Montag, 18. November 2013

Du, mal ganz ehrlich...

Viele Menschen begegnen einem auf dem Weg vom ersten Augenreiben am Morgen bis zum letzten Gähnen am Abend. Diese Menschen kennen uns mal gut, mal weniger, mal überhaupt nicht. Manche sind nett, manche tun nur so, und manche machen keinen Hehl daraus, dass sie es nicht sind. Ein paar ganz wertvolle sind lieber als es ihr grantiges Erscheinungsbild suggeriert. Aber hierauf wollte ich nicht hinaus. Denn all diese Menschen, die doch offenkundig so unterschiedlich sind, haben alle eine ganz bestimmte Eigenschaft auf unheimliche Weise gemein: Sie haben eine Meinung und sind vor allen Dingen der Meinung, dass diese Meinung auch jeden und insbesondere dich (!) zu interessieren hat. Weshalb sie diese auch lautstark und ohne mit der Wimper zu zuckern äußern. Ein Vorrecht der Meinungshaber, quasi.

Nun will ich nicht gleich im Vorne herein alle Menschen kritisieren, die den Mut aufbringen, eine eben solche Meinung offen zu sagen. Insbesondere bei Engverwandten und Dickbefreundeten ist es in manchen Fällen sogar eine Art heilige Pflicht, wahlweise die eigenen Hosen oder die des anderen herunterzulassen und tacheles zu sprechen. Findet man die beste Freundin zum fünften Mal in Folge in einem Zeitraum von fünf Tagen  umgeben von stetig wechselnden Schnaps- und Wodkaflaschen auf, so empfiehlt sich als erster Schritt durchaus, ein Problem, das kaum zu übersehen ist, auch anzusprechen. Gerne auch mit dem berühmten Tritt in den Hintern und Unterstützung für den ersten Entzug. Für eine Freundschaft selbstverständlich? Weiß ich nicht. In diesem Fall kann Ehrlichkeit etwas bewirken. Im besten Falle, ein Leben zu retten.

Nach dieser leicht dramatisch inszenierten Erläuterung möchte ich nun zu folgenden Fallbeispielen kommen, deren Ehrenhaftigkeit in ihrem Vorgehen des Meinungsvortrags sich mir einfach nicht erschließen will. Ein konkretes Beispiel passierte mir jüngst. Heute. Nach dem Laufen ein paar Runden geschwommen, kam ich erholt aus dem Wasser, trocknete mich ab und fühlte mich wie Gott in Frankreich. Herrlich. Doch mein Unglück nahte bereits an mich nichtsahnende Kreatur heran. Ein Bademeister im weißen T-Shirt. "Scho fertig für heit?" "Ja. "Na, da warst aber nicht fleißig." Bam. Grundschule lässt grüßen. Von Herrlich-wohlig-tralla zu Hilfe-ich-hab-was-falsch-gemacht. Mit dem Kommentar von einem, dem weder mein Nachnamen noch die Tatsache bekannt ist, dass ich zuvor innerhalb zweier Stunden einen beträchtlichen Teil Salzburgs abgelaufen bin.


Ich würde mich ja gerne darüber auslassen, was das nur für ein unseliger Trottel ist, aber eigentlich muss ich gestehen: Ich kenne ihn und er ist eigentlich ganz nett. Der Kommentar war nicht unbedingt ein Meilenstein seiner besten Zitate und war vermutlich auch nicht als solcher angelegt. Will heißen: Er führte vermutlich (auch wenn ich zunächst von Gegenteil fest überzeugt war) nichts Böses im Schilde. Er hat einfach geredet.
Und sowas passiert oft. Die Menschen finden einen in abwechselnder Reihenfolge und unregelmäßigen Abständen zu dick, zu dünn, zu salopp, zu höflich, zu deutsch, zu salzburgerisch, zu schieß-mich-tot.
Allein schon Tonfälle sprechen oft Bände über die tatsächliche Meinung einer Person.

Die wesentlich wichtigere Frage als nach dem "Warum halten die nicht einfache ihre Bappn?" scheint mir doch eher "Warum kratzt's mich?". Und überhaupt: War da nicht was von freier Meinungsäußerung? Menschenrechte und so? Also aus reiner Eitelkeit und Spitzfindigkeit den Menschen künftig das Meinung-Sagen zu verbieten, mündet wohl nicht unbedingt in einen friedvolleren Planeten. Eher das Gegenteil.

Ich ziehe nur meine eigenen Schlüsse daraus und die lauten wie folgt: Ich sage NICHT jedem meine Meinung. Wenn ich jemanden zu fett finde, werde ich einen Teufel tun, und ihn komisch anschauen, wenn er auf der Straße seine Pizza verdrückt. Wenn ich jemanden uncharmant finde, versuche ich ihn weiträumigst zu umgehen, verspüre aber nicht den innerlichen Drang, ihm meine Asympathie mal eben mitzuteilen. Und wenn jemand imZug seine straßenbeschuhten Füße auf die Sitzbank vor ihm parkt und es sich gemütlich macht, bin ich die Letzte, die ihn ruppig darauf hinweist, dass das strengstens verboten ist. Kann ja meinetwegen das Bahnpersonal machen, das wird dafür bezahlt.

Aber neulich, da war da dieser eine Badegast. Der unterhielt sich in einer Lautstärke, dass wohl auch die umliegende Nachbarschaft, vielleicht der ganze Stadtteil an dem Gespräch teilhaben durfte. Seine Gesprächspartnerin sprach mit angenehmer ruhiger Stimme. Die hörbaren Differenzen zwischen sich und seiner Frau (?) schienen weder ihm noch ihr aufzufallen. Ich schwamm und versuchte, ein- und auszuatmen. Peace, alles gut. Doch selbst unter Wasser wurde ich Ohrenzeugin von Verdauungsproblemen und Fußpilz. Da reichte es mir. Ich nahm den Herrn auf meinen Kurs, sah ihn an und fragte: "Reden Sie immer so laut?" Geholfen hat's leider nix. Der Mann hat mich nur erstaunt mit erhobenen Augenbrauen angeblickt, als wäre ich als Lochness so eben aus dem Wasser gestiegen, wandte sich dann wieder wichtigeren Angelegenheiten zu. Fußpilz zum Beispiel.

Was mich die Sache lehrte: Auch ich kann meine Bappn manchmal nicht halten. Und ich fürchte das kann nur eine Ursache haben: Ich bin ein Mensch. Dann muss ich das die anderen wohl auch sein lassen.

Donnerstag, 7. November 2013

Mein iPod, meine Seele

Wer ist es denn nun, der beste Freund des Menschen? Der Hund? Das Auto? Gar ein Mensch? Weit gefehlt. Zumindest in meinem Fall. Denn meinen besten Freund trage ich immer dicht bei mir und spüre mit jedem Schritt, wie er sich an mich schmiegt. Sollte ich ihn zuhause vergessen haben (absichtlich geschieht dies nicht), setzt mein Herz ein oder zwei Takte aus, sobald ich nach einer leeren Jacken- respektive Hosentasche greife. Denn er ist mein Wegbegleiter. Und ja, liebe Freunde des Kommerzes, ich schere mich als ein treues Mitglied in Ihre Reihen. Mein bester Freund ist ein iPod.

Es geht nicht um das Teil


An dieser Stelle komme ich jedoch nicht umhin, zumindest einen Schuss Selbstrechtfertigung nachzuschenken. Es ist doch so: Es geht nicht wirklich um das in kaminrotem Glanz verpackte Touch-Screen-Computerchen. Obgleich es federleicht in der Hand schwingt und mich vermutlich ähnlich glücklich macht wie Marilyn Monroe einst schimmernde Diamanten. Ich hatte auch schon (wie gewagt!) mp3-Player fern der Apple-Industrie und diese hatten mich nicht minder beglückt. Denn das was eigentlich zählt ist weder die Verpackung noch die Benutzerfreundlichkeit. Seit vielen Jahren sind (leider etwas zu) häufig wechselnde Tonträger mein bester Freund. Statt mir bei einem solch rapiden Verschleiß meiner so hochgradig betitelten "Besten Freunde"  (denn ein Abstand von ca. 1,2 Jahre erscheint doch etwas wankelmütig) selbst Illoyalität vorzuwerfen, habe ich eine erleuchtende Erklärung für das Phänomen gefunden. Ich blicke hinter die Fassade von Plastik und Glas und sehe nur in das Herz hinein. Dort befindet sich meine Kindheit. Meine Jugend. Mein Hier und Jetzt und vielleicht auch meine Zukunft. Meine Träume, Erinnerungen, Ängste, Wünsche, Sehnsüchte und noch viel mehr. Das Herz dieser kleinen treuen Freunde ist eine Festplatte, die all meine heißgeliebte Leib- und Magenmusik sammelt.


Mein Leben, ein Archiv


Seit ich ungefähr 14 bin, archiviere ich Musik auf meinem Computer. Dank EDV-tüchtiger Eltern (ok, Mutter) gibt es auch ebenfalls seit diesem Zeitraum Backups des Speichers meines PCs. Ist mein Verschleiß an Computern auch nicht ganz so hoch wie der portabler Musikdatenträger, befinde ich mich fast zehn Jahre später (zum Glück) dennoch nicht mehr im Besitze meines damaligen Freund aus Plastik, Chips und Kabeln. Es sammelte sich viel an. Lieder, die ich noch vom Italienurlaub mit meiner Familie und meiner Cousine kannte und bei der wir laut singend das Auto in Bikini und Badetuch gerockt haben, auf dem Weg zum Strand. Lieder, die ich hörte, als ich mich das erste Mal richtig bis-über-alle-Ohren verliebt wähnte. Bis heute wird mir schlecht, Verzeihung bitte, flau in der Magengegend, wenn ich das Lied höre. Lieder, die für mich, weil sie in einem schönen Moment gerade zufällig irgendwo im Hintergrund liefen, Glück in Reinform bedeuten und mich spontan in jeder Lebenssituation fröhlich grinsen lassen. Lieder, bei denen ich laut heulend den Refrain mitsang und mir sicher war, nie niemals wieder auch nur ansatzweise fröhlich zu werden. Die Liste ist endlos und ich muss sie wohl kaum weiterführen, denn ich bin überzeugt, jeder hat seine eigene solch geartete Auswahl bestimmter Musik (ob nun bewusst oder unbewusst, bzw. bekannt ist eine andere Frage).

Am Ende ist da dieses Lied


Seit ich ungefähr 14 war hat sich viel getan. Höhen und Tiefen aber auch Alltags-Situationen und Gelegenheiten wie Partys, ausgiebigen Spaziergängen durch Hügel und Felder oder Nachmittagen mit Freunden - sie alle werden nicht selten in unseren Köpfen verknüpft mit eben der Musik, die wir hörten. In Zeiten der bereits erwähnten portablen Datenträger begleitet sie uns ohnehin überallhin. Neue Assoziationen und Verbindungen können somit quasi bei jeder Bus- und U-Bahnfahrt entstehen. Weil wir gerade diesen Typen sahen und dabei dieses Lied lief. Weil genau jene Landschaft an unser Augen und Nase vorbeizog, als wir dem Text eines anderen Titels lauschten.

Mit den Jahren kam ständig etwas dazu auf meinem Speicher, mental und in computerisierter Form. Mal war es der Hit im Radio, der einen solange nicht mehr losließ, bis man dem gesamten Album des jeweiligen Interpreten mit Haut und Haaren verfallen war. Mal war es der Tipp eines Freundes, den man erst mit spitzen Fingern und skeptischem Blicke aus sicherer Nähe begutachtete, bis er sich schließlich als heiß geliebtes Geschenk für die eigene Seele entpuppte. Und verzeihen Sie bitte, wenn ich an dieser Stelle allzu pathetisch werde, aber worüber könnte man es sonst werden, wenn nicht über die Musik?


