieder werde ich fies von der Seite angefahren (wörtlich oder im übertragenen Sinne), beschimpft und/oder belächelt. Natürlich, es gibt einfach depperte Menschen auf der Welt, die sich in der bitteren Realität einfach nur in ihrem eigenen Elend suhlen und wenn sie schon dabei sind gerne noch ein paar Menschen mit hineinziehen möchten. Aber trifft das wirklich auf alle notorischen Aggressoren zu?

Ja und solche Erlebnisse lassen mich immer verwundert im Gang stehen: Ist der Mensch nun schlecht oder gut? Ich trage einen unanfechtbaren Grundoptimismus in mir, von daher glaube ich, ob ich will oder nicht, ob mir das Gegenteil immer wieder vor die Nase gehalten wird oder nicht, an das Gute im Menschen. Dass am Ende eigentlich alle miteinander am Lagerfeuer sitzen und sich vertragen könnten.

Und dann passieren Kriege. Menschen schneiden anderen Menschen den Kopf ab. Legen Bomben, vergewaltigen Frauen, verstümmeln Männer. Die selbe Gattung Tier, die mir die Hand reichte, mich umarmte und mir das Gefühl gab, nun endlich im Himmel angekommen zu sein, befördert die Hölle auf irdischen Boden. Oder ist der Mensch ganz einfach die Hölle?

Ich glaube, deswegen faszinieren sie mich so, diese Menschen. Es sind eigenartige Strukturen, in denen sie sich bewegen und die sie formen, auch Gesellschaft genannt. Ist das Böse letztlich das, was diese Strukturen gebären, oder liegt es tief in jedem von uns verankert (wie es ja manch ein Kriminologe und Hobbydetektiv behauptet)?

Und dann kommt für mich die Mutter aller Fragen: Wenn ein kleines Kind in Not herzzerreißend nach seiner Mama weint, ein kleines Kätzchen um Aufmerksamkeit buhlt. Lässt das wirklich irgendwen kalt? Ich hoffe dass ich bis zum Ende meiner Tage daran glauben kann: Nein. Im tiefsten Herzen nicht.