Samstag, 5. April 2014

Phänomen Hipster?

Ich glaube es ist noch gar nicht so lange her, seit irgendjemand den Begriff zuerst in den Mund genommen hat. Seither schwirrt er durch Straßen und Magazine. Nachdem er zunächst nur die urbane Gesellschaft erreichte, scheint er dank der virtuellen Vernetzbarkeit nun auch zunehmend ländliche Regionen und vielleicht sogar die ganze Welt zu erobern. Die Rede ist vom Begriff des Hipsters.

Der/Die/Das Hipster wird auch von Facebook als eine Erscheinung des frühen 21. Jahrhunderts eingeordnet, deren Angehörige sich durch ein explizites "Szenebewusstsein" definieren und offenbaren. In die zu beobachtende Realität übersetzt heißt das: Farbiges und möglichst seltsam verformt aussehendes Radl, bevorzugt mit Ein-Gang-Schaltung, wenn schon Auto dann aber bitte Elektro (der Hipster ist schließlich umweltbewusst) aber bloß nicht in biederer Optik (es sei denn SO bieder, das es schon wieder hip sein könnte). Der jeweilig drauf bzw. drin Sitzende ist männlich wie weiblich idealerweise mit einem Haarknoten sowie -Reifen und am besten zwei Paar Kopfhörern ausgestattet: Eins zum Hören und eins zum lässig um den Hals arrangieren. Gleich neben dem Pakistani-Tuch, der überdimensionalen Bonbonkette aus Holzperlen und dem Kolibri-Tattoo auf dem Schlüsselbein. Es ist verdammt hart, ein Hipster zu sein.

Ferner bedarf es natürlich auch der richtigen Gangart durchs Leben. Eine rege Teilnahme an allen namhaften Social Media-Institutionen à la Facebook, Youtube und vor allem bitte auch den bei uns noch nicht so verbreiteten wie Pinterest ist unabdingbar. Dort reicht es nicht, nur mehr die so eben ausgeführte Tätigkeit zu posten, viel mehr ist eine kreative Darstellungsweise der Innen- wie Außenwelt durch bis zur Unkenntlichkeit ge-instagramte Fotos sowie das Kreieren interessanter Situationen gefragt, nur um sie schließlich (natürlich nicht sichtbar) stolz den Facebookfreunden und am besten der ganzen Welt zu präsentieren. Da wird gestrickt, gekocht, gemalt und gebacken. Denn was als eine derartig gelungene Dokumentation der eigenen vielseitig kreativen Tätigkeiten könnte mehr von einem erfüllten Leben zeugen? Eben.

Was mich an der ganzen Sache wundert, ist nicht etwa die Frage, wieso Hipster tun was sie nunmal tun. Das zu hinterfragen wäre in meinen Augen vergleichbar mit der Frage, warum ein Traditionalist das Haus am liebsten im akribisch gebügelten Hemd zur Bundfaltenhose und mit fein sortiertem Aktenköfferchen verlässt. Unsere Sicht der Dinge und unser Lebensgefühl spiegeln sich nun mal in dem wieder, was wir kaufen, tragen, machen. Und wenn ich mich als hippe und unabhängige Publizistin fühlen möchte, dann verfasse ich eben einen Blog (ha, ertappt!).

Was mich wundert: Was soll denn jetzt dieser Heckmeck darum und wer kam darauf, dass das Hipsterdasein eine neuzeitliche Erscheinung sei? Ich kann mich nicht fundiertermaßen auf die Zeit vor meinem 6. Lebensjahr berufen. Den sechsten Geburtstag feierte ich allerdings 1996, also streng genommen doch noch vor dem 21. Jahrhundert und ich muss sagen: Die Hipster, die gabs ja schon im Kindergarten.

Da war die Julia, die diesen unglaublich tollen Haarreifen (siehe oben) mit dem Glitzerstern hatte, dessen Erstehensort sie ähnlich dem Hipster, der die Quelle seiner heißesten Vintageteile peinlichst geheim hält, nicht verriet. Dabei lächelte sie in sich hinein - ja, sie fühle sich individuell. Szenemäßig. Hip. Und da war auch der Florian, dessen abgewetzte Hose nicht selten kritische Worte seitens der Erzieherinnen ernteten. Aber Florian wusste schon, warum er sie anhatte. Die Mädels fanden ihn alle toll.

Auch später im Laufe meiner Jugend, die sich zugegebenermaßen bereits im 21. Jahrhundert von statten zog, gab es sie immer, die "Hipster". Es waren nie die, die auf Teufel komm raus versuchten schick (Tussis), cool (Prolos) oder alternativ (seltsame Typen mit Pickeln und schlecht sitzenden Hosen) zu sein, sondern die, die mit Leichtigkeit einen natürlichen Charme mit den perfekten Accessoires kombinieren konnten und am Ende wirkten, als wären sie so, wie sie gerade durch die Straßen mit ihrem Radl tuckerten und selbst gebackenen Muffins (ok, heute wären es wohl Cakepops) in ihrer Häkeltasche transportierten, bereits geboren worden. In ihrer Freizeit verteilten die Plakate von Festivals, damit sie dort umsonst in ihren coolen weil individuell bedruckten Zelten aufwarten konnten, organisierten Slackline-Nachmittage und Karaoke-Abende. Ich war ziemlich neidisch, ich wollte auch so sein. Und so waren es die anderen.