Lieder, Gedanken, Träume


Summa summarum komme ich hier zum Punkt, weshalb ich hier, fern von meiner sonst so braven Philosophie "Besitz macht nicht glücklich", bei einem Kommerzteil wie einem iPod von meinem besten Freund spreche. Er schafft das, was sonst nur langjährige Freunde schaffen. Er begleitet mich, ich fühle ihn bei mir, aber ich muss nicht reden. Gleichzeitig höre ich, wie ich den Müllnersteg über die Salzach überquere ein Lied, das mich an meine Zeit in Australien erinnert. Wenig später beim "Erklimmen" des Mönchsbergs den Song, der mir wohl für immer an meine erste große Liebe ins Gedächtnis rufen wird. So habe ich am Ende des Tages nicht das Gefühl, lediglich einen Nachmittagsspaziergang über den Mönchsberg zu unternommen haben. Viel mehr war es das, was mir mein iPod mit all seinen Schätzen, die er für aufbewahrt, so oft beschert, wie ich nur den Playknopf drücke.

Kleine Alltagsreisen durch die Vergangenheit.

Freitag, 25. Oktober 2013

Alltagssorgen einer Konsumentin

"Ohne Silikone." Das waren sie. Zwei Worte, die mir letzte Gewissheit über das geben sollten, was ich insgeheim schon lange befürchtet hatte. Auf einem harmlos dreinblickendem Shampoo-Fläschchen. Geahnt hatte ich es schon lange, der Verdacht hatte sich mit den Jahren und angesichts eines immer selbstbestimmteren Erwachsenenlebens zunehmend gesteigert. Ich hatte ihn verdrängt. Bis zu besagtem silikonfreien Shampoo.

Hier lasse ich Schwert und Rüstung sinken und gebe auf. Mein Geständnis: Ich bin ein Schluder-Konsument. Was ich damit meine? Ich bin grundsätzlich durchaus interessiert daran, gute Produkte zu verwenden, ich wünsche mir weder Krankheiten noch gequälte Tiere (oder Menschen). Besonders im Bereich des Gewissens mache ich bereits großartige Fortschritte und kaufe nicht mehr unbedacht T-Shirts "made in Bangladesh" oder Äpfel aus Mesopotamien. Die Menschheit respektive Mutter Erde soll nicht zuletzt an mir zugrunde gehen.

Aber genug der präventiven Selbstrechtfertigung, ich komme nun zum Kern des Pudels: Solange weder die Welt noch ein Mensch dafür drauf gehen muss, neige ich zu einem fast schon kindesähnlichem Urvertrauen. Wird schon nix schlimmes drin sein. Man könnte sagen: Ich mutiere zum bewusstseinsfreiem Konsumenten. Ich weiß nicht, was sich für mysteriöse Wirkstoffe in Reinigungsmitteln für Körper und Fußboden befinden. Solange alles sauber wird, was sauber werden soll, und hinterher sowohl meine Zehen als auch das Holzmuster auf dem Laminatboden noch aufzufinden sind, mache ich mir keine Sorgen. Ich überlasse es schlichtweg den weißbekittelten Menschen in der Chemieindustrie, welche magische Mixtur sie heute wieder gezaubert haben, der ich einen blitzblanken Boden zu verdanken habe.

Keine Silikone also. Aha. Im Umkehrschluss mutmaßte ich, blitzgescheit wie eh und je, dass in herkömmlichen Produkten wohl eben diese scheinbar besser zu unterlassenden Silikonstoffe enthalten sein mussten. Die normale Reaktion stelle ich mir ungefähr so: "Oh Gott, ihgitt, und sowas kam mir bislang in mein Haar! GOTT sei Dank wurde ich endlich über meinen Schmach aufgeklärt." Immerhin verständlich, man will doch nicht IRGENDWAS in seinen Haaren haben oder?
Tja. Meine Reaktion? Ein kurzer suchender Blick durch die Regale, ein kaum merkliches mentales Achselzucken und der Griff nach dem altbewährtem Shampoo. Da auf diesem nicht "ohne Silikone" angepriesen wurde, musste ich wohl mit dem Schlimmsten rechnen.

Es gibt so viele weitere Beispiele, ob in Kosmetik, Nahrung oder Plastikdosen. In einer Luxusgesellschaft wie der unseren scheint es zum liebsten Hobby zu werden, sich vor immer wieder neu entworfenen und kreativ in Gruselkostüm ausstaffierten Inhaltsstoffen zu fürchten. Wo früher noch diejenigen belächelt wurden, die auf Pommes "wegen dem Acrylamid, von dem kriegt man Krebs!" verzichteten, scheint heutzutage geradezu erwartet zu werden, dass mindestens eine Form der Intoleranz sowie Faible für das Weglassen spezieller Bestandteile pro Konsument vorhanden ist. Verkaufen lässt sich also folgerichtig nicht nur das formidabel, auf dem die drei heiligen Worte "Bio, natürlich, gesund" zu lesen sind, sondern auch "Ohne XY". XY kann hierbei mit jedem x-beliebigem Ding oder Wesen ersetzt werden und die Wirkung ist geschaffen: Aha, dieses Produkt macht mich also zum bewussten Konsumenten!

Worauf ich hinaus will? Soll man einfach ignorieren, was in Produkten drinnen ist und was nicht? Mitnichten. Ich finde es nur schwierig, den Hausverstand vom Doktrin der Kommerzunternehmen abzugrenzen. Milch und Salat vom Bauern, Honig vom befreundeten Imker und eigens angebautes Basilikum: Da ist es noch leicht, ein gutes Produkt als solches zu erkennen, zu erwerben, zu verputzen. Was aber mit dem Riesendschungel an Produkten anfangen, die sich in einer Überflussgesellschaft gegenseitig in wildem Konkurrenzkampf beinahe aus den Regalen schuppsen, und, könnten sie sich verbal kundlich tun, laut schreien würden: "Ich bin ohne Hast-du-noch-nie-gehört Numero 1!!", worauf der andere angestachelt erwidern würde "Achja, schön für dich, dafür komme ich VOLLKOMMEN ohne Kennst-du-eh-nicht Numero 23 aus!" Wem kann man denn da doch noch glauben? Was ist denn jetzt schlimm und was nur abergläubisches Gefasel?

Ja, dann informier dich doch, Mädchen, höre ich Engelchen und Teufelchen auf der Schulter in gemeinschaftlichem Frust seufzen. Offensichtlich sind sie sich einig: Meine Verwirrung liegt fern von gut und böse. Mädchen, jetzt heul mal nicht so rum.

Sie haben ja Recht. Es hilft nichts, angesichts einer großen Vielfalt an Produkten und damit auch größer werdenden Möglichkeiten, seinen Körper schädlichen Zusatzstoffen auszusetzen, einfach laut trällernd die Augen und Ohren zu verschließen, in der Hoffnung, dass eh alles gut wird. Auch wenn es sich manchmal sehr erleichternd anfühlt, ohne große Gedanken in das Regal und sein Lieblingsprodukt zu greifen. Ganz ohne die Inhaltsliste zu kennen.

Dass es in unserer aller Verantwortung liegt, in unserem Konsumverhalten auch das Schicksal von Tieren oder sich die Finger wund schuftenden Menschen zu berücksichtigen, daran möchte ich hier keinen Zweifel lassen. Aber das wäre ohnehin ein ganz eigenes Thema, geht es hierbei nicht um die eigene Gesundheit sondern um das Wohl anderer.

Silikone in Shampoos, so ergaben meine Recherchen, stehen in Verdacht, Allergien auszulösen. Außerdem wird das Haar mit der Zeit schwach und kraftlos. Ich habe mit mir selbst eine Übereinkunft getroffen. Sobald ich das erste Mal nach dem Haare-Waschen kräftig niesen muss und mir morgens überlege, meinem müden Haar ein Schluck meines Morgenkaffees abzugeben, dann schau ich auf die potenziell böse Zutatenliste meines bisherigen Shampoos. Und, versprochen, wenn ich darauf auch nur ein "silicon" lese, dann kommt ein neues Haarwaschmittel auf die Wanne. Basta!

Sonntag, 6. Oktober 2013

Die Schönheit der Einsamkeit

Wenn es etwas gibt, das für mich ein unerklärbares und, sollte man es lösen müssen, unlösbares Mysterium ist und vielleicht immer bleiben wird, dann ist es wohl die bittersüße, wunderschöne und doch letztlich seelenzermalmende Einsamkeit. Alleine sein und einsam sein, das sind ja zwei sehr verschiedene Dinge. Wie weit sie auseinander liegen und wie schnell ersteres zu zweiterem führt, hängt wohl ab von der gesamten Persönlichkeit inklusive Erfahrungen und Prägung von kleinsten Kindesbeinen an. Hier stellt sich für mich die Frage: Wo ist mein persönlicher Wendepunkt? Und warum ist selbst das Überschreiten dieses oft weder zermürbend noch gar zermalmend sondern viel mehr ein erfrischender tiefer Atemzug der Seele?

Mit all dem habe ich mich vor circa einem Monat sehr intensiv auseinandergesetzt. Ich hatte mir nämlich etwas in den Kopf gesetzt: Ich wollte in meine eigenen vier Wände ziehen, um endlich das Müsli-, Milch- und Haarshampoo-teilende WG-Leben samt verrauchter Zimmer und ungespülter Töpfe hinter mir zu lassen. Ich war mir meiner ganz sicher, unbeschwert und glücklich, sonst von Zweifeln und Unentschlossenheiten geplagt, dieses Mal so überzeugt von meinem Plan zu sein. Bis ich eben jenen meinen Freunden und Eltern mitteilte. Wer schon Entscheidungen im Leben gefällt und geliebte (und vor allem liebende) Menschen miteinbezogen hat, den sehe ich an dieser Stelle verständnisvoll nicken. Sagen wir es so: Ihre Begeisterung hielt sich in Grenzen. Die Skepsis nicht. "Da wirst doch einsam", eine der motivierenden Prognosen. "Dir ist aber klar, dass du dann alles alleine regeln musst, gell", eine andere. "Du weißt ja, wir Menschen sind Herdentiere", sprach mein Vater und ich konnte förmlich sehen, wie sich seine Stirn hinter dem Telefonhörer sorgenvoll runzelte. Es gibt bestimmt Menschen, die stets selbstbewusst und fest mit beiden Beinen im Leben stehen und die sich durch nichts, aber auch durch gar nichts, aus der Ruhe bringen lassen. Bestimmt. Ich zähle leider nicht dazu. Das stets mit zweifelhafter Intonation hinterhergeschickte "Aber das musst du wissen" wollte dies unerklärlicherweise auch nicht erleichtern.

Mit zittrigen Händen, trockener Kehle und Augenringen von einer vorhergehend nahezu schlaflosen Nacht unterzeichnete ich schließlich an einem Montag Nachmittag den Mietvertrag für mein erstes kleines Garconniere. Ich übertreibe wirklich nur marginal, wenn ich sage, dass ich nun ungefähr verstehe, wie sich Faust wohl gefühlt haben muss, als er dem Teufel Mephisto seine Seele verschrieb.

Wie die Geschichte weiterging? Ich richtete die vier Wände ein und finde es nach wie vor erstaunlich, wie schnell das doch geht, so ein Zuhause zu wechseln. Ich fand Spaß daran, Couches, Fernsehtische und Stühle zu sagenhaft günstigen Preisen über die Studentenbörse zu erhandeln und war vor allem in den Tagen des Umzugs alles nur nicht: Einsam. Gemeinsam mit einem Freund samt dessen Karosserie bugsierte ich sämtliche Errungenschaften von A nach New Home B. Ich traf in diesen Tagen viele nette Menschen, durch die Börse und einfach so. Bei so einem Umzug macht man was mit: Vor allem Kontakte.

