Dienstag, 27. September 2011

Die Traveller

Man spricht über sie, hört über sie, lernt sie manchmal sogar kennen. Mitten im Zeitalter der Globalisierung, Smartphones und Social Networks macht sich eine ganz neue Form der Gesellschaft und der Lebensgestaltung breit: Die Traveller.

Sie bewegen sich mit kompakten Rucksäcken und pragmatisch praktisch ausgerichteter Kleidung (jedoch nicht ohne einen gewissen "Bohemian Chic" zu bewahren) in aller Herren Länder und sind immer genau da zu Haus, wo sie so eben ihre Sachen auf Bett und Boden verteilt haben. Zahnbürste und Duschgel mal eben im Bad drapiert: schon ist das Hostelzimmer annektiert, ein Zuhausegefühl kann sich nun breit machen.

Wer sind sie und wieso widerlegen sie alle Theorien vom Menschen, der ein Zuhause braucht, der trotz Abenteuerlust und Suche nach neuen Erfahrungen doch immer wieder gern zum Altgeliebten zurückkehrt? Zunächst muss man feststellen: Traveller ist nicht gleich Traveller. Auf meinen eigenen Reisen habe ich bereits die verschiedensten Typen kennen gelernt, von "Ich bin für vier Wochen unterwegs, freue mich aber schon wieder auf Zuhause" bishin zu "Ich habe mir gerade ein neues Visum beantragt, möchte noch ein weiteres drittes Jahr reisen". So unterschiedlich die Typen sind, sie haben alle Gefallen an dieser einen Sache gefunden: dem Leben eines Reisenden. Man hat nur das Nötigste dabei, das sich im Rucksack befindet, aus dem man lebt. So ganz ohne zu putzende Wohnung und fixen Alltagsroutinen ist der Geist aufeinmal frei. Es gibt eine kurze Phase der Überwindung, des Unglaubens und der Verwirrung, und dann plötzlich hat man es kapiert: Ich bin hier und die Welt direkt vor mir! Wie noch nie zuvor öffnet man die Augen und will leben. Sehen. Verstehen. Erleben. Und Menschen kennen lernen, Erfahrungen sammeln.
Wie man dann so dasitzt, im bereits ein wenig mitgenommenem T-Shirt, das man aus dem vorvorherigen Ort im Supermarkt gekauft hat, im Kreise von Leuten, die alle von einem anderen Kontinent stammend und trotzdem munter gemeinsam in der Verbindungssprache Englisch plaudernd, erkennt man sich aufeinmal selbst nicht mehr. Denn man hat sich weiter entwickelt und merkt: Ich bin so viel mehr als die Rolle, die ich zuhause eingenommen habe.

Doch was ist mit den Leuten, die gar nicht mehr aufhören zu reisen? Die nicht seit Wochen, nicht seit Monaten, sondern seit Jahren unterwegs sind, mal hier länger bleiben, mal dort einen Job annehmen, aber letztlich immer weiter ziehen? Es sind wohl die Neuzeit-Nomaden. Ich selbst bin keine von ihnen, denn egal wie schön die Erfahrungen und Erlebnisse und wie wichtig die Horrizonterweiterung, ich weiß: ich brauche meinen Platz irgendwo. Brauchen den die anderen denn nicht?
Denn einerseits lernt man Menschen kennen, die einen in der eigenen Denkensweise weiterbringen und außerdem, auf eigenen Füßen zu stehen. Frei und man selber zu sein. An einem Zuhause und Menschen, die einen letztlich aufatmen und sich fallen lassen, fehlt es jedoch.

Vielleicht ist für die Erweiterung des Horizonts und das Finden der Gangart, wie man den eigenen Lebensweg meistern möchte, genau das, wofür es sich eine Weile altgewohntes aufzugeben lohnt. Es gilt aufzupassen, sich nicht selbst zu verlieren, doch wer nicht vergisst, wer er ist, der wird einen Platz finden. Und den Rucksack wieder auspacken, gefüllt mit besagtem T-Shirt und einem Riesenbündel an Geschichten, Erlebnissen und Weisheiten, die einem für immer bleiben werden.

Denn das Reisen ist ein Geschenk. Ein Geschenk an die Seele und den Geist, das eigene Leben nochmal ganz anders zu betrachten und neue Wege auszuprobieren.

