Freitag, 30. Dezember 2011

Der Käseglockenfaktor

Wir leben in einer schlimmen Welt. Unheil und Grauen passiert jeden Tag: Krieg, Unwetter und so viele einzelne Schicksalstragödien. Ein Blick in die Nachrichten geworfen, wird es wieder schmerzlich bewusst: Auf der Welt ist es alles andere als friedlich und schön.
Viele Menschen fühlen sich davon angesprochen und ergreifen die Initiative. Eine ganze Menge Leute spenden Geld an Hilfsorganisationen, die sie für glaubwürdig halten. Und ein paar wenige werden zu wahren Helden des Alltages: Menschen, die einen Teil oder sogar ihre ganze Freizeit opfern, um mitanzupacken, wo es nötig ist. Ob nun aktive Greenpeace-Mitglieder, Verkäufer bei Aktion-Mensch-Lotterien oder Entwicklungshelfer in Afrika: Diese Menschen leisten großartiges und verdienen für ihre Courage und ihre Selbstlosigkeit Anerkennung im höchsten Maße.

Damit spreche ich wohl jedoch kein neues Themengebiet an. Mein Post soll sich eher den "anderen" widmen. Denen, die NICHT im Entwicklungsland helfen und aus welchen Gründen auch immer die Zeit nicht haben oder einfach nicht aufbringen, zu helfen. Die, die einfach nur ihr Leben leben, ihrer Arbeit nachgehen, ihre Kinder großziehen und es sich einfach auch mal gut gehen lassen. Klingt egoistisch? Sind aber: Die meisten unter uns.
Ob man es nun zugibt oder nicht, die meisten schaffen sich doch gerne eine Art Käseglocke um sich. Es geht dabei meistens nicht etwa darum, sich vor Hunger und Leid auf der Welt verschanzen, den Kopf in den Sand stecken und einen auf "Friede, Freude, Eierkuchen" machen. Man möchte ja aufgeklärt sein und sozialkritisch sein. Man möchte ein guter, helfender Mensch sein, der mit anpackt.
Es ist jedoch nicht so, dass das Leben nicht oft bereits genug Aufgabenbereiche bietet, denen es sich ebenso zu widmen gilt. Zugegebenermaßen brutal formuliertes Beispiel: Was hilft es den eigenen Kindern, die keine Zuwendung bekommen haben, dass man dringend in Afrika helfen musste?

Selbsterhaltung ist ein starker Trieb im Menschen. Der, gemeinsam mit der Veranlagung zum "Nestbau", löst in uns die Sehsucht nach Harmonie und Zufriedenheit aus. Nach einer eigenen geregelten Welt, die wir uns nach unseren Wünschen erschaffen haben. Nach einem schönen Leben in einem friedlichen Umfeld mit angenehmen Menschen und fordernden, aber nicht überfordernden, Aufgaben.

Ich lebe in einer Stadt, der die Käseglocke oft vorgeworfen wird. Salzburg ist wunderschön und ja: Sie ist auch wundertouristisch. Es geht viel um Glanz, Gloria, prunkvolle Gebäude, hübsche Parks und eben alles, was nett anzusehen ist. Fans vom Berliner Kreuzberg rümpfen empört die Nase, sobald sie hübsch hergerichtete Blumenbeete, die leicht bis enorm kitschig dekorierten Geschäfte und die verschnörkelten Schilder in der Altstadt sehen.
Und hier stehe ich zu meiner Meinung:
Ich genieße die Atmosphäre Salzburgs: Mischung aus kuscheligem Dorf und ästhetischer Stadt der Historik. Was könnte falsch daran sein?

Zurück zum eigentlichen Thema, kann Salzburg durchaus als repräsentative Metapher für ein selbstbestimmtes Leben, das von schönen Dingen umgeben ist, gelten.
Doch wie weit ist es in Ordnung, es sich selbst kuschelig und nett zu machen, während draußen der Sturm tobt? Wie sehr darf man sich verschanzen, schützen und auch einfach mal abschalten?
Wo müssen wir eingreifen?

Ich glaube, es gibt einen wichtigen Unterschied zwischen dem was man MUSS und dem was man KANN.
Was man kann: In Länder reisen, um dort zu helfen. Den Großteil der Ersparnisse für Organisationen spenden oder in regionalen Hilfsorganisationen aktiv werden. Jede ehrenamtliche Tätigkeit ist eine bewundernswerte und tolle Sache: Aber nur wenn sie von Herzen kommt. Jedes andere Motiv würde langfristig wohl eher zur schnellen Wiederaufgabe der "gefaketen" Selbstlosigkeit führen.

Was man muss: Hinsehen, statt wegsehen. Mit anpacken, wenn man es genau hier, an Ort und Stelle, machen kann. Nicht einfach nur zuschaun, wenn jemand verprügelt wird. Die Polizei rufen, wenn man draußen laute Hilfeschreie hört. Den Notarzt rufen, wenn jemand mit Schmerzen am Wegrand sitzt. Sich neben ihn setzen und warten, bis der Notarzt kommt. Seine Hand nehmen und mit ihm sprechen.

Die Käseglocke ist soweit ok, denn sie gibt uns Ruhe und Gelassenheit, die wir für unsere eigenen Herausforderungen des Alltags brauchen.
Doch die Käseglocke eines Menschens, der es sich gemütlich zurecht gemacht, dennoch aber ein Auge und Ohr für andere hat: Der erkennt, dass die Glocke nicht isoliert, in ihrer Form mehr einem Schirm ähnelt.  Ein Schirm, der vor Regen schützen kann. Denn so ein Schirm hat gegenüber der Käseglocke den entscheidenden Unterschied:
Wir können Menschen mit unter ihn lassen.
Spannt man den Schirm nicht nur für sich, so fängt man bereits an, Gutes zu tun. Diese Welt zu verändern. Es ist ein gutes Recht, sich selbst wohlfühlen zu wollen.

Denn das Schönste ist doch, wenn man merkt, dass man nicht alleine unter dem Schirm ist.

Sonntag, 25. Dezember 2011

Ist die Kirche noch zeitgemäß?

"Friede sei mit dir." Wer zu Weihnachten in der Kirche war (oder auch irgendwann anders) hat diesen Satz gesagt. Mehrmals. Und möglicherweise zu wildfremden Leuten. Ja,  man kennt den Satz (zumindest die christlichen Kirchgänger). Und er hat mich zum Nachdenken gebracht.

Tatsächlich kommt mir Kirche schon ziemlich altmodisch, verstaubt und bieder vor. Tut mir Leid, wenn ich hier so manch einem Kirchenfan vor den Kopf stoße: Ja, ich sehe, dass von der Kirche viele gute karitative, nächstenliebliche und zwischenmenschliche Ansätze, Impulse und Aktionen stammen. Dass sie einer Menge Menschen Halt gibt und gerade für diejenigen, die gerade dringend etwas Regelmäßiges, Beständiges, Zum-Festhaltendes brauchen, ist sie wirklich ideal. Daher würde ich niemals für eine Abschaffung oder ähnliches plädieren.
Ich denke nur, dass es gerade für die neuere Generation, die mit iPod, Internet und Netbook vertrauter ist, als mit den eigenen Nachbarn, so eine Kirche nicht unbedingt Besucherziel Nummer eins ist. Die Bänke sind unbequem, es ist kalt, das ganze wirkt sehr festgefahren. Ein Mensch der Modernes gewohnt ist, mag es vielleicht schön finden, einmal "was ganz anderes, ruhiges" zu erleben, aber mal ehrlich: Wie viele von den Menschen, die die meiste Zeit vorm Laptop verbringen, werden nach und vor Weihnachten wieder kirchlichen Grund und Boden betreten (um in eine Messe zu gehen)?  Genau, glaube ich auch: Nicht viele. Vielleicht noch zu Ostern. Ganz vielleicht.

Doch um auf den Anfang zurückzukommen: Während ich mich in der Messe gelangweilt und mich mit aller Macht davon abzuhalten versucht habe, auf mein Handy zu schaun, wer mir denn gerade vibrierenderweise eine SMS geschickt hat, kam aufeinmal der Teil in der Kirche, den ich immer schon am liebsten mochte. Das Shaking Hands.
Und da ist mir klar geworden: Man tut der Kirche und eigentlich (meines Wissens) jeder Religion unrecht, wenn man behauptet, sie, ganz an und für sich, wäre altmodisch. Denn das ist nicht wahr. Die wahren Werte werden uns Menschen auch jetzt schon durch eher leidenschaftslose Internetisierung und Automatisierung immer mehr bewusst. Das ist der Ökotrend, das ist der Heimatstrend ("Bauer sucht Frau" lässt grüßen), das ist auch der Couchsurfingtrend und nicht zuletzt natürlich der Foren/Internetcommunity-Trend. Beim Getippe vorm Laptop vermissen viele aufeinmal das Ursprüngliche. Hinaus ins Freie gehen, herumlaufen, frische Luft. Mit Freunden einen Kaffee trinken gehen. Jede Menge Spaß haben und das nicht in virtuellen Welten.

Die Religionen unserer Welt "propagieren" das seit ihrer Existenz. Das Miteinander, Füreinander und Aufeinander-schaun ist in jeder von ihnen sehr wichtig. Nächstenliebe heißt es so im Christentum. Beim Händeschütteln in der Kirche wird durch ein einfaches Ritual genau das wieder klar gemacht. Man gibt sich die Hand, wurscht ob man sich kennt. In einer Welt, in der sonst Misstrauen, schützende Distanz und Vorsicht geboten sind, lässt man einfach mal locker und denkt daran, dass wir eben doch alles die selben seltsamen Wesen sind, die sich Menschen nennen. Dass es eben doch noch was anderes gibt außer Arbeit am Laptop, moderne Internetverbindungen und mobile Kleinstcomputer.

Es wäre toll, wenn sich ein paar schlaue, neuzeitlich denkende Menschen daran setzen würden, aus der Kirche wieder einen Ort zu machen, an dem sich eben jene neuzeitlich denkenden Menschen wieder wohlfühlen und an den sie regelmäßig kommen möchten, ohne gleich a) als spießig oder b) als übertrieben spirituell und religiös zu gelten.

Denn dieser eine Satz birgt so viel Kraft in sich, dass wir alle unsere Probleme mit ihm lösen könnten. Wenn wir einfach nur regelmäßig diesen einen Satz zueinander sagen (und meinen!) und uns die Hand geben würden, wäre das ein soviel schönerer Planet.