Nun, ein paar Wochen nach meinem Einzug, hatte ich trotz eines nicht gerade leeren Terminkalenders bereits Gelegenheit, allein zu sein. Ja, auch einsam zu sein. Wenn ich morgens die Augen aufschlage, weiß ich, dass es das einzige Augenpaar in unmittelbarer Nähe ist. Während ich noch im Halbschlaf darüber sinniere, ob ich mich nun schlecht fühlen solle, ziehe ich den Vorhang zurück und öffne das (geliebte weiße mit Goldgriffen versehene) Fenster. Morgenluft schlägt mir entgegen, herbstlich schon. Ein paar Leute schlurfen müde die Straße entlang. Ein paar sind auch schon munter am Arbeiten. Von unten aus der Bäckerei der Duft frisch gebackener Plunderteile. Der Moment ist berauschend und beruhigend zugleich. Es fühlt sich schön an, all das von hier oben aus meinem Fenster zu beobachten. Ganz allein. Wie ein Geheimnis, das ich nun auf diese Weise teile.

Spaziergänge alleine durch das nun immer tiefer werdende Herbstlaub, Schwimmen durch Wasser und dabei alles vergessen, begleitet nur von leisem Gluckern. Am Schreibtisch sitzen und schreiben und nachdenken. Im Bett liegen und nachdenken. Am Abend die Beine ausstrecken und sich an das Lieblingskissen lehnen, während man sich dem längst fälligen neuem Schmökerwerk widmet. Ja, ich glaube, man kann es bereits herauslesen: Ich mag das. Oder, um es mit den von einer weltbekannten Fast Food-Kette hoffnungslos verbrauchten drei Worten zu sagen: Ich liebe es.

Wie lange dauert es, bis ich einsam werde? Warum dauert das so lange manchmal und dann plötzlich will mir das Alleinsein dann wieder, vor allem nach einem Abschied, gar nicht mehr gelingen? Warum ist der Gedanke, immerzu von Freunden umgeben zu sein, für die meisten scheinbar die Vorstellung eines perfekten Tages, während ich eben diesen Tag sehr fürchten würde? Wieso ist es mein größter Albtraum, mich in einer Menschenmenge zu verlieren und nicht mehr zu mir selbst und zur Ruhe zu kommen?

Der Mensch ist ein soziales Wesen und ohne Kontakte wird er unglücklich. Soviel ist klar. Ich bin froh über meine Freunde und meine Familie. Ich brauche sie und wäre ich für immer alleine, könnte ich mich ebenso sofort begraben. 


Und eines Tages werde ich vielleicht auch noch verstehen lernen, wie sich das dann verhält mit dem Alleinsein.

Sonntag, 1. September 2013

Sind Sie denn auch feucht genug?

Feuchtgebiete also... der Skandal-Kassenschlager, der noch vor Shades of Grey beweisen sollte, dass Frivolitäten und sexuelle Freizügigkeiten auch fernab der Fernseh-Pornomattscheibe möglich sind, läuft nun im Kino. Und ich habe ihn mir angesehen. Mein Fazit? Das erste wohl wenig überraschend: Ja, er ist echt eklig. Nicht nur teilweise, sondern eher hauptsächlich. Und nein, er ist weder etwas für Sensibelchen, denen schon bei Bahnhofstoiletten ekelt, die ganz oldschool mäßig noch keine 70 Cent kosten und die Frechheit haben, nicht der Sani-Fair-Kette anzugehören, noch für Menschen, die folgende Produkte sehr lieb gewonnen haben: Gurken, Karotten, Ledersessel. Auch diejenigen, denen bei der Werbung von Kinder-Country oder Frischkäse auf angenehme Weise das Wasser im Munde zusammenläuft (und die sich das gern bewahren würden), wenn die Milch sich appetitlichst auf frische Cerealien oder Kräuter ergießt, seien vor dem Film gewarnt. Es könnte passieren, dass sie die Werbung nach der Filmrezeption nie wieder mit den selben Augen sehen können werden. Der Absprung vom Schokoholismus und Milchcreme-Fanatismus wäre damit immerhin geschafft.
Soviel zum ersten Fazit, bei dem ich hinzufügen muss: Ich bin ekelresistenter, als ich dachte. Ich verspüre noch immer einen gesunden Appetit auf Milch, Gurken und Schokolade. 

Das zweite Fazit soll sich weniger auf den Ekelgrad als viel mehr auf den ständigen Mittelpunkt des Filmgeschehens beziehen: Helen. Ein junges Mädl, geschätzte 20-irgendwas, die ein bisschen wirkt wie eine zu groß (und zu alt) gewordene Pippi Langstrumpf. Eine mit der Vorliebe zu Blowjobs und blutigen Zeremonien mit der Monatsperiode der besten Freundin. Eine, die permanent entweder an Sex zu denken oder ihn zu haben scheint. Auf einem Skateboard brettert sie daher, in kurzen Röcken und Totenkopf-T-Shirts, spricht gerne über Muschis, am liebsten über ihre eigene, die sie im Übrigen auch in jeder freien Minute betatscht.

Und ach, wie frech sie nicht ist. Das Motiv, das der/die gemeine Autor/in beim Erschaffen eines solchen Charakters hat, scheint offensichtlich: Eine Skandalnudel zu zaubern, die die Gesellschaft aufrütteln und mit spitzbübicher Zunge all die ungesagten Ungeheuerlichkeiten mit frohlockender Leichtigkeit ausposaunen soll, auf dass es keine Grenzen für die absolute Freiheit mehr gebe. Yey.
Dazu noch ein engelsgleicher Augenaufschlag und ein freches kleines niedliches Stuppsnäschen - das Bild der verlockend rotzigen Göre ist geschaffen. Immer ein Spur zu niedlich, immer einen Tick zu hübsch, um trotz diverser Unfeinheiten wie Dünnschiss und Hämorrhoiden (ja, ich musste nachschauen, wie man das schreibt) tatsächlich abstoßend zu sein. Dass sie so lustig und offen darüber spricht, macht sie ohnehin quasi zur Stilikone.


Man könnte sie toll finden. So frech und frei. So unerschrocken, allzeit bereit, vorgeschriebenen Rollenbildern und Etiketten sowie der gesamten feinen Gesellschaft und ihrer Prüderie den Kampf anzusagen, um sich ja keiner Konvention beugen zu müssen. Man könnte sie bewundern, für ihren Mut, für die Weise, wie sie es schafft, dass man ihr Lachen selbst dann noch niedlich findet, wenn der entsprechende Mund, von dem das Gelächter schallt, so eben noch intensiv mit de Verkostung der eigenen Intimflüssigkeiten beschäftigt war.


Ja, man könnte. Tue ich aber nicht. Ganz ehrlich: Ich finde, sie nervt. Denn Mädchen wie sie wirken im Film vielleicht lustig, toll, bewundernswert. Doch man stelle sie sich in der Realität vor. Hier handelt es sich viel mehr, so weit wage ich mich nun aus meinem Fenster, um labile Persönlichkeiten, die es einfach nicht ertragen können, die gesammelte Aufmerksamkeit auch nur für fünf Minuten nicht vollständig auf sich gerichtet zu haben. Ohne Punkt und Komma suchen sie verzweifelt nach Möglichkeiten, ihre Individualität nicht etwa nur auszuleben (wofür sie mein vollstes Verständnis hätten), sondern viel mehr, diese auch möglichst vielen Angehörigen der Außenwelt unter die Nase zu reiben. All die Eigenheiten und Absurditäten, teils eigens für diesen Zweck überhaupt erst angeschafft, in einer größtmöglichen Öffentlichkeit zu zelebrieren und so endlich die Anerkennung zu bekommen, nach der sie sich so sehr sehnen. Kein Skandal zu skandalös, kein Mittel zu billig.


Dazu bereits erwähnter gekonnter Augenaufschlag, ein kurzes Reiben am Näschen sowie niedliches Grinsen und das selbst geschaffene Götzenbild ist geschaffen. Ich, die Freche. Die Revoluzzerin. Himmelt mich an.
Als gemeine und, was die Sexualität und die Auslebung dieser in der Öffentlichkeit angeh, eher durchschnittliche junge Frau kann man da kaum mithalten.

Filme wie "Feuchtgebiete" suggerieren in meinen Augen, dass man es anders tun sollte. Dass man frecher sein sollte. Mutiger. Dass wir alle viel zu "gschamig" sind und somit auf dem Holzweg. Da, schau, so wie die Helen, so sollte man sein!, scheint es von allen Seiten zu schallen. Freilich, dass auch der Typ, der sich am Anfang von ihrer Schrägheit abwendet, sie am Ende ganz toll findet und küsst.


Vielleicht bin ich einfach zu prüde, um diesen Film auch nur anzusehen. Aber wie gesagt, besonders eklig fand ich ihn gar nicht. Ich habe nichts gegen vulgäre Darstellungen, gegen unfeinen Humor und unappetitliche Nahaufnahmen. Nur eins kann ich nicht leiden:
Filme die zeigen, wie viel besser die Welt ohne Vorschriften wäre, ohne festgefahrene Rollenbilder und Etikette. Die nicht nur zeigen, dass man in Kopf und Herzen frei sein kann, sondern auch recht genaue Vorstellungen vermitteln, wie. Weil sie meines Erachtens einen entscheidenden Denkfehler haben: Sie setzen die Serie damit nur fort. 
Das wär alles. Danke.

Samstag, 17. August 2013

Stranger auf Dorffest

Was habe ich mich nicht fremd gefühlt. Inspiriert, fasziniert und doch sehr distanziert und vielleicht sogar etwas pikiert. Ich habe im Zuge meines Work-and-Travel-Aufenthaltes ein Hotdog-ähnliches Gebilde namens Dagwood Dog auf einer Art australischem Volksfest verkauft und konnte mich nur noch wundern über all die Menschen, die dort so über den kunterbunten Platz liefen. Sie sprachen in kaugummiartigem Slang, dessen Verwandtschaft mit der feinen englischen Sprache des Oxford-Stiles nur mehr schwer herzuleiten war. Sie stopften die Teile, die ich verkaufte und viele weitere Fettigkeiten am Stil in sich hinein. Schon die Kleinsten wurden damit gefüttert, nie ohne einen ordentlichen Schuss Barbecue-Sauce als Draufgabe.

Obgleich sie mir rein optisch ähnelten, fühlte ich mich, als wäre ich eine Aussätzige inmitten dieser Menschenmenge, die sich in ihrem Kosmos ganz selbstverständlich bewegte und fest ritualisierte Verhaltensweisen verfolgte, während ich nur hilflos zusehen und rätseln konnte. Es war weniger, das ich nicht verstand, was und warum sie es taten, es war mehr, dass ich nicht nachvollziehen konnte, was sie dachten, wie ihr Weltbild aussah, ihre Interessen. Ist man daheim, an dem Ort, an dem man geboren wurde und aufgewachsen ist, kennen die Menschen um dich herum Dinge wie beispielsweise ein schlicht und ergreifendes Leberwurstbrot. Oder die Serie Tatort. Oder Sprichwörter, die uns unser aller Mütter immer wieder eingebläut haben, in eben unserer Sprache, unserem Dialekt, unserer Denkensweise. Kurzum: Man weiß, wie man tickt.

Anders hier. Wie könnte ich mich auch gleichsam fühlen mit Menschen, die lappriges Toast "Whole-Grain Bread" nannten und noch nie echtes dunkles Brot mit ernst zu nehmender Konsistenz geschmeckt hatten? Oder, um ein nicht so herablassend klingendes Beispiel zu nennen, die die Texte von "Wir sind Helden" oder den "Ärzten" weder kannten noch verstehen konnten? Heimweh schlich sich ein, wie ich auf diesem Jahrmarkt stand und mir Fett am Stiel aus den Händen rissen ließ. Es spielte "Surfin USA" in Endlosschleife. Ja, das war Volksfest in Australien.