Ohne dass der Begriff Hipster je gefallen wäre. Auf Nachfrage in früheren Generationen konnten auch die sich alle an die Julias und Florians von damals erinnern. Immer schon gab es offensichtlich diese Zauberwesen, die mit einer Selbstverständlichkeit hinaus in den Tag schritten und in ihrer Optik und in ihrem Wesen das Bewusstsein einer ganz eigenen Szene zu prägen vermochten. Somit auch die, die es ihnen verzweifelt versuchten, nachzutun. Irgendeiner fing mal an, sich schwarz anzuziehen und sich Metallringe durch die Nase schießen zu lassen, andere adaptierten es. Ein anderer zog sich die Hosen soweit hinunter, bis kein Gürtel der Welt sie mehr zu halten vermochte und setzt sich das Kapperl schief rum auf. Auch hier folgte eine Heeresschar an Menschen, die dies als nachahmenswert erachteten. Was ist also nun neu daran, wenn jemand sich bunt bekleidet, sauteure aber unbedingt billig aussehende Radln fährt und ausschließlich wahlweise Indie- oder Elektrotönen aus seinen Kopfhörer-Lautsprechern lauscht? Ich bin mir sicher: Hip wollen sie alle sein.

Aber bitte, man soll ja offen sein für Neues und es würde ja langweilig ohne neue Szenebegriffe. Irgendwie müssen wir es ja mit Müh und Not schaffen uns von unserem extrem Ereignis- und Trendreichem Vorgängerjahrhunderts abzugrenzen. Nennen wir sie also Hipster.

Dienstag, 1. April 2014

Menschen wie Wunder

Manchmal begegnet einem ganz unverhofft ein kleines Wunder. Man stolpert so durch den Tag, freut sich hier mal auf die eine Tätigkeit (Essen, die ersten Schritte an der frischen Luft), scheut oder fürchtet sich gar vor der anderen (Präsentation im Seminar). Oftmals "gfreits" einen, wie der Salzburger sagt, schlicht und ergreifend nicht, die nächstanliegende Aufgabe anzupacken. Und dann kommt da dieses Wunder.

Nein, ich spreche nicht von einer sich in zwei Hälften teilenden Salzach gleich der biblischen Durchquerung des Roten Meeres durch die Hand Moses und auch nicht von esoterischen Heilsteinen, Zaubertricks oder ähnlichem Firlefanz (Steinefans bzw. Zauberer mögen mir an dieser Stelle bitte verzeihen). Es geht um Menschen. Ganz besondere Menschen.

Wer jetzt zuerst an das "BAM!" einer Liebe auf den ersten Blick denkt, liegt zwar nicht komplett falsch, aber irgendwie doch. Denn hier und jetzt und in diesem Artikel beziehe ich mich auf ein heute getroffenes Beispiel, das für meine hetero gepolten Sinnesorgane aus sexueller Sicht uninteressant  ist. Denn es handelte sich um eine Frau.

Sie lachte und dabei zogen sich Lachfalten über ihre Augen, die sie nicht älter sondern jünger aussehen ließen. Sie hatte leichte Sommersprossen auf der Nase und wirklich kein im landläufigen Sinne schönes Gesicht. Dennoch kam sie mir in diesem Augenblick vor wie das schönste Wesen in diesem Universum. Ihre Figur ging dem aktuellen Schönheitsideal nicht gerecht werdend ziemlich in die Breite, ihre Kleidung glich ebenfalls nicht der eines Engels oder wenigstens Supermodels. Aber wie sie lachte, konnte ich mir gut vorstellen, warum ein Mann sie spontan heiraten würde.

Denn sie lachte nicht nur, sie strahlte auch eine tiefe Ruhe aus und schien den Lebensmut und gleichzeitig Beständigkeit von (mindestens) drei zu haben. Wäre sie quirliger gewesen, hätte es (mich) vermutlich genervt. Wäre sie ruhiger gewesen, hätte man möglicherweise erst mit viel Zeit und Geduld gemerkt, welch Lebensglück unter den tiefen Wassern sprudelte. So wie sie war, wollte ich trotz meiner Heterosexualität in ihrer Nähe bleiben. Eben nicht zum Knutschen, sondern einfach, weil ich mich verdammt gut fühlte. Ich komme wohl nicht darum, die bereits recht verbrauchte Metapher des "Felsen in der Brandung" zu bedienen. Denn so ruhig und stark, wie sie wirkte, war ich mir sicher: Mir kann in dieser Welt nichts mehr etwas anhaben.

Solche Menschen sind kostbar. Wie ungeschliffene Diamanten glänzen oder glitzern sie nicht, und in einem größeren Menschenauflauf würde man sie wohl kaum als das erkennen, was sie sind. Doch lernt man sie durch Zufall ein wenig kennen, machen sie das Leben auf einmal schöner. Sie geben einem, besonders wenn man grad mutlos und/oder "ungfreidig" ist plötzlich wieder Motivation, alles im Leben anzupacken, was man möchte.

Nicht zu kitschig möchte ich werden, wenn ich nun weiter erzähle, aber eine Sache muss an dieser Stelle gesagt werden. Ohne eine Ahnung, wie, habe einen dieser seltenen Steine gefunden und bewahre ihn seither so gut es geht an meiner Seite. Seit neuestem wohne ich mit ihm zusammen.

Vielleicht kann so mit ein bisschen Glück jeder Tag zum Wunder werden?