In diesem Sinne:
Friede sei mit dir.

Samstag, 17. Dezember 2011

Alles eine Frage der Einstellung?

"Alles eine Frage der Einstellung." Das scheint immer mehr das Credo einiger Neuzeit- und Hobbyphilosophen heutzutage zu sein. Job scheiße, vom Partner verlassen oder am Ende vielleicht unzufrieden mit der Gesamtsituation? Kein Problem: Einfach positiv denken und kritische Situationen nicht als Problem, sondern als Möglichkeit für Wachstum sehen. Will heißen: Job scheiße? Vielleicht investiert man nicht genug, hat noch nicht genug Kontakt zu den Kollegen aufgebaut etc. Vom Partner verlassen? Na, dann nutzen Sie doch die Gelegenheit, um sich Zeit für sich selbst zu nehmen. Gut möglich, dass Sie sich selbst einfach nicht genug lieben. Die Ratgeber, die am Markt erscheinen und genau diese "positive Einstellungs-Philosophie" in die Welt setzen und verbreiten, als wäre es die Entdeckung und Sensation des Jahrhunderts, nehmen stark zu.

Nun aber mal eine Frage: Stimmt das wirklich, dass wir unser eigenes Lebensgefühl stets in der Hand haben? Ob es uns gut oder schlecht geht, ist das wirklich reine Perspektivensache, allein abhängig davon, wie wir auf unser Hier und Jetzt schaun?
Für praktizierende Buddhisten und extrem stabile Persönlichkeiten, ebenso wie für vorbildliche Positivdenker vielleicht. Ich glaube aber, in Wahrheit machen diese nur einen kleinen Teil der Bevölkerung hierzulande aus. Je reicher und generell wohlständiger, desto weniger. (ein eigenes Phänomen, das sich durchaus lohnt, in einem eigenen Post einmal behandelt zu werden)

Denn mal im Ernst: Job beschissen? Dann geht es einem auch dementsprechend. Vom Partner verlassen? Man verkriecht sich heulend mit einer Wagenladung Tempo-Taschentücher in das tiefst und verborgenst mögliche Loch und heult sich die Augen aus. Oder (bzw. und im Anschluss) begibt man sich mit den Saufkumpanen des Vertrauens in die nächstgelegene Kneipe, lässt sich volllaufen und schreibt peinliche SMS. Hat vielleicht noch einen One-Night-Stand, den man nachher so richtig bereuen kann. Schaufelt sich wahlweise tonnenweise Schokolade hinein oder aber lässt die Nahrungsaufnahme eine Weile vor Kummer ganz schleifen.
Menschen sind im Herzen so. Wenn es ihnen schlecht geht, dann geht es ihnen schlecht. Die positiven Philosophien und die Meinung, dass man jede, aber auch wirklich jede Situation positiv und "konstruktiv" annehmen kann, ist eine menschliche Erfindung. Die einen rappeln sich früher auf, die anderen später, aber ich glaube wirklich keiner würde von Haus aus denken "Oh ja, ich bin verlassen werden, toll: Der nächste hübsche und viiiiiel besser passende Partner kommt bestimmt schon bald! Jippie, mensch, bin ich froh, dass der alte Idiot endlich weg ist. Jetzt können meine Energien wieder fließen." (außer man hat das Ende bereits herbei gesehnt, versteht sich)

Ich denke jedoch nicht, dass man dazu verdammt ist, jede noch so scheußliche Situation anzunehmen und sich am besten einfach solange im Selbstmitleid suhlt, bis man sich selbst in seinen eigenen Tränen aufgelöst hat.
Ich glaube einfach nur, dass wir fehlgeleitet sind, wenn wir glauben, dass wir a) immer alles in der Hand haben. Manchmal läuft das Leben gut, manchmal läuft es schlecht. Man kann sich wehren, dass damit eben auch entsprechende Gefühle einhergehen. Man kann es aber auch einfach akzeptieren und endlich mal aufhören, ständig alles kontrollieren und beeinflussen zu wollen. Solange es nicht in einer Depression ausartet, muss nicht immer ein ganzer Persönlichkeits- und Einstellungswechsel her, wenn sich mal eine Krise anbahnt.

b) Dass es sich hier ein bisschen um die Frage nach dem Huhn und dem Ei handelt. Was war zuerst da? Ist die positive Grundhaltung die, die gute Ereignisse hervorruft? Oder sind es eben diese tollen Erfahrungen, die in uns eine positive Stimmung und Haltung auslösen? Schwer zu sagen. Fest steht: Sobald der Taschentücher-Vorrat aufgebraucht ist, kann man sich ruhig aufmachen. Auf zu neuen Gefilden, neuen Möglichkeiten oder auch die alten nochmal anders in Angriff nehmen. Ohne den Anspruch, es gleich besser zu machen, sondern einfach der eigenen Intuition folgend. Letztlich muss man dabei eben auch ein bisschen Vertrauen haben, dass alles wieder gut wird. Ohne das läufts wohl eher nicht. Es ist nicht schlimm, wenn es einem nicht sofort gut geht, nur weil man beschließt, etwas zu ändern. Es ist ok, wenn es auch  beim zweiten Anlauf wieder schief läuft.
Das ist einfach das Leben.

Wenn wir dann im Bus sitzen und aufeinmal hockt sich da ein Mensch neben uns, der uns freundlich anlächelt. Und der sich, auch wenn wir es da noch nicht geahnt hätten, als die Liebe unseres Lebens entpuppt. Wenn es aufeinmal wieder aufwärts geht, ohne dass wir richtig verstehen, wie genau das jetzt eigentlich passiert ist. Wenn wir uns am Ende gar nicht mehr erinnern können, wie das nochmal war, als es uns so scheiße ging. Da wird einem klar:

Leben passiert, ob man nun übereifrig schafft und handelt oder geduldig wartet.
Denn ob gut oder schlecht, eines kann man sagen:

Das Leben bleibt spannend. Ein Leben lang.

Donnerstag, 15. Dezember 2011

Dazu gehören VS. Selbstfindung

Wie ich neulich für Werbepsychologie gelernt habe, hat mich ein Absatz in meinem Skript sehr nachdenklich gestimmt. Es ging darin um die kulturelle Unterschiede in der Werbung. Als Beispiel wurde genannt, dass Werbung in USA und Europa mehr auf Individualität und persönliche Vorteile ausgelegt sind, während die Asiaten in ihrer Werbung lieber möglichst viele zusammengehörende Menschen in einer Gruppe sehen. Selbstfindung VS. dem Aufgehen in einer Gruppe.

Es sei mal dahin gestellt, ob dieser kulturelle Vergleich tatsächlich zutrifft. Was mich eher zum Nachdenken gebracht hat, war: Ist das so? Entscheiden wir uns in unserem Leben an irgendeinem Punkt entweder für Individualität oder der Zugehörigkeit zu einer Gruppe? Denn seien wir mal ehrlich: Je größer die Gruppe, in die man hineingehören möchte, desto weniger kommt das Ureigene heraus. Im Zentrum steht ganz einfach nicht mehr unsere kleinsten und feinsten Details und Vorstellungen, sondern der gemeinsame Geist. Man steckt zurück. Das hört sich negativ an, muss es aber nicht sein. Denn der Mensch ist ein Herdentier, er geht in der Gruppe auf. Mag das nicht auf jeden hundertprozentig zutreffen, ist es wohl kaum zu leugnen, dass wir uns wohl fühlen, wenn wir von Menschen umgeben sind, die wir mögen. Ja, wichtige Voraussetzung ist, dass die Gruppe unserem Ich entspricht.

Doch was ist mit der Individualität? Mit der Persönlichkeit? Jeder von uns ist, auch wenn das nun pathetisch klingen mag, einzigartig und hat seine eigenen Stärken und Schwächen, Erinnerungen, Gedanken und, noch pathetischer: Jeder ist für sich ein Wunder. Einfach nur weil es ihn in seiner Einzigartigkeit gibt. Sollte man das nicht ausleben? Ist es nicht schade, wenn dieses Wunder untergeht in einer Gruppe, in der alle zurückstecken, um zusammen etwas zu machen?

Ich glaube, man macht einen Fehler, wenn man hier versucht, ein Entweder/ Oder zu erzwingen, wie es in dem Werbungsbeispiel vorgegaukelt wurde.
In der Gruppe findet man Sicherheit, Halt. Man muss nicht alleine entscheiden und im Zweifelsfall für Fehler alleine einbüßen.
Doch es ist auffällig: Während in der Jugend die Freundeskreise und sogenannte Cliquen nicht groß und verbandelt genug sein können und man Freunde wie Sticker sammelt, um möglichst viele Gleichgesinnte um sich zu scharen, nimmt das im steigenden Alter rasant ab. Die Freunde werden in den meisten Fällen weniger, aber besser. Und vor allem: Je älter wir werden, desto mehr wissen wir sehr genau, dass wir NICHT wie unsere Freunde sind. Man ist und bleibt man selbst, ebenso der Freund, aber glücklicherweise passt man gut zusammen.

Der Selbstfindungsprozess und die Identifikation des eigenen Ichs findet statt, wenn man gemerkt hat, dass Sicherheit und Halt in der Gruppe schön, aber nicht alles sind. Der Mensch ist meistens auf der Suche. Auf der Suche nach sich selbst. Wirklich glücklich und erfüllt kann jemand, denke ich, nur sein, wenn er erkannt hat, was ihn auf diesen Planeten einzigartig macht.

So gesehen ist eine Gruppe nicht einfach eine Ansammlung von Leuten auf einem Haufen. Es sind Individuen mit ihren ureigenen Charaktereigenschaften, Erinnerungen und Erlebnissen, die gemeinsam dem größten gemeinsamen Nenner der Menschheit frönen:

Dem Zusammensein.

Mittwoch, 14. Dezember 2011

Smalltalk wird unterbewertet

Ich dachte immer ich kann ihn nicht leiden. Ich hielt ihn immer für überflüssig, oberflächlich, zu offensichtlich frei von Tiefgrund und nur auf Gelaber aus: Den Smalltalk.