Dann kamen, Jahre später, die thailändischen Märkte. Ich schlenderte über sie hinweg und natürlich war das wieder ein großes Gefühl der unheimlich spannenden Fremde. Die Gerüche, abwechselnd nach gebratenen Köstlichkeiten, dann wieder nach schockierenden Dämpfen, die Hitze, die Luftfeuchtigkeit. Die Menschen, wie sie so gar anders waren. Nicht nur kleiner, auch leiser, vielleicht auch lustiger, aber das auf ihre Weise. Geselliger. Ebenfalls mit einer großen Liebe zum Essen, aber auf eine sehr kollektivistische Art und Weise. Nicht mit einer Riesenwurst am Stil sondern mit einem großen Becher Nudeln und Huhn, aus dem sie gemeinsam mit Gabeln pickten (nicht mit Stäbchen!). Auch hier habe ich Jahrmarkt-ähnliches Utensil gesehen. So etwas wie kleine Fahrbahnen oder Süßwarenstände für die Kleinen.

Auch hier wieder faszinierend: Ich konnte nicht nachvollziehen, was im Inneren dieser Menschen vorging. Ich spiele auf keine konkrete Obstrusität oder ähnliches an, ich meine viel mehr wieder dieses Alltags-Leberwurschtbrot-Denken. Was war es, was für diese so fremden Menschen das normale Leben ausmachte? Was war ihre Version von "Tatort" und "Wir sind Helden"? Das, was ich aus den Lautsprechern dudeln hörte, konnte ich nicht nach seiner Authenzität beurteilen (da gerne mal Touristenvorlieben in das Geschehen integriert werden).

Was hatte ich mich nicht fremd gefühlt. Inspiriert, irritiert, verängstigt, begeistert, alles auf einmal. So, und jetzt war ich heute auf dem Lieferinger Dorffest, um für die Zeitung Bericht zu erstatten. Liefering ist ein Stadtteil von Salzburg, seinen Titel als Gemeinde musste es schon vor einer Weile abtreten, sehr zum Leidwesen der Anwohner. Sie lieben ihr "Dorf", den Zusammenhalt, die Vereine, "das Gefühl, wenn man am Sonntag zum Hof geht um sich Milch beim Bauer nebenan zu kaufen". Soviel zum Setting. Hier war also das Dorffest, das mir eigentlich sehr bekannt vorkam. Volksfeste, die sind mir als gebürtige Münchnerin freilich ein Begriff. Wie man so zamsitzt, Bier trinkt, irgendwann auf den Bänken tanzt. Oder Fahrgeschäfte ausprobiert, die man lieber nicht gefahren wäre, Steckerlfisch schlemmt und einmal im Jahr Volksmusik erträgt.

Und jetzt das. Ich war mittendrin, tat sogar, als wär ich einer von ihnen und doch kam da ein seltsames Gefühl in mir hoch. Ich kannte es, gut sogar. Und da fiel es mir wie Schuppen von den Augen: Australische Jahrmärkte, thailändische Basare. Menschen mit Gedankengängen und Verhaltensweisen, die mich fremdeln ließen, und das auch ohne einen über zehnstündigen Flug hinter mich gebracht zu haben. Denn wie ich hier gewisse Gesprächsverläufe unwillentlich mitanhörte, diverse Menschen in diversen Outfits begutachten konnte und mich tatsächlich wie mitten auf dem Land fühlte, wurde mir klar, dass ich mich im Alltag selten aus meinem akademischen Umkreis hinaus bewegte. Arrogant soll das nicht klingen, denn dafür müsste ich erst beurteilen können, ob ein hoher Bildungsgrad samt Arroganz oder eine gewisse "Bäuerlichkeit" samt Herzlichkeit besser ist. Kann ich nicht. Mir wurde auch wieder bewusst, wieviele kulturelle Eigenheiten wir eigentlich haben. Das, was für uns buddhistische Schreine, Drachenskulpturen und Kimonos sind, sind für andere Bierbänke, Dirndl und Blechbläser-"Musi". Aber irgendwie sah ich grad auch letztere aus den Augen eines Fremden, der sich darüber nur verwundert und erstaunt den Kopf kratzen konnte. Mir kam das alles reichlich strange vor. Vielleicht, weil ich zuvor versucht hatte, mich in die Australier, später in die Thai hineinzudenken und so immer mehr ein Gefühl für die eigene Identität und Wurzeln verloren habe. Das wäre allerdings ein ganz anderes Thema.

Das Ende vom Lied jedenfalls: Ich spielte mit, lachte mit, sprach im Dialekt. Hatte nebst hoher Anstrengung (es war sehr sehr heiß) auch ziemlichen Spaß. Und wie ich heimging, die Salzach entlang, sah ich auf das in der Sonne glitzernde Wasser und fühlte mich wieder angekommen. Von einer sehr interessanten Reise in ein sehr fremdes Land. Sieben Kilometer weiter von meiner Wohnung.

Mittwoch, 14. August 2013

Stadttreiben

Was ist es eigentlich, das eine Stadt zu etwas Besonderem macht? Natürlich ufert diese Frage ins schier unendliche (oder zumindest auf die Anzahl bemerkenswerter Städte und damit ins quasi unendliche), bezieht man sich auf eine bestimmte Metropole, Ortschaft und allem was dazwischen liegt. Was ist das Besondere an Paris, Hongkong, Mailand, Berlin, Moskau... dazu gibt es in jeder noch so kleinen Bahnhofsbuchhandlung mindestens ein Regal voller Lonely Planets und Baedekers.

Ich frage mich jedoch eher: Was ist es, das für Menschen den Zauber einer Stadt ausmacht. Warum gehen sie dorthin, wo viele andere sind, wo Lichter blinken und laute Geräusche von allen Seiten um Aufmerksamkeit buhlen. Wo es nach Essen riecht, nach einem Gemisch aus Parfum, Schweiß und Abgasen, wo es an manchen Orten grau und trist aussieht und an anderen dagegen prunkvoll, majestätisch, futuristisch. Mit dieser Beschreibung kann man, möchte ich anmerken, freilich nicht jede Stadt auf der Welt charakterisieren. Sie soll nur als eine Ansammlung einiger Merkmale dienen, die in meinen Augen sowie Ohren und Nase die größten Unterschiede zum Gegenteil, dem Leben auf dem Land, dienen. Denn, wie einem kaum entgangen sein wird, ist die Beschreibung nicht durchwegs positiv.


Es mag ja Leute geben, für die ist das Landleben ohnehin nichts. Bei grünen Hügeln mit Schafen drauf denken Sie höchstens an eine Werbung für Alpenmilchschokolade und beim Geruch eines frisch geodelten Feldes würden sie vermutlich spontan in Ohnmacht fallen. Verschlafene Orte, in denen es maximal einen Supermarkt gibt, der um 6 Uhr abends zusperrt und der keine Sandwiches, Salate und Kaffee "to go" im Sortiment vorsieht, machen ihnen Angst. Ich behaupte, meine Wenigkeit nicht zu dieser Kategorie Menschen zu zählen. Aber seit einiger Zeit bin ich mir nicht mehr so sicher. Denn trotz meiner Liebe zu frischer Landluft, ruhigen weitläufigen Feldern sowie entspannten Tieren und Menschen, zieht es mich wie einen Magnet zum Pol in die Stadt.

Was ist es also, fragte ich mich. Was ist das Ausschlaggebende. Es gibt da eine Palette an offensichtlichen Faktoren. Da wären einmal die Freizeitangebote. Ob ich mich nun spontan entscheide, einer Session Bikram-Yoga beizuwohnen oder aber einen Origamikurs belegen möchte: es findet sich sicher eine entsprechende Adresse. Mit Portalen wie Couchsurfing und ähnlichen lassen sich noch schneller Interessensgemeinschaften bilden, so dass keiner lange alleine Film schauen/ schneidern/ laufen/ was auch immer muss. Je größer die Stadt, desto schneller hat sich eine Gruppe von Leuten gebildet, mit denen man potenziell einfach mal alles unternehmen kann, das das Herz begehrt. Das wäre ein Faktor. Ein weiterer ist (konsequenterweise) die kulturelle Vielfalt. Heute in einem original und authentischem indischen Lokal, morgen Tokyo-Standard-gerechtwerdendes Sushi und übermorgen ein Hotdog, wie man ihn nur bei 7Eleven kriegt (das allerdings tatsächlich nicht in jeder (europäischen) Stadt). Viele Avantgarde- und Individualismuskinos, in denen so ziemlich jede noch so extravagante Filmvorliebe bedient wird. Theater, Musik, Kunst, aber auch Sportveranstaltungen, Live- und Openair-Events. Es hat wohl jeder sein eigenes Bild im Kopf, was genau er/sie sich von einer Stadt erwartet und womit er sich den perfekten Tag gestaltet. Je größer die Stadt, desto wahrscheinlicher, Befriedigung auf jedes noch so individuelle Anliegen zu finden.


Viele Argumente für das Leben in einer Stadt. Ist es das, fragte ich mich, ist es das, was für mich das Leben in einer Stadt ausmacht? Der Grund, für den ich treu blickende Schafe und grüne Weiden hinter mir lasse? Gedankenverloren, in einem Shakin-Salad (Becher Salat, Joghurtpampe drauf, schütteln, fertig. Mit Feta und Oliven, lecker.) stochernd, schlenderte ich meines Weges entlang der mit Touristen gepflasterten Fußgängerzone. Doch halt, nicht nur Touristen. Dort im Eck saßen ein Junge und ein Mädchen, die sich die Seele aus dem Leib musizierten, sie eher schreiend als singend, er eher schlagend als klimpernd. Sie hatte blaue Haare. Dann kam mir ein Mädchen entgegen mit einem Kleid, das ich so noch nie gesehen hatte. Ich überlegte, mir genau so eins zu schneidern (obgleich ich bei solchen Gelegenheiten gerne mal vergesse, dass ich leider gar nicht schneidern kann). In jedem Fall inspirierte sie mich zu tiefst. Dann dort, auf der Bank, da saßen zwei ältere Herrschaften, die so sehr zusammengehörten, dass man es sogar erkennen konnte, wenn sie einen Meter auseinander saßen und jeder seinen Gedanken nachhing.

Und da wurde mir klar: Ja, das ist es, mein Grund. Es sind die Menschen. Es ist dieses: Ich gehe raus und weiß noch nicht, was mich erwartet. Wer mir begegnet, was mich inspiriert, was ich sehen werde. Implizit natürlich darauf hoffend, auf diesem Wege auch meiner großen Liebe zu begegnen, bin ich durchaus auch für weniger zu begeistern. Wenn ich darüber nachdenke, steigert sich meine Fasziniertheit ins Unermessliche. Denn ein jeder, der einem begegnet hat seine eigene Geschichte. Hatte eine Kindheit, eine Jugend (bzw. erlebt sie so eben), Eltern, Familie, Freunde. Einen Job. Den Weg, wie er zu diesem Job kam. Die Gründe, die ihn für diesen Job an der Stange hielten. Leidenschaften, Hobbys, Interessen. Man begegnet diesem Menschen und atmet einen Bruchteil seiner Existenz für einen winzigen Augenblick in sich ein. Das Mädchen mit den kurzen schwarzen Haaren und dem Nasenring, die einen bis auf die Eingeweide zu durchschauen scheint. Der ältere Herr mit Hut, wie er sanft über die Welt lächelt, als habe er all die Fragen, die man sich selbst jeden Tag so stellt, längst für sich gelöst. Die Dame in High Heels bis zur Unkenntlichkeit geschminkt und mit erhobener Brust marschierend. Die traurig drein blickende mittelalte Frau mit dem lose hängenden Baumwollkleid und Schultern. Ja, ich könnte diese Liste ewig weiterführen. Und das allein mit Menschen, die ich in den letzten Stunden getroffen, oder besser gesehen habe.


Wenn ich sie ansehe, sehe ich auch mich im Verhältnis zu ihnen. Kann vergleichen. Kann abschätzen. Kann versuchen, zu verstehen, wo ich im Leben eigentlich stehe. Was ich möchte. Was ich NICHT möchte. Manchmal auch, wie ich sein will. Und ganz nebenbei entstehen Gedankengänge, die schließlich zu einem dieser Posts führen, den Sie so eben lesen.

