Samstag, 29. November 2014

Arme Generation Y?

Also, ich muss jetzt mal ein Wort für meine Leute einlegen. Meine Leute, das ist die mittlerweile verschrien-bekannte Generation Y. Per Definition all jene Menschen, die zwischen den 70ern und bis in den Anfang der 90er Jahre hinein geboren sind. Mit meinem Geburtsdatum darf ich mich zu dieser ominösen Gruppe zählen.

In einem jüngst publizierten Artikel in der Welt doziert ein Hobbyphilosoph anhand vieler hübscher Bilder, weshalb ich und meine gesamte Generation "so unglücklich sind". Gut, dass sich da mal einer äußert. Bis dato war mir nämlich gar nicht bewusst, dass wir so unglücklich seien, geschweige denn warum. Der Autor kam jedenfalls zum Schluss, dass wir uns eine bunte ekstatisch florierende Blumenwiese wünschen, jedoch entgegen unserer Eltern nicht bereit sind, für diese zu arbeiten und sie uns selbst zu verdienen. Stattdessen solle uns bitte alles ins offene Maul fliegen.

Hinsichtlich der Frage, woraus diese bunten Blumenwiese für jeden Einzelnen von uns besteht, ist der Autor überzeugt: Eine himmelhochjauchzende Karriere inklusive Glanz und Gloria. Ich stelle nun eine gewagte Hypothese auf: Das ist Bullshit. Mit einem mag der Autor vielleicht Recht haben: Viele von uns wollen kein langweiliges Mittelmaß, sondern etwas erleben. Spannung, Spaß und vielleicht noch Schokolade.

Dank der zumindest in unseren Breitengraden verwöhnten Kriegs-befreiten Wohlstandsgesellschaft, in die wir hineingeboren wurden, müssen wir nur noch aufgrund selbsterlegter No-Carb-Kasteiungen um unser täglich Brot bangen und können uns auf tiefere Lebenssinne und, ja, höhere Wünsche einlassen. Als Regenbogen-speihende Einhörner stellen die anrührenden Grafiken im Artikel diese Wünsche dar. Aber wer sagt denn a) dass das eine beispiellose Karriere sein muss, die mich berühmter als Angela Merkel und Miley Cyrus zusammen macht, und b) dass ich mein kotzendes Einhorn nicht schon gefunden habe?

Ich schaue mich um und muss sagen: Eine verzweifelt, blind nach unrealistischen Hoffnungen strebende Generation sieht für mich anders aus. Da ist die eine Bekannte, die von Timbuktu, nach Thailand, nach Australien und wieder zurück reist und dabei das tut, wovon sie schon als kleines Mädchen träumte: Die Welt erkunden. Das Geld dafür verdient sie sich hart beim Kellnern. Das ist es ihr wert. Wann immer ich sie treffe, wirkt sie sehr ausgeglichen und glücklich.

Ich sehe eine alte Schulfreundin, die Lehrerin wird und derzeit ihr Referendariat absolviert – auch sie ist happy, sie sagt, sie hat eindeutig den richtigen Beruf gewählt. Immer mehr kriegen auch langsam Kinder. Die scheinen ziemlich müde aber auch ziemlich erfüllt zu machen. Überhaupt kenne ich mehr Gleichaltrige mit abgeschlossenen Ausbildungen und glücklich stimmenden Jobs und/oder Familien, als jene Sinnsuchende und faule Kollegschaft, von der der Autor berichtet.

Vielleicht meint der Autor, dass wir uns alle selbst belügen und in Wahrheit ganz was anderes wollen. Nun, dann und wann liebäugelt man sicher mal mit einer anderen Realität, einem Abenteuer. Ich frage nur: Wer tut das bitte nicht? Wer weiß denn, ob sich nicht auch vorangegangene Generationen ganz tief drinnen ab und an nach mehr gesehnt haben, als das, was sie ihr Tagwerk nannten?

Aber wir wollen ja nicht so sein. Man darf Hobbyphilosophen schließlich nicht ihr Lieblingsspielzeug wegnehmen: Über unsere arme Generation Y zu sinnieren.