Doch hier und jetzt muss ich meine Einstellung zu dem lockeren Geplaudere auf Partys, an der Supermarktkassa oder im Zug noch einmal gründlich überdenken. Zunächst einmal zu den Gründen, aus denen es zu der Abneigung (die ich, wie ich weiß, mit vielen teile) überhaupt kam: Die Erfahrung, dass man in zwei Gesprächsarten aufteilen kann: Gespräch und Smalltalk. Ist das Gespräch in meinen Augen unendlich wertvoll und wichtig, kam mir Smalltalk wie der blöde Stiefbruder vor. In einem Gespräch sprechen beispielsweise zwei Freunde miteinander. Sie tauschen die neuesten Ereignisse und Gegebenheiten ihres Lebens aus, quatschen über dies und das und empfinden dabei: Freundschaft. Verbundenheit. Nähe. Es tut gut, mit einem Freund zu reden, egal über was. Das was man im Gespräch miteinander teilt ist ein weiterer wertvoller Baustein im Fundament der Freundschaft. Ein Fundament, auf das die beiden sich auch am nächsten Tag, in der nächsten Woche, dem nächsten Monat und solange die Freundschaft hält, stützen können werden. Smalltalk ist hier meines Erachtens kaum möglich, je besser die Freundschaft, desto weniger. Denn selbst ein dahingeworfenes "Ja, gut" auf die Frage "Wie geht's dir?" wird bereits vom Freund interpretiert (jaaa auch von den Kerlen unter euch!) und ganz anders bewertet, als würde man nichts über den Freund wissen. Subkontext, zwischen den Zeilen lesen und Empathie unter Freunden nennt sich das. Oder schlichtweg: Man kennt sich halt. Dieses Gespräch ist also wertvoll und oft zehren wir von guten Gesprächen mit unseren Lieben eine ganze Weile.
Übrigens entstehen gute Gespräche natürlich auch mit Nicht-Freunden. Auch diese sind mit Smalltalk nicht vergleichbar, denn gerade Fremden vertrauen wir manchmal unserer allertiefsten Geheimnisse an: Und zwar, wenn wir sie voraussichtlich nicht mehr wiedersehen. Auch diese zähle ich nicht zu Smalltalk.

Soviel zur ersten Gesprächssorte. Die zweite ist nun der genannte Smalltalk. Und der kam mir, unterschieden vom Gespräch, das in freundschaftlicher Verbundenheit stattfindet, geheuchelt, beinahe "falsch" vor. Als ich in Australien war, ist mir aufgefallen, dass dieser dort mehr vertreten ist, als bei uns. Bei uns passiert selbst beim Provinzbäcker in kleinen Dörfchen im Nirgendwo weniger Smalltalk, als in einem großen Supermarkt in Brisbane in Australien.
Was ich nun sagen muss: Ja, er ist oberflächlich. Nein, ich glaube nicht, dass sich die Leute wirklich WIRKLICH darum kümmern, wie es einen geht. (wobei es tatsächlich enorm hilfsbereite und liebe Australier gibt)
Aber ich war noch öfter auf Reisen und habe mit der Zeit den Smalltalk immer mehr zu schätzen gelernt. Auch in meiner Heimatsstadt und eigentlich egal wo, ob im Zug, Flieger oder im Vorlesesaal an der Uni (sehr zu Unfreuden des Dozenten): Er wärmt inzwischen mein Herz. Davon auszuschließen ist übrigens Businesskauderwelsch und Floskeln die zum Schleimen oder zum Aufwerten der eigenen Position gedacht sind. Ich rede von den Leuten, die wirklich einfach nur spontan miteinander plaudern.

Wer gleich nach tiefgründstigem Anlass und Hintergrund sucht, aus dem heraus ein solcher Smalltalk à la "Und wie gehts?", "Ma, das Wetter heut, so schee!"ensteht, der wird vermutlich verächtlich schnaubend scheitern. Aber es gibt einen Anlass. Einen Grund. Und zwar: Wir wollen miteinander reden. Miteinander kommunizieren.

Merkt man, dass, obwohl die Person einen nicht kennt, in diesem Moment tatsächlich gerne mit einem plaudert oder andersherum sieht man, dass sich die ältere Dame wahnsinnig freut, wenn man sie in ein Gespräch verwickelt: Dann tut das gut. Es lässt uns spüren, dass wir letztlich doch alle die selben seltsamen Wesen sind, die diesen Planeten bevölkern. Die einerseits furchtbar vernünftig, rational und analythisch sind. Aber im innersten Kern doch immer noch vor allem nach einem suchen: Menschlicher Nähe und Wärme.

Smalltalk ist die kleinste Ebene, in der, meint man ihn ehrlich, man diese vermitteln kann.
Und übrigens: Gute Gespräche entstehen oft aus ursprünglich intendierten Smalltalk.

Ein Hoch auf den Smalltalk!

Dienstag, 13. Dezember 2011

PC-Getippe: Ist das unsere Zukunft?

Die digitale Welt, in der wir leben. Egal ob es um den Aufbau einer Zeitung geht, Skizzen für Modedesigns oder um die bürokratische Verwaltung: Der liebe Herr Computer ist allgegenwärtig. Handwerkliche Berufe nehmen ab, Massenherstellung in Manufakturen nehmen zu und das was für den Menschen an Tätigkeit übrig bleibt ist: Die Computerarbeit. Bringt diese, besonders für eher Gemütlichkeits-orientierte Bewohner, durchaus Vorteile mit sich (wenig Anstrengung, kann sich den Arbeitsplatz schön und angenehm gestalten, am PC ist alles schön übersichtlich (zumindest übersichtlicher als Papierkrieg Locher gegen Schere.)).
Aber ist das wirklich unsere Zukunft?

Nicht nur der Computer ist ein allgegenwärtiger Begleiter des 21. Jahrhunderts, sondern auch: Die Depressionen. Burnout. Überforderung aufgrund von Unterforderung. Klingt eigenartig? Ist es nicht.
"Also der Beethoven hatte jedenfalls keinen Burnout", meinte neulich ein guter Freund von mir und hat damit die Rädchen in meinem Kopf zum heftigen Rotieren gebracht. Hatte er wirklich nicht, zumindest weiß man nichts davon. Es erscheint aber durchaus schlüssig.  Denn: Was hat Herr Beethoven gemacht? Saß er am PC und rackerte vor sich hin, an Dingen, die eigentlich zu abstrakt für sein Denken waren und immer mit den selben (mit wenig Bewegungen verbundenen), fast schon maschinellen Getippe und Gestarre auf den Bildschirm? Nein. Er klimperte auf dem Klavier. Er schrieb dann wahrscheinlich hektisch ein paar Noten auf. Machte vielleicht einen Spaziergang oder etwas anderes, bei dem er sich sammeln konnte, um sich inspirieren zu lassen und seine Gedanken und Ideen zu ordnen. Und setzte sich wieder an sein Werk. Die Leidenschaft begleitete ihn sicher auf all seinen musikalischen Wegen.

Aber gut, Beethoven war meines Erachtens ein Genie und kaum jemand kann sich mit ihm gleichsetzen. Dann nehmen wir mal die "einfacheren" Leute (ohne tatsächlich ihren tatsächlichen Intellekt, lediglich ihr tägliches Handwerk darzulegen): Schreiner, Schneider, Bäcker, Bauer. Einzige Gemeinsamkeit: Sie haben mit "echten" Dingen zu tun. Und folgen somit um einiges mehr dem, was uns evolutorisch in die Wiege gelegt wurde.
Wäre die Evolution schneller, würde das Herzen des Menschen aufgehen, sobald er ein pdf-File oder gar - oh Freude! - eine Excel-Tabelle vor sich hat. Er würde es lieben abstrakte Skizzen zu entwerfen, die sein Verstand zwar nicht wirklich fassen kann, die er aber gelernt hat, dennoch zu bearbeiten. Er bräuchte nichts zum Anfassen, denn sein Gehirn wäre instinktiv auf das fokussiert, was da vor ihm auf dem Bildschirm läuft.

Aber die Evolution ist langsam. Die fett-triefende Pizza schmeckt noch immer so gut, weil der Körper darauf gepolt ist, möglichst viele Kalorien zu sich zu nehmen, um im Zweifelsfalle genug Reserve zu haben. Ungeachtet der Tatsache, dass eben dieser Zweifels-Reservebedarf-Fall im Leben desjenigen vielleicht oder sogar wahrscheinlich nie eintreten wird. Die Menschen wollen noch immer Sex, selbst wenn sie eigentlich keine Kinder möchten.
Und sie sind meines Erachtens noch immer unbewusst überfordert davon, den ganzen Tag vorm Rechner zu sitzen. Dass aber genau so der Alltag einiger aussieht, führt eben meines Erachtens zu genau den typischen Symptomen unserer Zeit: Unzufriedenheit, depressive Verstimmungen. Man "verlernt" seinen eigenen Körper kennen, sitzt man den lieben langen Tag da. Ein paar präventive Yogaübungen und das individuelle Sportprogramm des Einzelnen können durchaus vorbeugen und helfen. Doch es ist ja nicht so, als würde man sich nicht anstrengen. Die Anstrengung am Computer und generell beim Denken, Entwerfen, Konstruieren und eben alles, was nicht von Hand geht geht zwar nicht auf die Muskeln aber: Aufs Gehirn. Es ist verdammt belastend, sich auf längere Zeit zu konzentrieren. Erfolgserlebnisse? Nur sehr abstrakt und dadurch, zumindest für unsere "ureigenen" Sinne, die auch entsprechende Glückshormone herbeirufen würden, nicht so verwertbar, wie Erfolgserlebnisse im "echten Leben". Der Mensch ist viel einfacher, als er es heutzutage gerne wäre: Wenn er etwas fertiges sieht, das er gemacht hat, freut er sich. Daten lassen sich nicht anfassen und ihre Natur entspricht nicht der unseren. Egal wie lange man an etwas geschrieben hat; stürzt der Computer ab, ist alles weg. Das soll ein Gehirn mal begreifen.
"Innere Erschöpfung" nennt man in der Fachsprache den Zustand, in den wir uns derzeit viel zu oft selbst führen, indem wir uns vom Handwerker zum Programmierer von Maschinen entwickelt haben.

Liegt hier unsere Zukunft?
Ich glaube nicht.
Man wird Lösungen finden. Wege, wie wir lernen werden, uns körperlich und geistig zu betätigen, ohne dabei auf intellektuellen Anspruch verzichten zu müssen. Ist die Wii ein erster Anfang, derzeit noch rein auf Spiel und Spaß ausgelegt? Vielleicht, das kann man nicht wissen.