Ja, letztlich ist es nicht der Coffee to go und der Bikram-Yoga-Kurs, die eine Stadt zur Stadt macht. Auch nicht der dreißigste Wolkenkratzer, der fünfzigste verglaste oder verchromte Firmenpalast oder der unter- und überirdisch verlaufende Verkehr.
Es sind die Menschen. Wie sie in ihrer Vielfalt die Straße bevölkern. Wie sie sich in Gruppen sammeln oder doch wieder zum Einzelgänger werden und in allen ihren Eigenheiten und Kuriositäten ihren Weg gehen und sich der Öffentlichkeit zeigen. Es ist "Leute kucken", es ist aber auch "sich inspirieren lassen" und es ist ganz besonders "denken, träumen, projezieren".


Und jeden Tag das Abenteuer: Wer begegnet mir wohl heute?

Dienstag, 13. August 2013

Es war einmal ein Mädchen

Es war einmal ein Mädchen, das kam in eine fremde Stadt. Die Zeit hinter ihr war kalt und grau, ließ sie noch immer innerlich frösteln. Die Augen noch etwas schal und benommen in den Gliedern, blinzelte sie, als sich die ersten Lichtstrahlen durch den Staub kämpften. Es waren verworrene Pfade, die sie in besagte Stadt geführten hatten. Es hatte gedauert, bis sie ihn gefunden hatte, diesen Ort. Doch kaum war sie da, wurden ihre Augen mit jedem Tag klarer, so dass sie eines Tages tatsächlich die ganze Schönheit dieses magischen Ortes erfassen konnte, an dem sie über glückliche Fügungen gestrandet war.

Es vergingen Tage, Wochen, Monate, schließlich fast ein Jahr, bevor das Mädchen sein Glück wirklich fassen konnte. Zunächst hätte sie jeden Augenblick damit gerechnet, jemand könnte des Weges daherkommen und ihr alles wieder nehmen. Es hätte sich alles als Missverständnis, als Irrtum herausstellen können, doch die falschen Lottozahlen. Vielen Dank, dass Sie uns beehrt haben, und nun zurück wo du hergekommen bist. Es war aber auch einfach zu gut, um wahr zu sein. Diese Stadt gab ihr, mehr als gute Luft zum Atmen und ein Dach über dem Kopf, als wertvollstes Gut den Raum für ihre Fantasie. Irgendwann glaubte sie es doch.


Stundenlang spazierte sie an diesem Fluss. Ein besonderer Mensch war es, der ihr auch bald die verwinkeltsten Wege hinauf in ihre später heißgeliebten Berge zeigen sollte. Es waren die offensichtlichen Schönheiten der Gärten, Schlösser und historisch-mondänen Gebäuden, doch es waren für sie besonders die seltsamen Eindrücke, die zählten. Das im Neonlicht schimmernde Heizkraftwerk bei Nacht. Die Lässigkeit der weitaus weniger schicken Stadtviertel und der Geruch nach Essen und Leben dort in der Luft. Das Mädchen dankte Gott und allen potenziell verantwortlichen Instanzen, die ihm dieses wilde Glück im Herzen erlaubten.

Es folgte auf die erste ekstatische Euphorie nun eine lange Zeit der wohligen Gemütlichkeit. Eine tiefe Ruhe, die nun endlich einkehren konnte nach heftigen Stürmen und reißenden Wogen, die sie durchgeschüttelt hatten. Doch, wer lebt, der weiß: Das Leben kennt keine Happy Ends. Nach glücklichen Passagen setzt es sich zwangsläufig fort und kann rein statistisch nicht durchwegs positiv bleiben. So konnte auch die Geschichte des Mädchens hier nicht enden.
In seiner neu gewonnenen Selbstsicherheit wurde es seines Hafens bald überdrüssig. Es hatte sich Routine eingebürgert, ein allzu enger Rahmen gefestigt, so dass die einst als Schatz gewonnene Gleichmäßigkeit keine Gabe der Stabilität sondern nur mehr Unzulänglichkeit zu sein schien. Eine namenlose Panik, Entscheidendes, Spannendes im ruhigen Gang des trivialen Lebens zu verpassen, ergriff das Mädchen. Obgleich es sich geschworen hatte, dies nie zu tun, war es eines Tages doch so weit: Sie wachte auf, und wusste ihr Glück nicht mehr zu schätzen. Wie ein allzu liebender Partner wurde das süße Leben ihr lästig. Mit Feuereifer begann sie, neue Pläne zu schmieden, um dem Hafen zu entkommen. Heute in eine nahe gelegene Stadt, morgen schon auf einem anderen Kontinent, katapultierte sie sich gedanklich und mit Hilfe von Träumen und Internetrecherchen jeden Tag in ein anderes Leben. 

Nach drei Jahren kehrte das Mädchen ihrer Liebesstadt den Rücken zu und war sich sicher, die Zeit des Aufbruchs wäre gekommen. Das Boot stach in See gen unbekannte Zukunft und jeden Zweifel schob sie beiseite. Sie ahnte nicht, was sie erwartete.

Die Leere kam nicht gleich, aber sie kam. Das Mädchen verlor seine Weisen. Die Art, wie es dachte, glücklich war, liebte, schien nun unerreichbar. Das Glück überzogen von einer Plastikplane, durch die man nur schauen, nicht aber greifen konnte. Die Zeit, die kam, war düster und lehrreich zugleich. Zwischen Überlebensinstinkt und Hoffnungslosigkeit, bitterer Sehnsucht und Wehmut, schließlich Einsicht. Ein geliebtes Leben schien verloren.


Man darf auch hier nur von einem einstweiligen Happy End sprechen. Doch ich darf verraten: Das Mädchen kam zurück. Es musste Hürden überwinden. Wachsen, einsehen, verzichten und zulassen. Und ich darf verraten: Es hatte sich alles gelohnt, vielleicht für ihr ganzes Leben, mit Sicherheit jedoch für einen einzigen Augenblick.

Der, als sie aus dem Zug stieg und das Licht ihrer Stadt sie anstrahlte. Willkommen daheim.

Freitag, 9. August 2013

Oh du liebes Scheißwetter

Wie habe ich das vermisst. Die Wolken ziehen zu, es wird dunkel und grau und der Himmel scheint traurig zu werden. Noch gerade eben hat die Sonne gescheint, doch plötzlich ist sie so am Horizont verschwunden, dass man sich nur schwer vorstellen kann, wie sie noch einmal ausgesehen hat. Es beginnt, ein Wind zu pusten, eilig und mit einer vehementen Dringlichkeit rüttelt er an den Bäumen und kündigt an, was die nächsten Stunden passieren soll. Ohnehin schon düster, färbt sich die Umgebung nun fast bedrohlich. Sonst voller Trubel mit lauten Menschenstimmen, Gelächter und Geklapper, ist auf einmal alles ganz still. Es verschafft sich etwas Gehör, das uns allen erhaben ist, und vor dem wir uns fürchten: Das Wetter. Das Winseln in der Luft, das Rascheln der Bäume. Die Luft, wie sie sich elektrisiert. Dann die ersten Tropfen auf den Armen, wie man sie erst spürt, dann riecht und schließlich auf den Lippen schmeckt. Ich, schreit der Wind durch das Geäst, ich bin hier der König! Und wir, pflichtet der Regen bei, wir können dich nass machen. Such du dir doch deinen Schirm, aber du spürst und hörst uns, du entkommst uns nicht.

Es ist nicht sehr schön und es ist gewiss nicht angenehm, wenn man draußen unterwegs ist, wenn ein Gewitter losgeht. Ich habe es so eben wieder erfahren. Es wird einem kalt, was auch immer man anhat scheint einfach nicht vor der Naturgewalt Wetter isolieren zu können. Gerade eben noch alles in der Hand und kosmopolitisch und mit modernsten Techniken ausgestattet selbstbewusst seines Weges marschiert, stutzt man auf einmal, überrumpelt davon, was ein dunkler Himmel mit der Seele macht. Ich will nicht melodramatisch klingen, aber ein wenig wird mir in solchen Momenten bewusst, dass wir stets ausgeliefert sind. Deggendorf can tell.

Ich habe es, ohne hier Hochwasseropfer auf irgendeine Weise brüskieren zu wollen, dennoch so vermisst. Es war nur noch heiß die letzte Zeit und wenn es nicht heiß war, war es warm. Man ächzte, man schwitzte, doch eigentlich war es nicht die Hitze, die mich persönlich am meisten irritierte. Es war mehr diese Konstanz, dieses lethargische Einpendeln auf ein klimatisches Kontinuum ohne große Abweichungen. Honigsüß, lieblich, jeden Morgen Pfannkuchen. Wer mag das schon. Es heißt damit ja dann, zumindest für den alles andere als verwöhnten Mitteleuropäer, für den Sonnenschein und Wärme unabhängig von der tatsächlichen Frequenz stets ein Luxusgut zu sein scheint, dass man was damit anfangen muss. Einfach daheim sitzen und gammeln, wenn draußen die Sonne strahlt? Undenkbar! Fast schon froh war da wohl manch ein Bürohengst, dass er zumindest einen Teil des Tages eine gute Ausrede hatte, nicht jede solarerhellte Sekunde draußen zu nutzen und zu genießen.

Und dann so etwas. Düster. Nass. Kalt. Ich friere, ich habe mich verlaufen, suche meinen Weg. Ich spüre, wie sich meine Kleidung vollsaugt und meine Zehen nicht mehr. Die Finger machen auch langsam schlapp. Wie ich dann die Bushalte fand und dann noch ein Bus kam: Unbeschreiblich. Ich saß drinnen, spürte, wie das Blut wieder warm in meine Extremitäten strömte und sah hinaus. Der Bus schaukelte und wackelte, die Menschen schauten ein bisschen grimmig drein. Und doch war es der schönste Ort der Welt in diesem Moment für mich.


Ich glaube, der Punkt ist: Wetterumschwünge, plötzliche Gewitter, vom Sonnenschein in den Regen in die Traufe und wieder weiter zu den nächsten zart aufkeimenden Strahlen, die sich durch Wolkendecken ihren Weg erkämpfen - das ist doch Leben. Denn wann könnte man sich je lebendiger fühlen, als wenn man vom Wind durchgerüttelt, von Wasser überschüttet und durchgefröstelt in einen warmen, lieben Bus kommt.

Das Herz klopft, Poren trocknen, Blut pulsiert.
Endlich wieder wach!

Dienstag, 6. August 2013

Vertrauen

Da sitzt sie nun und stiert ins Wasser. Manchmal ist das Leben stumm. Sie ist weit gelaufen, hat die Musik sehr laut geschaltet, wollte sich müde machen. Die Kilometer hatten sich aneinander gereiht wie Perlen an eine Kette. Und schön wie eine Perlenkette konnte sie sich nur fühlen, wenn sie spürte, wie ihre Oberschenkel arbeiteten. Wie ihre Muskeln sich kontrahierten, um der großen Anspannung in ihrer Lunge Platz zu machen. Statt Tränen war es der Schweiß, der kullerte und irgendwann war selbst diese Kette beendet und verlangte nach Ihrem Öse, um einen Abschluss zu finden. Nun sitzt sie da und wüsste gerne, ob dies ein Moment war, bei dem andere weinen würden.

Ich würde gern schwimmen, denkt sie sich. Ich würde gern tauchen und dann wieder leben und spüren. Stattdessen ist da ein namenloses Nichts, das sie lähmt und benommen benebelt, dennoch leicht schockiert einfach nur geduckt dasitzen lässt. Ein bisschen fühlt sie sich, als wäre sie körperlich behindert, weil sie verkrampft da sitzt, wie ein Frosch vielleicht.

Was war da nur passiert. Sie konnte es selbst nicht wirklich sehen. In ihrem Kopf nur verworrene Gedanken, schlimme Erinnerung und doch über allen mehr als Hoffnung eher eineGrundeinsicht, dass alles gut werden würde. Aber in diesem Augenblick gibt es nichts, das sich mit dieser Grundeinsicht paaren würde.