Freitag, 2. September 2011

Angst vorm Fliegen

Er ist verschrien, er ist unbeliebt und keiner will in ihn geraten: der Alltagstrott. Immer dem selben nachgehen, an den selben Orten mit den selben Tätigkeiten und selbst die Abwechslung (Hobbies, Ausflüge etc.) ist doch irgendwann einmal "immer das selbe". Auf kurz oder lang ist der Mensch ein Gewohnheitstier, der, wenn er einmal ein funktionierendes Gesamtsystem und einen Platz im Leben gefunden hat, in und an dem er sich wohlfühlt, auch nicht mehr so schnell davon weicht.

Doch freiwillig oder unfreiwillig: Neue Dinge passieren. Ganz egal ob Schwangerschaft, Reise, neue Liebe oder Trennung von der alten: Aufeinmal ist der "Trott" passé.


Geliebtes altes Sofa
Sehr oft wird uns erst bei einer anstehenden Veränderung klar, dass wir unser Leben eigentlich gut finden, so wie es ist. Der eigene Alltag kommt einem vor wie ein altes, abgesessenes Sofa. Es ist nicht mehr schön, es sind schon viele Flecken drauf und da wo Leute gesessen haben, sind Dellen. Doch wenn es darum geht, das Sofa aus dem Wohnzimmer zu verbannen und einen neuen Kollegen aufzustellen, da protestiert es in uns laut auf. "Nein, ich will das so. Das war immer gemütlich so, das soll so bleiben", motzt eine Stimme, die sich absolut sicher ist, was sie will. Man selbst, gerade im Ikea-Katalog nach einem neuen Sofa blätternd, kratzt sich nur verwundert am Kopf. Wie kann sich der da so sicher sein? Denn eigentlich lautete der bis gerade eben vorherrschende Gedanke: "Sofa alt, Neues muss her."


Träumen selber ist nicht schwer, umsetzen dagegen sehr
Auch beim Reisen ist der Grundgedanke: Neues sehen, Eindrücke gewinnen, Erfahrungen sammeln und fremde Kulturen erleben. Ob abenteuerlich als Jugendherbergen-Backpacker oder eher gemütlich als Hotel-Kofferant: Man will sich auf ein neues Land einlassen und exotische, fremdartige Luft schnuppern. Noch glückstaumelnd den Flug gebucht und wie frisch verliebt vom anstehenden Trip träumend, Bilder im Internet schwärmerisch verfolgend, ändert sich der Zustand bei mancher eins schlagartig: Nämlich sobald sich besagter Trip nähert. Denn die Zeit vergeht wie im Fluge und plötzlich ist klar: "Morgen fliege ich."
Und da wird es sehr ambivalent. Die Vorfreude ist noch da, klar. Doch aufeinmal kommt sie wieder daher, diese Stimme die wir noch vom Sofa(nicht)kauf kennen: "Also eigentlich ist das doch grad echt nett hier. Du hast doch hier alles was du brauchst. Und grad eben ist es sooo schön daheim. Was willst du denn jetzt groß weg? Jetzt sei doch mal vernünftig, das ist doch Quatsch."


Angst vor Neuem
Das was uns zur Flugbuchung getrieben hat, was uns zu letztlich jeder Entscheidung zu neuem im Leben treibt, sind unsere Träume. Unsere Wünsche und Sehnsüchte. Doch bei der Umsetzung der Träume haben viele Menschen eins gemeinsam: Die Angst vorm Fliegen. Gemeint ist hier nicht die Angst davor, ins Flugzeug zu steigen. Sondern die Angst vor Neuem.
Denn egal wie trottig dem Menschen sein eigener Alltag vorkommt: Etwas Neues bringt eine Menge nicht einschätzbarer Faktoren mit sich. Und die sind dem Mensch immer zunächst einmal vor allem eins: Unabhängig und wenn möglich zu vermeiden. (Nicht umsonst verdienen sich Verlage an Reiseführern und -ratgebern dumm und dämlich)
Zum fliegen muss man seine Flügel ausbreiten und: Springen. Genau davor haben Menschen, verständlicherweise, Angst. Sich auf etwas Neues einzulassen und von Altem loslassen. Neue Erfahrungen bringen zum Nachdenken und neue Erlebnisse locken Gedanken und Gefühle in uns hervor, zu denen wir im Alltag keinen Zugang hatten.

Doch nur wer sich fallen und einlässt auf ein Abenteuer, kommt im Leben weiter. Neue Liebe, neue Reise, neues Sofa: Egal. Nichts muss für die Ewigkeit seien, doch neue Impulse bringen frischen Wind und damit Luft zum Atmen.

Auf Dauer ist Glück wahrscheinlich die exakte Balance zwischen Neu und Alt. Dem alten Sofa und der Abenteuerreise. Und dann lernt man es: Das Fliegen.