Im Büro im Jahre 2100 hüpfen die Leute vielleicht in ihrem Büro herum, um über Bewegung ihre Ideen auf virutellen Riesenflächen zu skizzieren. Sie werden vielleicht mit 3D-Brillen durch Städte laufen, um dort die Skizzen für künftige architektonische Bauwerke zu entwerfen.

Was auch immer der Mensch sich noch so einfallen lässt, er wird letztlich seinen Wurzeln folgen.
Es bleibt spannend, soviel ist sicher.

Mittwoch, 23. November 2011

Freunde-Finden leicht gemacht?

Ich bin verwirrt. Manchmal scheint es, als hätten sich die Zeiten schneller gewandelt, als wir mitdenken können. Gutes Beispiel: Freunde finden. Ich kann mir vorstellen, dass man sich früher wirklich schwer getan hat, wenn man umgezogen ist. Ok, während die einen sofort von einem Universitäts-Stundenplan nahtlos eingenommen und diversen Kommilitonen/innen in die Arme geschlossen wurden, hatten es manche vielleicht nicht so einfach: Die, mit einem Job ohne sonderlich vieler Gleichaltrigen. Die, die nicht am liebsten jeden Abend fortgehen, um sich an der nächstgelegenen Bar mal eben ein paar Saufkumpanen zu erwerben.

Folgt man der Internet- bzw. Vernetzungslogik und dem Geiste unserer Zeit, ist das alles kein Problem mehr: Diverse Portale, allen voran möchte ich hier einmal Couchsurfing.org erwähnen, schaffen Abhilfe. Zumindest ist das das Ziel dieser Internetcommunities. Während man sich früher vielleicht noch eher zu sehr in Internetfreundschaften verstrickt und damit ein wenig die Realität ausgeblendet hat (diverse Online-Roleplaygames wie WoW lassen grüßen), dienen diese Portale einem ganz anderen Zweck: Reine Vermittlung für das sogenannte "Real Life". Es lassen sich Treffen arrangieren und sogar ganze Reisen, bei denen man bei anderen übernachten kann. Ebenso kann man Leute "hosten", will heißen, ihnen ein nettes Schlafplätzchen bieten.
Ist das nicht toll?

Ja und genau an dieser Stelle bin ich verwirrt: Ist es toll? Die Idee grundsätzlich: Auf jeden Fall. Meine Erfahrungen damit bisher: Ebenfalls. Meistens.
Doch das liegt vielleicht daran, dass ich trotz Fröhlichkeit und Optimismus eine gewisse Skepsis in mir trage. "Have a coffee" steht in meinem Profil, bedeutet: bei mir kann man nicht übernachten. Das liegt nicht daran, dass ich keine Gäste mögen würde. Vielleicht ein bisschen an der Größe unserer Wohnung (nicht groß). Primär aber bin ich leider altmodisch:
Ich kenn den doch garnicht.

Denn hier, genau hier, weiß ich nicht: Ist das jetzt so, kann in der heutigen Zeit einfach jeder mit jedem? Sich treffen, bei einander schlafen, Dinge zusammen unternehmen?
Früher knüpfte man Freundschaften und investierte viel Zeit und Mühe, um Menschen zu finden, die zu einem passen. Erübrigt sich das heute?
Das klingt nun wieder skeptischer, als es gemeint ist. Ich bin mir einfach nicht sicher. Wie aufgeschlossen muss, sollte oder darf man sein? Ist es naiv oder ist es "openminded", jemand Fremden bei sich aufzunehmen und Zimmer, Bad und Kühlschrank mit ihm für zwei Nächte und zwei Tage zu teilen?
Ist das die neue Form, Freundschaften entstehen zu lassen?

Ich muss sagen, meine besten Freunde habe ich primär so kennen gelernt, wie eh und je, wie schon unsere Eltern, Großeltern und alle vor uns:
durch das Leben. Durch die gleiche Theatergruppe, Universität, Sportkurse oder sogar im Supermarkt. Und dann eben über Freundesfreunde.
Letztlich ist es wohl wie beim Verlieben: Da muss ein bestimmter Funke überspringen, bei dem zwei Menschen merken: Hey du und ich, wir könnten echt Freunde werden! Und solang man nicht zu viel von Internetcommunities erwartet, kann sowas natürlich auch dadurch entstehen. Kann aber meines Erachtens genauso wenig erzwungen werden. Für mich wäre es jedenfalls keine idiotensichere Methode, Leute zu finden, die zu mir passen. Da hat das Leben einfach noch ein zu großes Wörtchen mitzureden. Und die Chemie. Und eben alles. Nur nicht die rationale Entscheidung "Ich such Freund, du suchst Freund, Folgerung: Lass uns Freunde sein!"

Gibt es einen RICHTIGEN Weg, Freunde zu finden?
Wahrscheinlich nicht. Denn sobald man sagen kann "Ähm woher kennen wir uns nochmal? Hm ich weiß garnicht mehr GANZ genau... wie war das überhaupt nochmal ohne ihn/sie?"

Da weiß man: Das ist ein wahrer Freund geworden, ein Teil des eigenen Lebens. Wie auch immer.

Montag, 14. November 2011

Wann ist "irgendwann mal"?

"Das müssen wir unbedingt mal machen." Kommt Ihnen der Satz bekannt vor? Mir auch. Im Laufe der Zeit sammelt sich eine Menge an, das in diesem Moment aus welchen Gründen auch immer nicht machbar ist, aber auf jeden Fall mal gemacht werden will. Sei es der Kochabend mit Freunden, gemeinsam zum Yoga zu gehen oder eine Reise. Manches macht man tatsächlich und manches.. nicht. Man träumt gerne vor sich hin und egal ob gemeinsam oder allein: Dinge, die wir irgendwann einmal gerne tun möchten, können den Tag durchaus erhellen. Eben weil man noch so viel tolle Möglichkeiten hat, noch soviel, worauf man sich freuen kann.


Doch manche sehen es anders: Man will, aber man macht einfach nicht. Weil es da einen inneren Schweinehund gibt, der Abwechslung, Neues und den Aufwand, den das bedarf, einfach nicht mag. Er möchte gern in seiner Hütte bleiben. Die kennt er, da weiß er auch, dass ihm nichts passiert.


Zwar erleben erstere Dinge, die man "irgendwann mal tun möchte" schon im ungetanen Zustand positiver, als die chronisch Unzufriedenen mit dem Ist-Zustand. Doch beiden muss man die Frage stellen:
Wann ist denn irgendwann?


Es ist absolut legitim und schön, einfach nur Träume zu haben, die niemals wahr werden müssen (siehe Blogpost "Müssen Träume wirklich wahr werden?"). Doch irgendwo ist da ein recht schmaler Grat: Die Grenze zwischen Traumtänzeranien und Hättichdochnur-Land. Wenn man immer alles auf die lange Kante schiebt und auf den "richtigen Moment" wartet wird vielleicht irgendwann sehr überrascht sein: Dieser ominöse "richtige Moment" ist mit Sicherheit existent. Nur nicht unbedingt für uns sichtbar. Auf uns könnte es gemeinhin so erscheinen, als träte der "richtige Moment" leider eher selten in unser Leben. In Wahrheit erkennt man ihn wohl meistens erst nachdem man etwas gemacht hat. Unsicher, ob es richtig ist, Sprung ins kalte Wasser und dann die Erkenntnis: "Aha! Ich musste es einfach ausprobieren. Es einfach MACHEN."


Welche Ihrer Träume Sie wahr machen wollen und welche Punkte sie endlich von der "Wanna Do"-List streichen wollen, entscheiden Sie letztlich selbst. Doch kaum etwas befriedigt so, wie sich einen lang gehegten Wunsch endlich zu erfüllen. Ein Projekt endlich anzugehen.


Denn in diesem Moment packen Sie ihr Leben an. Viel Spaß!

Donnerstag, 10. November 2011

Die rote Ampel

Es war einmal eine grüne Ampel. Sie begann schon zu blinken, um zu signalisieren, dass sie bald wieder auf rot schalten würde. Ich hatte keine Lust zu rennen, also ging ich gemütlich dorthin und: Sie war rot, als ich ankam. Ich wartete eine Weile, bis sie wieder grün wurde und dieses Mal konnte ich in Ruhe die Straße überqueren.
Anders als eine junge Frau im Business-Look (Schickes Kostüm, teure Lederhandtasche, perfekt gestylte Frisur und jede Menge Makeup). Diese hätte sich wohl fast entweder das Bein oder den Absatz (oder beide gebrochen) als sie mit den, zum Rennen denkbar ungeeigneten, weil recht hohen, recht dünn-absätzigen, High-Heels los sprintete, um ja auch genau diese Ampel überqueren zu können.
Nur lustig: Wir hatten den selben Weg und spätestens fünf Minuten nach der Ampel waren wir wieder auf selber Höhe.


Ich gebe zu, es gibt sicher spannendere, anregendere und schönere Geschichten als diese. Aber diese Situation hat mich zum Nachdenken gebracht. Über Ampeln, über Zeit und darüber, wie wir unser Leben leben. Die Frage, die sich stellt ist irgendwie:
Soll man rennen, um sich Ampeln anzupassen, oder geht man eben seinen Weg und wartet geduldig, wenn sich etwas in den Weg stellt?
Mit anderen Worten: Haben wir es eilig?


Es begann schon nach der Schule. Davor hatte man eine gewisse Narrenfreiheit, denn der Abschluss musste ohnehin erstmal gemacht werden. Da biss die Maus keinen Faden ab und Alternativen wie "Ich brech die Schule ab und geh zur Schauspielschule" waren wohl eher.. naja, das tat doch eigentlich kaum wer. Schulabschluss ist etwas so Fundamentales, das die meisten sich eher gerne daran festzuhalten scheinen. Dieses Ziel ist gewissermaßen noch "idiotensicher" und garantiert richtig.
Ab da wird es komplizierter mit der Zeit: Schon hier gab es wilde Diskussionen zwischen denen, die "erstmal ein Jahr chillen/ins Ausland/ sich orientieren" wollten und denen, die eifrig ein Jurastudium begannen (wobei die wenigsten davor Poster von Paragraphen und Klauseln überm Bett hängen hatten. Grund des Studiums war eher: es war halt einfach vernünftig so).
"Ihr verschwendet eure Zeit! Wertvolle Jahre!", wurden die "Chiller" angeklagt.
"Ich find schon, was ich machen will, wenn's so weit ist!", war die Antwort.
Verunsichert waren die meisten. Welcher war denn nun der richtige Weg? Konnte man Jahre verlieren?
Konnte man Zeit verschwenden und war es schlimm, erst ein, zwei Jahre später mit abgeschlossenem Studium ins Berufsleben einzusteigen?
Die weitaus verwirrendere Frage stellten sich manche, aufgrund der Unglaublichkeit dieser, gar nicht erst: Was wenn gar nicht studieren? Quer einsteigen? So viele Ampeln abwarten, bis selbst dafür die richtige schaltete?