Atme ein, atme aus. Das Wasser fließt seines Weges in dem Fluss. Das Leben tut es auch.

Sie schließt die Augen und in ihrer Vorstellung beginnt sie zu lächeln. Ein zögerliches und nur in ihrem Kopf. Doch der Gedanke macht sich breit, seit das Wasser in seiner Weise den Gang der Dinge demonstrierte. Und sie spürt, dass es wahr ist. Das Wasser murmelt es, die Blätter im Winde, wie sie rascheln, raunen es und selbst das tösende Geräusch der Autos auf der nahegelegenen Straße artikulieren es lautstark.

Das Zauberwort heißt: Vertrauen.

Freitag, 19. Juli 2013

Erinnerungen an eine Insel

Wann immer ich die Augen schloss, konnte ich das blaue Wasser spüren, wie es sich um meine Arme schmiegte. Das Gefühl, wenn man nur mit dem Nötigsten bekleidet und ganz ohne modernen Schnickschnack wie Schminke oder Armbändern durch den Tag geht auf nackten Fußsohlen. Wenn die Haut braun und das Gesicht abends ganz rot wird, weil man auch die Sonnencreme glatt vergessen hat. Auf dem Körper sind Hautfetzen, Schrammen, am Fuß ist die Hornhaut schon dicker. Die Lässigkeit lässt ihre Spuren, doch du nimmst es in Kauf, weil du dich nie im Leben so frei gefühlt hast. Ein bisschen ist es wie das Leben eines Wilden, hier am Meer und umgeben von Landschaft, die so riecht, wie du dir vorstellst, dass der Amazonas riechen könnte. Es knackt, fremde Vögel schreien eigentümliche Lieder, eine Kröte mit dem Resonanzkörper eines ausgewachsenen Ochsen röhrt, selbst die Luft scheint hier zu wispern.



Du kämpfst dich so durchs Gestrüpp, kletterst über Felse und schlenderst von Menschen notdürftig errichtete Holzpfade über die Küste entlang. Schaust den Menschen bei ihrer Arbeit zu. Wie die eine Dame, die wie 80 aussieht, aber vermutlich schon weit über hundert Lebensjahre zählt, sorgsam Kleider für den örtlichen Basar zusammenschneidet. Wie andere gemeinsam in einem größeren Menschengesammel ihren Müll verbrennen und es plötzlich so eigentümlich schlecht und auf fremde geheimnisvolle Art gut riecht. Wie Obst und Gemüse auf den Märkten angepriesen werden und Fleisch und Undefinierbares auf offener Straße gegrillt und direkt von der Hand in den Mund gegessen werden. Es duftet himmlisch, es stinkt bestialisch, es ist ein Mix, der süchtig macht.

Am liebsten siehst du den Fischern zu, wie sie auf ihren Kajaks aus dunklem Holz gen Horizont lossegeln, um für ihr täglich Fisch zu sorgen. Natürlich gibt es auch die Motorboote, die frech ihre Bahnen entlang der Strandung ziehen, die lärmen und ein bisschen so riechen, wie der Müll, der verbrennt. Aber hier ist alles viel zu träge, um sich an etwaigen Widersprüchen aufzureiben. Der 7Eleven existiert hier neben dem für diese Insel typischen Krimskrams-Wirhabenalles-Laden, ohne dass sie sich zanken müssten. Miete zahlen sie vermutlich beide nicht. Überhaupt, was du hier kaufen kannst, kennst du zu 95 Prozent noch nicht. Das Sortiment im Laden ist so fremd wie der Geruchscocktail in der Luft und die Gedanken des Menschens dir gegenüber, wie er dich anlächelt.

Es ist ein Inselleben hier, man hat es nie weit. Am Anfang gingst du noch alles zu Fuß, schließlich machte aber die Hitze den Roller, DEM Vehikel hier, nicht nur den Einwohnern sondern auch dir selbst sympatisch. Das Brummen und Wackeln und Scheppern ist ohnehin ein eigenes Highlight, fasziniert dich wie als Kind der Looping in der Achterbahn. Allein schon mit dem Tragen des Helms umgeben von wilder Dschungellandschaft und fremdartigen Holzbauten lässt dich so fühlen, als wärst du Teil irgendeines ziemlich coolen Sondereinsatzkommandos. Und dann, wrummwrumm, geht es los und du hältst dich fest und die Trillerpfeifen der Abenteuerlust stimmen ein Jubelkonzert im Magenbereich an.

Und dann dieses Essen. Ebenso einfach, wie du hier deine kurze Baumwohlhose und weit schlabberndes Batikoberteil auf nackter Haut trägst, setzt du dich hier an Tische aus Plastik oder Holz, ohne Formalitäten achten zu müssen. Sie sitzen hier und essen und reden und lachen und essen. Du setzt dich dazu, verstehst kein Wort, aber fühlst dich auch nicht alleine. Und du empfindest jeden Bissen als den größten Gaumengenuss, den du je kosten hast dürfen, wie das entscheidende Stück, das dich vor dem sicheren Hungertod rettet und nun Teil deiner Seele wird.

Sind es vielleicht doch nur die preisgünstigen Massagen und die feine Küche, die dieses Ort zu so einem Nirvana der Seligwerdung machen? Mitnichten, denn schon als du deinen ersten Thai getroffen hast, wurdest du neugierig auf ihr Leben. Wie sie dachten, was sie fühlten, warum sie die Dinge taten, die sie taten, überhaupt, wer sie sind.
Und dann ist es die Essenz der Insel selber, die dich auch ohne jede Annehmlichkeit in ihren Bann zieht und dich ganz stumm und aufmerksam werden lässt für das, was dich umgibt. Wie geht das, fragst du dich, dass man schon nach ein paar Tagen alles in eine Kiste packt, was man nicht mehr braucht, und auf dem Meeresgrund des türkisblauen Wassers blubbernd versinken lässt?

Es ist wohl die Freiheit. Du bist nun da, du hast nicht viel, du brauchst nicht viel, du gehst nicht mehr. Es ist warm und du kannst tagelang nur so sitzen und den Wind um die Nase spüren und deine Träume träge mit der Hand aus der Luft haschen, weil sie nun gar so nah an eben dieser Nase vorbeiziehen. Du kannst sie lesen, kannst nun schlafen und träumen.

Und den Fischern zusehen, wie sie gen Horizont steuern, mit ihren Kajaks.

Mittwoch, 10. Juli 2013

Ja, was will sie denn

"Hast du Probleme, das ist kein Drama. Das ist das Leben. Das ist das Programm(a, im Spanischen schöner gereimt)." So ist wohl das zu übersetzen, was ein Kerl mit dunkler aber irgendwie seltsam verständnisvoller Stimme auf spanisch in meine Ohrstöpsel haucht, wenn ich morgens meine Runden über die Ebersberger Hügel drehe. Ich fühle mich diesem Herren aufs Innerste verbunden, obgleich ich weder seinen Namen kenne, noch weiß, ob er sich diese Zeile überhaupt selbst ausgedacht hat. Aber es ausgesprochen zu hören war und ist für mich eine wahre Erleichterung.

Im Leben kommt es manchmal dicke und manchmal eigentlich nicht aber irgendwie doch. Eine seltsame Formulierung für etwas, das ich leider auf Anhieb nicht besser beschreiben kann. Was heute noch gut und glücklich, voller Tatendrang ist, kann morgen plötzlich stumm werden. Kann einen anschauen, mit unsicherem Blick und einem verlegenem Kopfkratzen. "Ja weiß ich jetzt auch nicht, was will sie denn..."
Wer von düsteren Momenten in seinem Leben spricht, weil die Oma gestorben ist oder das eigene Alkoholproblem endlich als solches samt drastischer Erkenntnisse eingesehen wurde, den versteht man. Man nickt, schaut verständnisvoll, ist es womöglich auch, sollte man bereits ähnliche Erfahrungen gesammelt haben.

Aber was ist, wenn da gar nichts ist? Eine ganze Weile baute man an einem Häuschen, Ziegel für Ziegel, dachte bereits in liebevoller Vorfreude an den zu bepflanzenden Vorgarten und freute sich seiner Dinge. Ein Ziegel hier, ein Ziegel da und die Sonne scheint auch. Doch waren es anfangs beeindruckende Fortschritte, wie aus einem Fundament bereits erste Häuserkonturen entstunden und schließlich sogar ein Dach darauf gesetzt werden konnte, ließ die Euphorie nach, als sich so etwas wie Alltag einkehrte. Es gab nicht jeden Tag einen neuen Ziegel zu platzieren und für den Garten blieb leider derweil keine Zeit.


Es ist die Krux eines jeden Menschen mit zu vielen Sehnsüchten, nehme ich an. Von Erzählungen weiß ich, dass ich mit meinem Häuschen-Problem wohl nicht die einzige bin. Wo ich viele der erzählenden Menschen dabei kennen gelernt habe, ist vermutlich auch kein Zufall: Auf Reisen, wie wir zusammen am Tisch in der gemeinsamen Küche von Hostels saßen oder aber auf der Rückbank eines Four-Wheel-Drives unterwegs durchs Irgendwo im Nirgendwo. Schön kann es fast überall sein. Aber am schönsten ist es eigentlich immer da, wo man gerade nicht ist.

Andere haben Angst davor oder verspüren zumindest deutliche Unlust, älter zu werden. Ich bin mir da nicht so sicher. Vielleicht hören dann irgendwann ja die nagenden Fragen auf. "Wohin willst du, wohin willst du", wird die eine Stimme nicht müde, mit zunehmender Dringlichkeit immer lauter um Gehör zu buhlen, während die andere mich mit Nachdruck erinnert, fast schon warnt: "Nicht stehen bleiben, Mädchen!" Und alle versammelten Kleingeister und Philosophen, die sich selbsternanntermaßen meine Beraterlein nennen, rufen sie im Kanon: "Da gibt es noch mehr!"

Und so kann es kommen, dass auf einmal jede Menge los ist, Gefühlschaos, Leere, Unsicherheit, Angst. Vielleicht sogar Trauer. Nicht, OBWOHL nichts ist, sondern WEIL nichts ist. Weil man das Gefühl hat, nun doch eher so stark gegen den Strom auf dem Tretboot zu rackern, dass man keinen Millimeter vorwärts kommt. Weil man andere vorbeiziehen sieht, die sich mit so vielen Dingen leichter zu tun scheinen. Weil man glaubt seine Ziele zu kennen, doch sich dann kurz vor der Zielgeraden plötzlich nicht mehr sicher ist. Weil man hier und da und leider oft auch an wichtigen Stellen aufs falsche Pferd gesetzt hat.

Das ist also das Programma. Nun gut, wenn das so ist, werde ich damit leben, so wie alle Menschen auch. Denn das bedeutet die Botschaft des oben erwähnten Zitats für mich: "Ja mei, passiert, jetzt stehst wieder auf und fängst was Neues an." Ein anderer Spruch, "Das Leben ist kein Ponyhof", den finde ich denkbar blöd. Mein Ziel: Das Leben zum Ponyhof machen. Auch das nicht ohne Verantwortung, schließlich will sich auch ein Pony versorgt wissen, von einem Hof ganz zu schweigen. Aber mit einem friedlich-fröhlichem Gefühl und der stillschweigend in sich hinein grinsenden Überzeugung, das richtige zu tun.

Geht das? Wir werden sehen.

Dienstag, 21. Mai 2013

Shared euch doch um euren eigenen Kram

"Shared euch doch um euren eigenen Kram." Ein Wortspiel, das meiner Mutter spontan über die Lippen kam. Erneut wurde sie auf einer Seite höflich darum angehalten, ob Sie denn nicht ihren Freunden mitteilen wolle, was sie da so eben durchgelesen habe. "Sharen", das Wort ist mittlerweile mindestens so bekannt wie "Liken" und hat seinen Ursprung in einer Mentalität, die es vielleicht schon immer irgendwie gab, aber nun zu einer Art Volksepidemie zu werden droht. Die Facebook-Mentalität.