Ist es das Ziel, möglichst schnell am Ziel anzukommen, oder ist mehr "der Weg das Ziel" wie man so schön sagt? Man stelle sich eine gerade Strecke vor, zwei Menschen am Anfang dieser, jede Menge Ampeln dazwischen und am Ende ein Fähnchen, das den Zielpunkt markiert. Beide wollen zum Fähnchen. Wenn die eine Person loshetzt, jedes grüne Licht gerade noch erwischt, und am Ende schwitzend und hechelnd am Ziel ankommt, hat sie es geschafft. Die Frage ist nur: Wie geht es ihr? Sie ist jetzt am Ziel, vor ihr liegt nichts mehr. Alles weitere muss sich erst ergeben. Doch sie ist erschöpft und die Frage ist, wann sie sich soweit erholt haben wird, dass sie weiter kann. Alles in allem war es ein beschwerlicher Weg und all die schönen Blumen am Rand des Weges hat sie vor lauter Stress gar nicht gesehen. Auch nicht die Bäume und die Vögel, die da gezwitschert haben, die hat sie schon gar nicht gehört.
Die andere Person ging ihren Weg gemächlich. Nicht übertrieben ruhig, aber sie nahm sich ihre Zeit. Am Ende gelangte auch sie ans Ziel. Hatte bis dahin aber schon jede Menge neue Ideen, wo es als nächstes hingehen sollte. Es gab ja bei all den roten Ampeln viel Zeit, um ein wenig still zu stehen, um sich zu blicken, zu genießen und nachzudenken.
Vielleicht geht es im Leben gar nicht darum, möglichst schnell anzukommen und ja nie stehen zu bleiben. Vielleicht ist das Stehen einer der Teile, die man auf keinen Fall missen sollte. Das Leben ist mehr als ein Rennen zum Ziel.


Ärgern Sie sich also nicht über die nächste rote Ampel. Schließen Sie die Augen, lächeln Sie und nutzen sie die Zeit, um einfach mal zu ruhen.

Montag, 31. Oktober 2011

Von künstlichen Sehnsüchten

"Ich war noch niemals..."


Früher waren die Leute arm dran. So ganz ohne Internet fehlte es an einer entscheidenden, weil einfachen und unumständlichen Art, sich zu informieren. Über aktuelle News, über Fragen aller Art und ganz besonders: über die persönlichen Möglichkeiten.
Doch Fluch oder Segen: Das ist hier die Frage.


Überall "schicksalhafte" Begegnungen
Was einem früher schicksalhaft in Form eines Aushangs am schwarzen Brett begegnete ("Suche Bandmitglied, Gitarre, bitte melden!"), lauert heute hinter jede Ecke. Egal welchen Suchbegriff man bei Frau Google eingibt, man wird hundertprozentig fündig. Solange es sich hierbei um die Wohnungssuche oder genauere Infos (wobei man auch hier bezüglich Glaubwürdigkeitsgrad aufpassen muss) handelt, ist alles schön und gut.
Doch schon bei der Jobsuche fängt es an und nimmt seinen Lauf was Freizeitbeschäftigungen und weitere Lebensgestaltungsmöglichkeiten angeht.
Die Rede ist von: Auslandsjob. Auslandsaufenthalt generell. Doch nochmal studieren? Was anderes studieren? Studium schmeißen und die Ausbildung anfangen, die so viel mehr nach dem klingt, was man immer schon mal machen wollte? (insbesondere in Phasen, wo das Studium grad nicht mehr so taugt wie einst)
Vielleicht gar alles aufgeben und genau wie der Typ, der da von sich schreibt, sich einfach nur noch auf das Verfassen des ersten Romanes konzentrieren?


Muss man alles wollen?
Die Wahrheit ist: Die Möglichkeiten sind grenzenlos. Aber nicht unser Wille.
Der Mensch ist ohnehin schon ein Herdentier: Einfach bei SEINER Sache zu bleiben, ohne sich von anderen und ihren Zielen beeinflussen zu lassen, fällt so schon schwer. Wenn man da noch ständig vor Augen geführt bekommt, was man denn noch so machen könnte, sonst könnte man ja am Ende etwas -  oh Graus! - verpassen, kann am Ende sogar Angst einjagen.
Aufeinmal ist man voller Tatendrang. Was hat man nicht schon alles an Chancen an sich vorbeiziehen lassen. "Ich war noch niemals in New York", trällert Udo Jürgens leise im Hintergrund, wie wir Job schmeißen und den Flug in ferne Ziele buchen. Um "uns selbst zu finden", so heißt es doch so schön.
Doch Vorsicht. In eben jenem fernen Land kommt oft der Gedanke: "Ja, aber eigentlich, wars doch zuhause ganz schön..."


Künstliche Sehnsüchte
Es entstehen da künstliche Sehnsüchte, die nichts mit unseren eigenen Wünschen zu tun haben. Nur mit Eindrücken, die uns suggerieren: "Der hat es offensichtlich besser als ich! Der macht was aus seinem Leben. Der ist bestimmt glücklicher". Doch: Was jemand anders will und dessen Ideal und Traum ist, von dem er munter im Internet berichtet, muss es nicht für uns sein. Egal ob Weltenbummler, Karrieremensch oder kreativer Bastler: Man kann sich geradezu in Depressionen stürzen, wenn man nicht frühzeitig erkennt, dass man eben eine ganz eigene Person ist. Nur weil man alles kann und darüber Bescheid weiß, heißt das nicht, dass man auch alles will.


Natürlich gibt es auch hier nicht nur schwarz und weiß und die Reise in das ferne Land kann dennoch der Seele und dem eigenen Horizont sehr gut tun. Ausprobieren ist sicher nicht falsch.
Solange man nicht vergisst, dass es genauso gut sein kann, dass das eigene Leben bereits passt wie es ist. Auch ohne Zusatzstudium und Auslandsjahr. Es ist legitim, manche Chancen und Möglichkeiten an sich vorbeiziehen zu lassen, wenn man bereits im Hier und Jetzt zufrieden ist und es einem an nichts fehlt. Die Wünsche und Ziele der anderen müssen nicht automatisch den unseren entsprechen, selbst wenn sie sich noch so "cool und weltgewandt" anhören.


Denn glücklicher als glücklich kann man auch nicht werden.

Mittwoch, 26. Oktober 2011

Hatte Disney doch Recht?

Um das mal gleich vorweg zu nehmen: Nein, ich spreche nicht vom Disneyschen Frauen-Mann-Bild (Mann: groß, Beschützer; Frau: zart, zu beschützend; alle hübsch). Auch spreche ich nicht davon, in jeder Lebenslage ein passendes Liedchen zu trällern (wobei sich das in den aktuelleren Filmen eh gegeben hat, soweit ich das mitverfolgt habe).


Ich spreche mehr von dieser nahezu naiven und unvoreingenommenen Sicht der Welt. Denn was uns als Kindern vollkommen klar war, hatte etwas Beruhigendes: Es gab im Leben Gutes, auf das man einfach vertrauen konnte. Diese unbändige Freude auf etwas, dieses Glück, allein beim Anblick eines neuen Spielzeugs/ frischem Milchreis/ was auch immer man so gerne mochte. Warum genau sollte man das jetzt eigentlich nicht mehr haben?


Klar, vieles dieser Lebensfreude hatte einfach mit dem Kindheitsalter zu tun. Doch ich glaube allein darauf lässt sich das Ganze nicht abwälzen. In unserer Zeit von Zynismus, Skepsis und Ironie bishin zu verschärftem Sarkasmus bleibt irgendwie wenig Raum für das, was doch eigentlich glücklich macht: Naiv sein.
Einfach mal sich freuen. Einfach mal glauben. Einfach mal hoffen. Sich Gefühlen hingeben, sie spüren, ohne zu hinterfragen. Disneycharaktere freuen sich einfach an dem, was sie erleben und glauben immer an das Gute im Leben. Außer die Bösen, aber die werden eh eliminiert.


Was ich hinzufügen muss: Ja, ich liebe Sarkasmus und ja ich bin leidenschaftlich gerne ironisch. Und skeptisch. Wer heutzutage nicht - aber wozu das Ganze?
Und ebenso: Klar wir leben nicht in einer superduper schönen perfekten Welt. Es gibt viel Schlimmes und das lässt sich nicht in ein Disney-Märchenschloss verbannen. Heißt nicht, dass jeder einzelne abstumpfen und zum pessimistischen Zyniker werden muss.
Denn optimistisch und mit Glauben an das Gute kann man doch im Prinzip nichts falsch machen. Denn wer so ist, wird eher helfen, als der pessimistische Zyniker.


Da wäre die Frau, die unsterblich verliebt in einen Mann ist. Sie weiß nicht, ob er ihre Gefühle erwidert. Wie geht es weiter?
a) Sie freut sich am Gefühl und glaubt daran, dass er sich auch in sie verliebt bzw. es im besten Falle bereits ist
b) Sie rechnet sich lieber bereits den Worst Case aus: Er ist nicht in sie verliebt und spielt nur mit ihr. Dazugehörige Tests lassen sich ja prima in Frauenzeitschriften machen, die ihre Skepsis womöglich bestätigen.
Geht die Frau nach Plan a) vor und der Mann will sich dann doch nicht verlieben: Ist sie dann wirklich unglücklicher, als wenn sie sich für Plan b) entschieden hätte? Sie hat sich auf das Gefühl eingelassen, hat eine wunderschöne Höhe erlebt und dann auch eine Tiefe. Was ist besser? Höhen und Tiefen oder Monotonie? (sprich bei Plan b): "Ich habs ja gleich gesagt.")


Augen auf machen und mal raus schaun, wie schön die Welt eigentlich ist. Die hübsche Blume oder den niedlichen Hund überhaupt erst bemerken, statt innerlich schonmal den weiteren Tagesablauf durchzugehen und mentale "to-do-Lists" anzufertigen.
Und einfach mal lachen. Und lächeln. Und laut mitsingen.
Und einfach mal verliebt sein. Komme da, was wolle.
Das Gefühl kann Ihnen keiner nehmen, dieses Glücksgefühl.


Klingt naiv? Klingt uncool?
Probieren Sie's: Denn Ironie und Sarkasmus mögen cool sein und abschirmen aber:


Glücklich machen sie nicht.

Donnerstag, 20. Oktober 2011

Hier und Jetzt ist Alles

Heutzutage hat jeder, der was auf sich hält, eine Menge Ziele. Die Möglichkeiten werden mit Internet und co immer grenzenloser und wir alle sind top informiert über so ziemlich alles, was wir tun könnten. Auslandsemester hier, Freiwilligenarbeit dort und da wäre doch noch dieser Fernkurs zur Fortbildung. Oder wollen Sie nicht gleich ihr eigenes Unternehmen schmeißen? Dank Internet heutzutage mit nur wenig Anfangsinvestition möglich!


In all den Möglichkeiten, die sich da so bieten und die geradezu zu schreien scheinen: "Komm! Pack mich an! Ich bin DEINE Chance!", da kann man leicht mal den Kopf verlieren. Und zwar für das, was wirklich zählt.
Das Glück.


Was ist Glück? Glück ist ein Zustand. Wann empfindet man diesen Zustand? Im Hier und Jetzt. Denn man kann weder rückwärts noch vorwärts fühlen. Und was macht glücklich?
Da wird es komplizierter. Denn zum einen stimmt es: Ziele, Pläne und das Gefühl, etwas langfristig zu bewegen und zu erreichen, machen einen intelligenten Menschen glücklich und steigern höchstwahrscheinlich auch das Selbstbewusstsein, was wiederum - genau - glücklich macht.


Doch was bei all den Zielen, Erwartungen, Ansprüchen und Ehrgeiz manchmal verloren geht, ist gleichzeitig die eigentliche "Geheimzutat" des Glücklich-seins:
Fühlen. Einfach nur fühlen.
Wo bin ich gerade? Wie gefällt es mir hier? Wie geht es mir? Was sehe ich?
Einerseits die Situation um sich herum wahrzunehmen und andererseits in sich hinein zu spüren und statt an Schritt zwei und drei, nur an den gerade machenden Schritt zu denken: Das bedeutet Glück.


Denn was wir mit allen Zielen so anstreben, ist ja das Glück. Es ist ein riesiges Mosaik aus sozialen Kontakten, körperlicher Zustand, wahrgenommene Eindrücke, persönlicher Einstellung etc. Man kann an jedem einzelnen dieser Bausteine basteln, um glücklicher zu werden.
Man sollte nur nicht verpassen, das Glück dann auch zu genießen! Und zwar nicht später, sondern genau jetzt in diesem Moment.


Mir ist das beim Laufen aufgefallen. Denn wenn ich im Nachhinein auf die Route, die ich gelaufen bin, zurücksehe, kommt es mir weit vor.
Doch bei jedem einzelnen Schritt, den ich getan habe, habe ich Glück empfunden und nicht weiter über den weiteren Weg als dringend notwendig gedacht.


Und war glücklich. Im Hier und Jetzt.

Freitag, 14. Oktober 2011

Be yourself, no matter what they say?

Ich bin verwirrt. "Be yourself, no matter what they say" singt Sting in seinem Lied "Englishman in New York". Gleichzeitig heißt es aus allen Ecken: "Lass los, probier Neues aus, lass dich inspirieren!" Man kommt nicht umhin, sich irgendwann zu fragen: Was denn nun? Man selbst sein, oder sich ständig verändern und entwickeln?


Neue Impulse
Denn einerseits hört sich das sehr gut an: Man wandelt sich, kuckt sich Gutes von Anderen ab, möchte an sich arbeiten. Ein Sportmuffel beschließt eines schönen Nachmittags, sich aufzuraffen und kramt die Jogginghose aus dem hintersten Winkel des Kleiderschranks heraus, um sich hinaus für ein paar Laufrunden zu begeben. Ein Workaholic schafft es zur gleichen Zeit, zu schöner Musik und in guter Gesellschaft, das erste Mal seit langem wieder richtig aufzuatmen und sich zu entspannen. Egal, was unser Problem ist, es gibt immer Impulse von außen, denen wir folgen können, um an unserem Problem zu arbeiten.


Oder lieber "be yourself"?
Doch: Dieses Problem ist doch Teil von uns. Würde man dem "be yourself, no matter what..." tatsächlich folgen, so müsste der Sportmuffel sich doch denken: "Ich möchte keinen Sport machen und das ist auch gut so!" Das wäre doch eine selbstbewusste und starke Position und insbesondere, wenn Besagter weder an Übergewicht noch an anderen gesundheitlichen Problemen leiden würde, absolut legitim und gerechtfertigt. Und was mit dem Workaholic? "Ich arbeite viel, aber ich schaffe auch viel und die Arbeit macht mich glücklich!", sagt er und man ist spontan ratlos, um ihm Gegenargumente zu liefern. Denn leidet er weder an Burnout, noch vernachlässigt er im starken Maße seine sozialen Kontakte, was wäre dagegen tatsächlich einzuwenden?


Beides!
Hier ist wohl einfach nur das "Ganz oder Garnicht"-Prinzip nicht angemessen. Natürlich darf ein Sportmuffel Sportmuffel sein. Und natürlich darf ein Workaholic schuften. Jeder Mensch hat ein eigenes Naturell, seine eigenen Wünsche und Ziele. Eine innere Stimme sagt ihm, was er möchte und Gefühle, die er bei seinem Tun und Schaffen hat, geben ihm Recht oder widerlegen das eigentlich Gewollte. Das ist dann wohl das "be yourself". Seinen Weg gehen und das tun, was man selbst für richtig hält und, manchmal noch wichtiger: Was sich einfach richtig anfühlt.


Das Loslassen und sich inspirieren lassen, Neues ausprobieren ist genau das: Ausprobieren. Es heißt nicht, eine Lebensdevise zu übernehmen. Ist bei vielen in Jugendtagen ja bereits schief gegangen, als man merkte, dass man doch nicht ganz so homogen ist in der Clique, in der man ein- und ausging.
Es heißt auch nicht, das Eigene, wenn es sich von dem Neuprobierten unterscheidet, gleich für falsch zu erklären. Man schnuppert einfach nur mal in eine andere Richtung.


Eine stabile Persönlichkeit
Es ist toll, wenn man weiß, wer man ist und was man möchte. Doch in der Welt da draußen gibt es viele große und kleine Dinge, die nur darauf warten, von uns entdeckt zu werden. Das hält das Leben spannend  und tut dem bereits Aufgebauten keinen Abbruch.
Wer wirklich er selbst ist und ein selbstbewusstes und stabile Persönlichkeit verfügt, wird sich nicht einfach von neuem frischen Wind umwerfen lassen. Er wird schnuppern und vielleicht Gefallen dran finden. Vielleicht aber auch nicht. Die Freiheit, genau das herauszufinden, macht meines Erachtens einen wichtigen Teil einer stabilen und gefestigten Persönlichkeit aus. Wie stabil kann sie sein, wenn sich Mauern darum befinden, um ja nichts Neues, Fremdes hineinzulassen?


Stings Song könnte meines Erachtens auch umformuliert werden: "Be yourself, but listen what they say."
Wer weiß, was dann so kommt?

Montag, 10. Oktober 2011

Wenn sich der Sinn noch versteckt

"Na toll, das war ja echt umsonst." Einen solchen enttäuschten oder lustlosen Gedanken hatte jeder schon einmal. Sei es nach einer Vorlesung, deren Inhalt nicht sonderlich spannend erschien oder sei es das Treffen mit einem Freund, von dem man sich mehr erhofft hatte. Auch wenn man einen Nachmittag mal nur mit Träumen verbracht hat oder aber sonst wie das Gefühl hat, oder das Bummeln in den Geschäften am Ende wieder viel mehr Zeit geraubt hat, als man das vorhatte. Es schleicht sich ein ungutes Gefühl ein. Das Gefühl, Zeit verplempert zu haben, die man doch hätte viel besser nutzen können.


Der direkte Nutzen
Ein wichtiger Schlüssel zu einem glücklichen und zufriedenen Dasein ist vielleicht, damit aufzuhören, zu werten. Wir suchen unbewusst und bewusst nach einem tieferen Sinn unseren Tun und Seins. Ein paar meinen damit den Sinn des Lebens, die meisten eher einen weitaus pragmatischeren Sinn. Eine gute Vorlesung beispielsweise hinterlässt das Gefühl, etwas gelernt und Interessantes gehört zu haben. Ein gutes Treffen mit einem Freund enthält eine Menge Austausch und das Aufwerten des eigenen Selbstwertgefühles.


Wer weiß? Niemand.
Doch bei diesen Wertungen geht man davon aus, bereits genau zu wissen, welche Vorteile möglicherweise aus Situationen zu gewinnen sind. Was uns bestimmte Erfahrungen und Erlebnisse "bringen". In unserem Kopf ist eine breite Palette an Sachen, die es zu erringen gibt. Wichtig ist aber, sich klar zu machen: diese Palette ist keineswegs vollständig. Es ist uns oft keineswegs klar, welchen Sinn und welche Bedeutung bestimmte Ereignisse in unserem Leben vielleicht später mal eine Rolle spielen werden. Was, wenn in der Vorlesung ein einziger Satz fiel, an den wir uns erinnern, der uns jedoch später weiterhelfen soll? Was, wenn das Treffen mit dem Freund nur deswegen nicht so gut lief, weil er etwas gesagt hat, das nicht angenehm war zu hören, aber wichtig für unsere weitere Entwicklung? Auch nehmen wir viele Dinge in unserer Umgebung erst im Nachhinein richtig war. Wie schön eine Landschaft oder ein Ort wirklich war oder welche Emotionen in uns aufkamen, als wir dort waren: All das merkt man oft erst im Nachhinein. Nicht während man direkt dort steht.
Natürlich lässt sich das auch auf traurige Erlebnisse anwenden. Zunächst nur ein herber Schicksalsschlag, wachsen wir an diesen.