Zunächst einmal entschuldige ich mich für die harte Wortwahl, denn Epidemien können selbstverständlich schlimmere Opfer verursachen als die von Facebook. Während bei einer Krankheit Menschen gar ihr Leben verlieren, verlieren sie auf und durch Facebook nur möglicherweise ihren Verstand. Dass ich selbst bereits infiziert bin, wurde mir klar, als ich die Widerworte in mir aufsteigen fühlte. Ist doch toll, dieses Teilen! Wir alle, eine Gemeinschaft, halten zusammen, gegen den Rest der Welt! (Der, der Facebook nicht nutzt...?) Ist doch eigentlich auch eine tolle Sache. Man sieht, hört, schmeckt, riecht, schnieft etwas (im medialen Sinne wohl primär die ersten drei, zumindest solange das GeruchsTV noch nicht eingeführt wurde) und kann daraufhin begeistert die ganze Welt an den so eben erlebten Wundern Teil haben lassen.


"Erlebnisse sind viel schöner, wenn man sie teilen kann" ist ja auch so ein Hauptargument, warum man nicht alleine reisen sollte/will. Allein hier ist schon eine Krux begraben, finde ich. Das ist so ähnlich wie all diejenigen, die verzweifelt alles mit der Digicam versuchen aufzufangen, was sie gerade sehen. Sie führen ein Leben hinter der Linse und sehen die Welt nur noch in einem viereckigen Rahmen. Die Frage, die sich stellt: Warum braucht es das eigentlich, dass da jetzt ein Foto sein muss, das Geschehenes genau dokumentiert und anschließend dem ganzen Rest der Welt präsentiert werden kann? In Zeiten als dann noch in gemütlicher Atmosphäre Bilder durchgereicht wurden und in der sich die Menschen noch die Mühe gemacht haben, in liebevoller Detailarbeit Fotoalben zu gestalten, erscheint es mir doch noch sehr verständlich. Klar, man will doch seinen Liebsten zeigen, was man da gesehen hat und wo man überall war. Faktum ist allerdings: Ein Freundeskreis von über 300 Menschen ist alles andere als eine Seltenheit auf Facebook. Und das sind dann alles liebe Bekannte, bei denen man möchte, dass sie die Welt ein wenig aus den eigenen Augen sehen können, die man so gern hat, dass man sie auf eine Reise mit zu Orten und Gedanken des eigenen Hirns mitnehmen möchte? Wohl kaum.

Fotos shared man auf Facebook ebenso wie Lieder, die man toll findet, Artikel, die man nicht toll findet, einfach alles, was den persönlichen Dunstkreist so berührt. Angeregt wird man ja, wie von meiner Mutter angemerkt, zu Genüge. Kaum mehr ein Produkt, auf dem nicht dazu angeregt wird, es doch bitte auf Facebook zu liken. Sucht man bei Google nach Bildern zum Thema "Mittelungsbedürfnis" kommt in tausendfacher Ausführung das allbekannte Fäustchen mit dem gestreckten Daumen. Das Ganze könnte suggerieren: "Es ist so wichtig, was ich da eben tue, das müssen meine Mitmenschen erfahren!" Als solches dient es vielleicht vielen zur Selbstbestätigung und zur Steigerung oder Aufrechterhaltung des Selbstwertgefühls. Aber: Ist das die geeignete Methode? Fast schon heischend wirkt da manch einer, mich selbst möchte ich da auf keinen Fall ausschließen. Um Aufmerksamkeit flehend. Spätestens wenn man quasi auf das Like wartet, das den eigenen Like liket, wird es absurd. Aber so ticken Menschen: Sie finden einmal eine Quell der vermeintlichen Integration und Anerkennung und wollen mehr davon. Wie weit ist es dann aber her mit dem vermeintlichen Selbstwert, wenn man so darum buhlen muss, angehört zu werden? Hat etwas denn keine Gültigkeit, wenn es nicht auch der Rest der Welt oder zumindest so viele wie möglich mitbekommen haben?

Ich will nicht ausschließen, dass auch manch ein sinnvoller Diskurs durch das Teilen von Informationen stattfinden kann. Ebenso wenig wie ich grundsätzlich jede Form des Sich-nach-außen-Mitteilens verteufeln würde (was als Blogautorin auch irgendwie ziemlich lächerlich wäre).

Auch meine Mutter hat sicher nichts dagegen, sich nach außen zu kommunizieren und verfügt über ein gesundes Interesse für ihre Mitmenschen. Aber sie hört Musik, liest Artikel und betrachtet und macht Bilder wohl überwiegend aus einem einfachen und sehr schönen Grund: Weil sie es mag. Weil es ihr persönlich gefällt. Vielleicht weil sie dadurch abschalten kann, sich ein wenig darin wiederfindet und letztlich eben genauso entspannen kann. Selbstfindung, heute verzweifelt in komplizierten Yogaverrenkungen gesucht, geht vielleicht viel einfacher als wir alle denken. Nicht so viel sharen. Nicht so viel liken.


Einfach machen. Und genießen.

Dienstag, 7. Mai 2013

Was sich liebt, das lobt sich?

Erst war ich stark irritiert. Dann peinlich berührt. Und schließlich kam da noch ein anderes Gefühl hinzu, das man als kühl und rational denkender Mitteleuropäer nur selten und sogar ziemlich ungern zulässt: Fast schon kindliche Freude, so pappsüß wie die zahnmordenden Lollipops und Doppelschokokekse dieser Welt. Heute traf ich einen Amerikaner.

Hin und wieder führe ich statt Hunde Menschen aus und zeige ihnen Salzburg. Die Opfer sind freiwillig und haben sich ihr Los auf Couchsurfing selbst gewählt. Einmal mit mir getroffen gibt es kein Pardon, ich habe noch jeden über die beiden Hausberge sowie die komplette Innen- und Außenstadt gejagt. Ernst beiseite: Den meisten hat das gut gefallen. Allerdings bin ich nicht sicher, ob sie sich getraut hätten, etwas Gegenteiliges zu behaupten ;-)


So kam es, dass ich heute einem 27-jährigen blonden und blauäugigen Amerikaner die schöne Mozartstadt aus allen erdenklichen Perspektiven zeigte (von oben, von unten, von im Berg drinnen, sprich Tunnel). Neben seinem strahlend weißen Lächeln immer eins in Begleitung: Die lobenden Komplimente die von eben diesen Zahnpasta-Werbebeißerchen herabregneten. Ich sei hübsch. Und klug. Und ich könne besser Englisch als er! (Ja, er ist Muttersprachler. Nein, ich nicht.) Ja und überhaupt sei es schon ein Wunder, dass ich meine Residenz nicht längst neben Gwyneth Paltrow und Heidi Klum aufgeschlagen habe. Ok letzteres habe ich erfunden, aber das mit dem Englisch hat er echt gesagt!



So und bevor ich jetzt den Eindruck erwecke, ich hätte mich so einlullen lassen, dass ich nun wie ein Drogensüchtiger nach neuen Komplimenten hechle, muss ich zunächst einmal betonen: Komplimente zu hören ist echt komisch. Das macht man bei uns nicht, irgendwie. Oder doch, aber dann sehr pointiert. "Schöne Bluse!" oder "Siehst gut aus!" sind Worte, die einen Tag auch in unseren Breitengraden durchaus häufiger versüßen. Ich habe da so eine Theorie: Die geringere Anzahl und der niedrigere "Lobradius" (also nicht: "Du bist klug!" sondern "Toll, wie du mit Zahlen umgehen kannst!") hat seine Herkunft daher, dass wir einfach nur sagen was uns auffällt. Meist sogar noch mit eingebautem Filter ("Wirkt das jetzt schleimig, wenn ich das so sage? Nicht dass sie/er noch denkt..."). Quasi widerwillig gesteht man schließlich, was einem gefällt. So empfinde ich ein Kompliment als normal und ehrlich gemeint, ohne Hintergedanken und unnötige Euphemismen.


Ja und dann war da der Amerikaner. Und er war nicht der erste. Selbst ein guter Freund, der in Deutschland geboren und aufgewachsen ist und schließlich in später Kindheit mit seinen Eltern nach Amerika zog, entwickelte dieses typische amerikanische "Gen", wohl eher aber eine dort übliche Verhaltensweise: Die "Life's awesome" (nur echt in kaugummigesprochen)-Attitüde. Und nicht nur das Life ist awesome. Eigentlich ist so ziemlich alles awesome. Das Gegenüber. Das Drumherum. Die eben ausgeführte Tätigkeit sowie die davor und die danach. Dementsprechend wird es schon leichter, nachzuvollziehen, woher das kommt mit den vielen Komplimenten. Es gehört zu dieser Einstellung einfach dazu.

Schon in Australien fielen mir deutliche Unterschiede zwischen der Umgangsweise bei uns und dort auf. Das, was bei uns freundlich, bestimmt und geerdet wirkt (und irgendwie, wie ich finde, auch sehr beruhigend und erfrischend) ist dort schlichtweg eins: Unbeholfen und unfreundlich. An der Supermarktkassa ist man das "Darling" und "sorry" hört man sogar noch öfter als bei uns, egal zu welcher Gelegenheit. So balancieren sie sich gegenseitig wie rohe Eier, fast wie in einem Wettkampf: Wer ist der freundlichste?

Was ich dagegen habe? Gar nichts. Aber: Es ist echt irritierend, wenn man so im mitteleuropäischen Kontext (ich ordne das jetzt einfach mal Mitteleuropa zu ohne das genauer recherchiert zu haben oder gar zu wissen, ist nur so ein Verdacht) mit eher zurückhaltender Höflichkeit und sparsamen Komplimenten, in solch ein Schaumbad der lieb gemeinten Worte gerät. Ich persönlich reagierte eigentlich jedes Mal mit "Noooo!" und wild abwehrenden Bewegungen, absolut unfähig, mit den verbalen Geschenken umzugehen. Ein paar mal sagte ich auch mal was Nettes zu ihm und darauf lächelte er glücklich und sagte freundlich "Thanks".

Irgendwann sagte er dann aber was, was ich sogar für plausibel hielt und mich wirklich gefreut hat. Es war pointiert, der Zusammenhang war nachvollziehbar und es war etwas, das ich nicht oft höre. Besser, ich verrate hier nicht, was es war. Aber da kam dann statt dieser fast schon aggressiven Abwehrhaltung meinerseits ein komisches Gefühl hinzu: Blubberblasige Freude. Wer hat nun Recht, der bärbeißige aber ehrliche Komplimentgeizer oder der überschwängliche Worteschenker? Keine Ahnung.

Aber war wirklich nett, diesen amerikanischen jungen Herrn heute kennenzulernen. Er schenkte mir eine liebe Postkarte von seiner Heimatstadt und, mir fast noch lieber, die Inspiration zu diesem Artikel.
In diesem Sinne: Thanks!

Freitag, 3. Mai 2013

Die Inkognito-Leserin

Psst... Ich habe ein Geheimnis. Schon seit geraumer Zeit bediene ich mich eines Mediums, das offensichtlich nicht für mich bestimmt ist. Ich finde die Themen spannend, tauche hier mal in fremde Welten, dort in die niedlichen Weiten eines babyblaues Layouts mit Schafwölkchen ein... doch spätestens wenn sich die Redakteur/innen (vorzugsweise -innen) in ihren Texten und Artikeln über, ihrer Meinung nach, "allgemeine Themen" ergießen und sich an die vermeintlich gemeine Leserin wenden, wird es mir schlagartig klar: Die meinen nicht mich.