Nicht erwarten, sondern gespannt sein
Wir sehen nur den Sinn in Dingen, den wir bereits in irgendeiner Form erwartet haben. Wir kennen unsere Zukunft jedoch überhaupt nicht und somit wird uns besagter Sinn in Situationen im Hier und Jetzt noch sehr oft entgehen. Meine Mutter meint oft: "Wer weiß, wozu es noch gut sein wird" und damit hat sie Recht. Einfach sein Leben zu leben und gespannt zu sein, lautet die Devise. Wir sind nicht allwissend und das erlaubt uns viel öfter, als wir es zu lassen, uns einfach mal zurück zu lehnen und abzuwarten.


Denn, egal wie sinnlos und frustrierend etwas im einen Moment erscheint. Seine Bedeutung könnte schon bald direkt vor unserer Nase liegen.

Donnerstag, 6. Oktober 2011

How to be happy

Manche Menschen begegnen einem Tag für Tag mit einem von Innen heraus strahlenden, fröhlichen Lächeln. Die Sonne scheint aufzugehen, sobald sie einen Raum betreten und man fühlt sich automatisch wohl in ihrer Nähe. Sie sind mit sich und ihrer Umwelt zufrieden und das strahlen sie auch aus.
Andere hingegen haben einen relativ gleichbleibenden Gesichtsausdruck aufgesetzt: Irgendwas zwischen neutral, unglücklich, schlecht gelaunt und... müde? Man erlebt sie selten, wie sie mal richtig Spaß haben oder herzhaft auflachen (und selbst dann wirkt es eher wehmütig und im schlimmste Fall gekünstelt) und das Non Plus Ultra aller Antworten auf die Frage "Wie geht's dir?" lautet: "Hm ja, passt schon."

Warum sind manche glücklich und andere nicht?
Doch was macht den Unterschied zwischen den beiden? Werden Menschen als Sonnenscheinchen geboren oder eben nicht? Ist es Veranlagung oder ist es eine bewusste Entscheidung, die man in seinem Leben irgendwann gefällt hat, das Leben positiv anzugehen und einfach GLÜCKLICH ZU SEIN?
Wahrscheinlich ist es von Fall zu Fall unterschiedlich. Rein biochemisch und mit hormon-spezifischen Erklärungen kann man wohl einen Zusammenhang zwischen den Erbanlagen und des persönlichen Glückszustandes bzw. die Ausschüttung vom Glückshormonen wie Seratonin (um eines davon zu benennen) herstellen. Günstige Voraussetzungen gibt es also sehr wohl direkt von Geburt an.

Des eigenen Glückes Schmied
Von da aus geht es hingegen weiter mit dem Leben. Der Mensch sammelt Erfahrungen, Eindrücke, erlebt eine schöne oder weniger schöne Kindheit und ist irgendwann erwachsen und auf eigenen Beinen. Wer nun damit argumentiert, dass halt die glücklich sind, die möglichst viele glückliche Erfahrungen gesammelt haben, der irrt meines Erachtens. Denn genau hier geht es um die Entscheidung.
Anders kann man nicht erklären, dass Menschen mit der gruseligsten Vergangenheit immer noch lachend morgens aufwachen und den Tag begrüßen. Hingegen andere nie wirklich etwas Schlimmes erlebt haben, ein relativ normales und, wenn man es von außen betrachtet, schönes Leben führen, sich stets demotiviert und unzufrieden fühlen und genauso dreinblicken.
Es geht wohl darum, sich dafür zu entscheiden, das Leben positiv zu sehen.

Die Chance, glücklich zu sein
"Be happy": Klingt nach einem blöden Spruch und ist sicherlich nicht gerade das, was einen Depressiven spontane Heilung beschert. Aber mit "Be happy" ist nicht gemeint, einfach mal die Mundwinkel hochzuziehen und einen auf "Mir gehts ja so gut" zu machen. Es ist ein Weg, den man beschließt zu gehen. Kleinigkeiten, Details im Leben wahrzunehmen, wie die Sonne die gerade aufgeht, oder der Geruch der nassen Straße nach Regen. Der Geruch nach Kaffee und Croissants am Morgen, das zarte Gefiedel eines Straßenmusikanten am Abend. Sich an Dingen freuen und vor allem: nicht immer zu erwarten, glücklich zu sein. Sein Leben meistern, neues ausprobieren und anderen Menschen mit Freundlichkeit entgegen kommen. Zu schätzen lernen, was man an seinen Mitmenschen, seiner Situation hat. Und, wenn was nicht passt, zu wissen, dass man Umstände auch anpacken und ändern kann und das gegebenfalls sogar tun. Es gibt eine Riesenpalette an Dingen, die das Leben schöner machen können, wenn man sich selbst nur die Chance gibt.

Die Chance, glücklich zu sein.

Montag, 3. Oktober 2011

Let the Cheese in!

Romantische Picknicks am See. Plätzchen backen und Engerl basteln zur Weihnachtszeit und dazu "Last Christmas" von Wham! hören. Tagebuch schreiben und dabei Herzchen hinein malen.
Klingt schön? Na, wenn Sie ein anerkanntes Mitglied der Gesellschaft sein möchten, das für Intellekt und Tiefgründigkeit geschätzt wird, dann hoffentlich nicht!

Es scheint immer mehr ein Tabu zu werden: Typisch romantisch-verspielte Sachen. Tausendmal in Filmen gesehen und in Büchern gelesen, auf Postkarten gedruckt oder in früheren Poesiealben, scheint vieles wie eine Floskel nur noch abgelutscht und verbraucht. Wer heutzutage romantisch sein will, muss früher aufstehen. Mit einem Candlelight-Dinner überrascht man heute niemanden mehr, greift nur noch in die Klischekiste.

Doch, Ansprüche an ein Date beziehungsweise den Datingpartner mal bei seite, muss das denn wirklich sein? Denn Kitsch und "cheesy" (englisch für schnulzig) haben ihre ganz eigenen Reize. Klar ist subtiler Humor und Sarkasmus cool. Klar leben wir in einer aufgeklärten Gesellschaft, in der man nur hinter vorgehaltener Hand von wahrer Liebe und Träumen vom Häuschen im Grünen spricht.
Es gibt jedoch Momente, in denen der Cheese die köstlichste Speise ist, die man sich in diesem Moment auf dem Teller vor sich nur wünschen könnte. Warm und klebrig serviert, schmeckt er wie Milchreis mit Vanille und Zimt. Oder wie Pudding.
Wenn man zusammen mit dem/der Liebsten auf der Bank sitzt und der Sonne beim Untergehen zusieht. Wenn man, an die beste Freundin gekuschelt und gemeinsam seufzend, einen der alten Liebesfilme mit Julia Roberts ansieht. Oder Titanic, nicht ohne sich verstollen am Ende die Tränen aus den Augen zu wischen. Und die Gefühle, wenn man ein Baby lachen sieht.

Das sind doch so Dinge, die das Leben so viel schöner machen. Denn egal, wie subtil und intellektuell man ist: Letztlich funktionieren wir doch alle gleich und relativ simpel. Der Riesenschwall an Wärme, der einen empfängt, wenn man diese wundervollen Erlebnisse hat, die sich ein Schnulzenautor nicht besser hätte einfallen lassen können, dann ist man einfach nur noch glücklich.

So: Let the Cheese in!

Samstag, 1. Oktober 2011

Die Ära der Luxusprobleme

Lebensmittelunverträglichkeit, spontan auftretender Burnout und Hypochondrismus. "Das hätts früher nicht gegeben!", hört man die ein oder andere ältere Dame sagen und an einem gewissen Punkt kann man ihr zustimmen: Wir leben in einer Zeit der Luxusprobleme.
Als es noch ums nackte Überleben ging oder, vielleicht nicht ganz so dramatisch, einfach nur die Existenzerhaltung eines gutbürgerlichen Lebens, kannten die Leute ihren Platz. Es hatte jeder eine Arbeit und wenn nicht, sollte er sich doch bitte schleunigst etwas suchen. Zu tun gab es ja genug. Gegessen wurde, was auf den Tisch kam. Ich bin mir nicht sicher, wie es damals mit Lebensmittelunverträglichkeiten gehalten wurde, aber ich vermute nicht, dass klein Uwe immer etwas anderes auf den Teller bekommen hat als die anderen (schwerwiegende Allergien natürlich mal ausgeschlossen).

Doch wie ist das heutzutage? Ich spreche hier natürlich nicht von Entwicklungs- oder Schwellenländern, sondern von hier zulande. Mal ehrlich: Es geht uns ziemlich gut. Ein funktionierendes Sanitär- und Sozialsystem, zahlreiche Insitutionen zur Unterstützung bei beinahe jeder Form von Problem und ein immer größeres Bewusstsein und immer offeneres Ohr für unsere Sorgen in der Allgemeinheit. Doch bevor man hier aufhört zu lesen und sich denkt: "Jaja, wir habens kapiert, uns geht es ja sooo gut, die armen Kinder in Afrika, blah...", der sollte bitte dennoch weiterlesen.
Darum geht es mir nämlich nicht.

Ich bin mir nicht sicher, ob es uns wirklich soviel besser geht. Es scheint nämlich viel mehr, als ob der Mensch, sobald Problem a und b beseitigt und gelöst wurden, mit unfehlbarer Treffsicherheit flink Problem c ausgegraben hat. Denn es ist schon auffällig: Grundbedürfnisse gestillt und alle anderen Grundvoraussetzungen für ein stabiles funktionierendes Leben gestellt, treten plötzlich ganz neue Sachen auf: Da wäre der Klassiker, die Depression. Ob sie sich nun im Burnout äußert oder in einer Sinnkrise (wobei man hier garnicht unbedingt von einem entweder-oder-Ausschlussprinzip reden muss): Manchen geht es paradoxerweise genau deswegen schlecht, weil es ihnen so gut geht.
Denn kaum hat man alles, was man braucht, bleibt aufeinmal Zeit, sich zu überlegen, was einem denn sonst noch so fehlt.

Je mehr der Mensch erwartet, jetzt doch eigentlich glücklich sein zu müssen, desto unwahrscheinlicher ist er es denn auch.
Die Folge: Nie zuvor gesehene Zahlen in Kliniken für Depression, Magersucht, Angststörung und co.
Auch Lebensmittelunverträglichkeiten, Allergien und ähnliches sind Dinge, die erst auffallen, wenn man denn mal die Zeit dafür hat.

Einerseits ist es sicher gut, dass sich der Fokus der Allgemeinheit auf Details verbessern kann und nach der Beseitigung grober Rückstände, auch Feinheiten ihre Beachtung bekommen.
Mancher eins hat ja tatsächlich Probleme, die ihm früher genauso zu schaffen gemacht hätten. Nur, dass es damals keinen interessiert hätte. Solchen Menschen kann heute geholfen werden, was einfach nur toll ist.
Dennoch glaube ich, sollten wir uns alle (und damit meine ich eindeutig auch mich) zu mehr Pragmatismus begeben. Manch ein Problem ist erst dann eins, wenn man eins draus macht. Depressionen werden nicht von heut auf morgen vom positiven Denken verschwinden. Aber auch nicht, wenn man sich jeden Tag damit auseinander setzt, warum es einem nur so furchtbar dreckig geht. Wie wäre es mit: Leben anpacken?

Letztlich lernt man damit nämlich wieder eins zu schätzen: Es ist im Grunde schon ein ziemlich schönes Leben.

Dienstag, 27. September 2011

Die Traveller

Man spricht über sie, hört über sie, lernt sie manchmal sogar kennen. Mitten im Zeitalter der Globalisierung, Smartphones und Social Networks macht sich eine ganz neue Form der Gesellschaft und der Lebensgestaltung breit: Die Traveller.

Sie bewegen sich mit kompakten Rucksäcken und pragmatisch praktisch ausgerichteter Kleidung (jedoch nicht ohne einen gewissen "Bohemian Chic" zu bewahren) in aller Herren Länder und sind immer genau da zu Haus, wo sie so eben ihre Sachen auf Bett und Boden verteilt haben. Zahnbürste und Duschgel mal eben im Bad drapiert: schon ist das Hostelzimmer annektiert, ein Zuhausegefühl kann sich nun breit machen.

Wer sind sie und wieso widerlegen sie alle Theorien vom Menschen, der ein Zuhause braucht, der trotz Abenteuerlust und Suche nach neuen Erfahrungen doch immer wieder gern zum Altgeliebten zurückkehrt? Zunächst muss man feststellen: Traveller ist nicht gleich Traveller. Auf meinen eigenen Reisen habe ich bereits die verschiedensten Typen kennen gelernt, von "Ich bin für vier Wochen unterwegs, freue mich aber schon wieder auf Zuhause" bishin zu "Ich habe mir gerade ein neues Visum beantragt, möchte noch ein weiteres drittes Jahr reisen". So unterschiedlich die Typen sind, sie haben alle Gefallen an dieser einen Sache gefunden: dem Leben eines Reisenden. Man hat nur das Nötigste dabei, das sich im Rucksack befindet, aus dem man lebt. So ganz ohne zu putzende Wohnung und fixen Alltagsroutinen ist der Geist aufeinmal frei. Es gibt eine kurze Phase der Überwindung, des Unglaubens und der Verwirrung, und dann plötzlich hat man es kapiert: Ich bin hier und die Welt direkt vor mir! Wie noch nie zuvor öffnet man die Augen und will leben. Sehen. Verstehen. Erleben. Und Menschen kennen lernen, Erfahrungen sammeln.
Wie man dann so dasitzt, im bereits ein wenig mitgenommenem T-Shirt, das man aus dem vorvorherigen Ort im Supermarkt gekauft hat, im Kreise von Leuten, die alle von einem anderen Kontinent stammend und trotzdem munter gemeinsam in der Verbindungssprache Englisch plaudernd, erkennt man sich aufeinmal selbst nicht mehr. Denn man hat sich weiter entwickelt und merkt: Ich bin so viel mehr als die Rolle, die ich zuhause eingenommen habe.

Doch was ist mit den Leuten, die gar nicht mehr aufhören zu reisen? Die nicht seit Wochen, nicht seit Monaten, sondern seit Jahren unterwegs sind, mal hier länger bleiben, mal dort einen Job annehmen, aber letztlich immer weiter ziehen? Es sind wohl die Neuzeit-Nomaden. Ich selbst bin keine von ihnen, denn egal wie schön die Erfahrungen und Erlebnisse und wie wichtig die Horrizonterweiterung, ich weiß: ich brauche meinen Platz irgendwo. Brauchen den die anderen denn nicht?
Denn einerseits lernt man Menschen kennen, die einen in der eigenen Denkensweise weiterbringen und außerdem, auf eigenen Füßen zu stehen. Frei und man selber zu sein. An einem Zuhause und Menschen, die einen letztlich aufatmen und sich fallen lassen, fehlt es jedoch.

Vielleicht ist für die Erweiterung des Horizonts und das Finden der Gangart, wie man den eigenen Lebensweg meistern möchte, genau das, wofür es sich eine Weile altgewohntes aufzugeben lohnt. Es gilt aufzupassen, sich nicht selbst zu verlieren, doch wer nicht vergisst, wer er ist, der wird einen Platz finden. Und den Rucksack wieder auspacken, gefüllt mit besagtem T-Shirt und einem Riesenbündel an Geschichten, Erlebnissen und Weisheiten, die einem für immer bleiben werden.

Denn das Reisen ist ein Geschenk. Ein Geschenk an die Seele und den Geist, das eigene Leben nochmal ganz anders zu betrachten und neue Wege auszuprobieren.

Freitag, 2. September 2011

Angst vorm Fliegen

Er ist verschrien, er ist unbeliebt und keiner will in ihn geraten: der Alltagstrott. Immer dem selben nachgehen, an den selben Orten mit den selben Tätigkeiten und selbst die Abwechslung (Hobbies, Ausflüge etc.) ist doch irgendwann einmal "immer das selbe". Auf kurz oder lang ist der Mensch ein Gewohnheitstier, der, wenn er einmal ein funktionierendes Gesamtsystem und einen Platz im Leben gefunden hat, in und an dem er sich wohlfühlt, auch nicht mehr so schnell davon weicht.

Doch freiwillig oder unfreiwillig: Neue Dinge passieren. Ganz egal ob Schwangerschaft, Reise, neue Liebe oder Trennung von der alten: Aufeinmal ist der "Trott" passé.


Geliebtes altes Sofa
Sehr oft wird uns erst bei einer anstehenden Veränderung klar, dass wir unser Leben eigentlich gut finden, so wie es ist. Der eigene Alltag kommt einem vor wie ein altes, abgesessenes Sofa. Es ist nicht mehr schön, es sind schon viele Flecken drauf und da wo Leute gesessen haben, sind Dellen. Doch wenn es darum geht, das Sofa aus dem Wohnzimmer zu verbannen und einen neuen Kollegen aufzustellen, da protestiert es in uns laut auf. "Nein, ich will das so. Das war immer gemütlich so, das soll so bleiben", motzt eine Stimme, die sich absolut sicher ist, was sie will. Man selbst, gerade im Ikea-Katalog nach einem neuen Sofa blätternd, kratzt sich nur verwundert am Kopf. Wie kann sich der da so sicher sein? Denn eigentlich lautete der bis gerade eben vorherrschende Gedanke: "Sofa alt, Neues muss her."


Träumen selber ist nicht schwer, umsetzen dagegen sehr
Auch beim Reisen ist der Grundgedanke: Neues sehen, Eindrücke gewinnen, Erfahrungen sammeln und fremde Kulturen erleben. Ob abenteuerlich als Jugendherbergen-Backpacker oder eher gemütlich als Hotel-Kofferant: Man will sich auf ein neues Land einlassen und exotische, fremdartige Luft schnuppern. Noch glückstaumelnd den Flug gebucht und wie frisch verliebt vom anstehenden Trip träumend, Bilder im Internet schwärmerisch verfolgend, ändert sich der Zustand bei mancher eins schlagartig: Nämlich sobald sich besagter Trip nähert. Denn die Zeit vergeht wie im Fluge und plötzlich ist klar: "Morgen fliege ich."
Und da wird es sehr ambivalent. Die Vorfreude ist noch da, klar. Doch aufeinmal kommt sie wieder daher, diese Stimme die wir noch vom Sofa(nicht)kauf kennen: "Also eigentlich ist das doch grad echt nett hier. Du hast doch hier alles was du brauchst. Und grad eben ist es sooo schön daheim. Was willst du denn jetzt groß weg? Jetzt sei doch mal vernünftig, das ist doch Quatsch."


Angst vor Neuem
Das was uns zur Flugbuchung getrieben hat, was uns zu letztlich jeder Entscheidung zu neuem im Leben treibt, sind unsere Träume. Unsere Wünsche und Sehnsüchte. Doch bei der Umsetzung der Träume haben viele Menschen eins gemeinsam: Die Angst vorm Fliegen. Gemeint ist hier nicht die Angst davor, ins Flugzeug zu steigen. Sondern die Angst vor Neuem.
Denn egal wie trottig dem Menschen sein eigener Alltag vorkommt: Etwas Neues bringt eine Menge nicht einschätzbarer Faktoren mit sich. Und die sind dem Mensch immer zunächst einmal vor allem eins: Unabhängig und wenn möglich zu vermeiden. (Nicht umsonst verdienen sich Verlage an Reiseführern und -ratgebern dumm und dämlich)
Zum fliegen muss man seine Flügel ausbreiten und: Springen. Genau davor haben Menschen, verständlicherweise, Angst. Sich auf etwas Neues einzulassen und von Altem loslassen. Neue Erfahrungen bringen zum Nachdenken und neue Erlebnisse locken Gedanken und Gefühle in uns hervor, zu denen wir im Alltag keinen Zugang hatten.

Doch nur wer sich fallen und einlässt auf ein Abenteuer, kommt im Leben weiter. Neue Liebe, neue Reise, neues Sofa: Egal. Nichts muss für die Ewigkeit seien, doch neue Impulse bringen frischen Wind und damit Luft zum Atmen.

Auf Dauer ist Glück wahrscheinlich die exakte Balance zwischen Neu und Alt. Dem alten Sofa und der Abenteuerreise. Und dann lernt man es: Das Fliegen.