Die Rede ist von Frauenzeitschriften. Die klassische Zielgruppe scheint mit mir maximal das Alter und bestimmte ästhetische Ansprüche zu teilen. Ansonsten ist sie wie folgt: Berufstätige "Business"-Frau, und das nicht irgendwie, sondern in einem 9to5/6, manchmal 7, wenns blöd kommt 8-Job, hat maximal ein Kind, ist liiert und steht auf alles, auf dem der Begriff "Lifestyle" prangt. Sie ist bestens integriert in einen umfassenden Freundeskreis inklusive ihrer "Girls-Clique" (Achtung, Grundvoraussetzung!), mindestens einem schwulen besten Freund und natürlich einer allerallerbesten Busenfreundin. Zu ihren Eltern, insbesondere der Mutter, hat sie ein distanziertes bis zeitweise krisenhaftes Verhältnis, da sie zu oft anrufen. Sport ist für sie ein lästiges Mittel zum Abnehmen. Sollte es doch mal Spaß machen, wird sogleich ein himmelhochjauchzender Artikel geschrieben. In dem wird das neu entdeckte Anziehen der Laufschuhe dann mit einem derartigen Enthusiasmus verkündet, dass der Erfinder des Rades ganz blass wird. Das Power-Gefühl ebnet aber auch schon wieder ab, sollte es doch mal ziepen und am Ende sogar anstrengend sein. Die Themen der Zeitschriften sind durchaus bunt und vielfältig, aber wenn es um gewisse Bereiche geht, wird die vornehmliche Adressierung an die Leserin überdeutlich.


Allein das mit dem Job: Die Standard 20- bis 30-jährige Frau scheint ständig wichtige Präsentationen zu leiten, hat immer einen schwierigen Vorgesetzten, mit dem sie endlich über ihr zu niedriges Gehalt verhandeln sollte und eine Kollegschaft, bei der von der Lästerkuh bis zum Machoarsch und der netten Kollegin von nebenan jedes Klischee bedient wird. Sie sollte jeden Tag zu neuen Ideen anregen, wie beispielsweise mittags, statt zu Essen, ein fröhliches Mittagstänzchen zu zelebrieren, wie es nun ein Trend in Schweden zu sein scheint. Oder das nächste Meeting doch bitte nicht in den hauseigenen Räumen sondern auf einer hübschen Alm zu halten. All das mag Realität in einer schicken Marketingagentur mit neuzeitlicher Einstellung (und viel Geld) sein. Aber im Krankenhaus, in der Schule, auf der Post? Naja, wer arbeitet da schon.

Ich könnte mich jetzt noch seitenweise darüber ergießen, welche anscheinend selbstverständlichen Eigenschaften so eine 20- bis 30-jährige Frau offenbar mit sich bringen sollte, aber ich denke, es langt. Ich will nun nicht zu weit ausholen, mich von diesem Standard des weiblichen Leserinnen-Archetypus abzugrenzen. Nur soviel: Ich habe NICHT fünfhundert Freunde und meine Mutter ruft mich nicht zu oft an. Ich habe mehr männliche als weibliche Freunde, von denen zugegebenermaßen einer wirklich schwul ist. Eine beste Freundin habe ich nicht, dafür aber eine Handvoll Menschen, denen ich mein Leben anvertrauen würde. Und eine "Girls-Clique" habe ich in meinem Leben höchstens in schweren Teenager-Tagen vermisst.

Da man nicht nur von sich auf andere schließen sollte, habe ich mal nachgedacht. Tatsächlich fallen mir in meinem näheren Bekanntenkreis durchaus Beispiele ein, die Frauenzeitschriften vermutlich adressieren und als ihre Zielgruppe erkennen. Zwei. Der Rest? Hat hier ein extremes (eher den Männern zugeordnetes) Hobby, da einen Pflegerjob, bei dem sie jede erdenkliche Schicht und nicht "nur" von 9 bis 5 abarbeiten muss. Dort eine vehemente Abneigung gegen ernährungswissenschaftlich anerkannte Abnehmtipps und: Die Nägel lackieren sie sich auch nicht, nicht einmal mit diesen neuen hübschen Mustern, wie neulich in der Zeitschrift XY präsentiert.

Wer denkt, die würden dann entsprechende Zeitschriften auch gar nicht lesen, ist auf dem Holzweg. Andersrum müsste man ja annehmen, jeder, in dessen Händen man den Rücken des jeweiligen Mediums erkennen kann, entspräche dann wohl auch dem jeweiligen Leserinnenklischee. Wohl kaum.
Warum ich die Zeitschrift lese? Weil ich sie mag. Ich entspreche zwar nicht der Vorstellung der Redaktion von ihrem Publikum, aber viele Themen und die lustige und durchaus intelligente Schreibweise entsprechen meinem Geschmack. Das reicht mir.

Donnerstag, 28. März 2013

Lebst du noch oder bewirbst du dich schon?

Wenn es ein papierlichtes Ding gibt, das die heutige Zeit perfekt präsentiert, dann sind es wohl die Bewerbungen. Zum hundertsten-, tausendsten mal gleiten die Finger über die Tastatur, werden Bilder, Lebensläufe, Zeugnisse wie diverser veranschaulichender Kleinkram angefügt, wird über den richtigen Schleimgrad zwischen "zu uninteressiert" und "triefend" sinniert und möglichst pfiffige aber doch professionell klingende Adjektive in den Weiten des Kopf- und Internetwortschatzes gesucht. Willkommen im Paradies der unendlichen Möglichkeiten. Eine gelungene Bewerbung und du hast den Jackpot geknackt. So zumindest wirkt es, wenn man sich mal durch die Jobannoncen durchklickt.

Ich wage mal die Vermutung: Es gibt keinen Job, der nicht hin und wieder angenehm geeignet wäre, ihn gegen einen anderen Job einzutauschen. Weil einfach jede noch so tolle Tätigkeit ihre Schattenseiten hat, weil sogar die zunächst reizvollen Faktoren mit der Routine langsam abgeschliffen und irgendwann genauso rund und lauwarm wie alles andere werden können. Und dann wäre da noch das Gras, das bekanntlich immer auf der anderen Seite grüner ist. So kann man also bereits in einem schönen Hafen mit netten Menschen und ansprechenden Aufgaben angekommen sein, das Phänomen packt viele dennoch. Man sieht wahlweise das Boot, mit dem wir in Richtung See mit Abenteuer im Herzen starten und das Blut wieder in Wallung bringen könnten oder aber auch schon den Hafen der nächstgelegenen Insel, der tatsächlich noch viel prächtiger und spannender wirkt, so aus der Ferne. Manch einer hat vielleicht auch von einer noch viel entfernteren Insel gehört, von dessen Existenz er sich nun unbedingt auf eigene Faust überzeugen muss.

Genug der Metaphern, ich glaube, ich habe meinen Punkt erläutert. Im Hier und Jetzt ist alles schön und gut, "kann nicht klagen" trifft es. Doch wer wird denn da bitte stehen bleiben wollen? In der heutigen Zeit voll Digitalisierung, Globalisierung und noch viel mehr -ierung? Von Wandel, Wachstum und Welterkundung?
Auf auf, zu neuen Ufern. Es wird ja auch wirklich alles in Frage gestellt, MUSS in Frage gestellt werden, wenn man doch ständig per Facebook und das Internet generell die Vergleiche mit anderen vor die Nase gezerrt bekommt. Das eigene gefällt vielen nur so lange gut, wie die anderen nicht was Besseres haben. Und da sich wohl niemand wirklich bis in den letzten Eckzentimeter seines Bewusstseins und seiner Persönlichkeit kennt, bleibt immer zumindest eine Restunsicherheit: Ja, bin ich denn wirklich so? Und nicht eher so? Was nochmal war es, was ICH wollte?

Also schreibt man Bewerbungen. Ganz gleich, ob man bereits einen Job hat oder eigentlich schon andere Pläne hatte. Hier winkt ein Angebot, dort die Möglichkeit, sich weiterzuentwickeln. Sich selbst präsentieren, die eigenen selbstständig gemeisterten Schritte sorgsam aufzählen und weiter im Namen der höchstpersönlichen Ich-AG im Strudel von Millionen anderen Ich-AGs für den höchstpersönlichen Fortschritt kämpfen. Was soll man in so einem Strudel auch sonst tun?


Jetzt definiere mir nur einmal jemand Fortschritt.

Mittwoch, 20. März 2013

Das Leben und so

Vor kurzem hatte ich eine Begegnung der besonderen Art. Ich ging mehr aus Planlosigkeit hinein und ärgerte mich zunächst über einen gefühlt zu hohen Preis. Doch wir waren in munterer Gesellschaft, also nahm man es in Kauf. Bei der Begegnung handelte es sich um einen Kinobesuch und einen für mich in diesem sehr speziellen Moment sehr speziellen Film.

Es war einer, der knapp an Reality-Show vorbeischrammte und authentischer daherkam als manch ein reales Gespräch, das man im Laufe des Lebens so geführt hat. In "Nägel mit Köpfen" ging es um all das, was eben dieses Leben ausmacht. Die Existenz alleine, zu zweit, in einer Familie im gemütlichen Häuschen mit Garten ringsumher oder schicken Zweizimmerwohnung irgendwo mitten im Takt einer wummernden Großstadt.

Gemeinhin könnte man manchmal annehmen, solche Gedanken, Grübeleien und Zweifel kämen nur im eigenen Schaltkasterl vor, nicht aber in den Köpfen der anderen. Sicher, man liest hier einen philosophischen Artikel, schnappt dort ein inspirierendes Zitat auf und kennt all die Neuzeitliteratur, die nicht müde wird, sich mit dem Sinn des Lebens und der Kunst, glücklich zu werden, auseinanderzusetzen.

Doch wenn ich in den Vorlesesaal meiner Universität gehe und mich umsehe, sehe ich erstmal nur lauter Menschen, die viel zu eingebunden sind, als dass sie sich ihren Kopf zerbrächen. Ebenso beim Spaziergang an der Salzach: Alles Leute gut verteilt in Gruppen, die Alltagsbeschäftigungen mit eben dieser Selbstverständlichkeit nachgehen, die ihnen ja eigentlich auch gebührt. Eigentlich. Aber was ist eigentlich selbstverständlich? Etwas, das sich mit der Zeit aufgebaut hat vielleicht. Fehlen dann einfach noch ein paar Reihen Klötze, damit die Existenzgrundlage endlich soweit aufgebaut ist, dass ich gar nicht mehr grübeln muss? Irgendwoher muss das ja kommen, dass man im einen Moment einfach gerade aus geht und im nächsten ganz unklar darüber ist, ob man nicht zurück oder zumindest nun abbiegen sollte.

Ich gehe mal stark davon aus, dass der sehr subjektive und situationsbedingt selektive Eindruck von der Unbeschwertheit und "Unbedachtheit" (ohne die negative Auslegung  des Wortes damit zu meinen) sowohl der Menschen in der Uni als auch an der Salzach, wenig mit der Wirklichkeit zu tun hat. Tatsächlich wird man auch mich lachend in einer Gruppe antreffen, aus den Augen von jemanden, der mich seinerseits für unbedacht und einfach dahin lebend hält.

Einfach dahin leben. Das tut vielleicht eh keiner. Und hier komme ich endlich auf den Film zurück. Es wurden viele Schicksale gezeigt, die einerseits so normal wie nur irgend möglich, andererseits zumindest auf jeden Fall glaubwürdig wirkten. Das schwule Pärchen, das sich hin und wieder fetzt, aber genau seines Glückes bewusst ist, bis es sich am Ende leider doch trennt. Das hetero Pärchen, bei dem die Frau will, der Mann aber nicht. Das andere hetero Pärchen bei dem beide wollen, und zwar ein Kind, es aber erst am Ende mit einer Adoption schaffen. Und ein weiteres hetero Pärchen bei dem eigentlich auch beide wollen, aber sie muss halt ständig auf Tournee gehen. Diese Schicksale haben in ihrer Darstellung ein wenig an eine Realityshow erinnert, was schon für sich sehr interessant war, für mich aber abgesehen vom Unterhaltungswert nicht der springende Punkt ist.

Der springende Punkt waren tatsächlich und ganz besonders die Dialoge. Und die Monologe, wenn einer über seine derzeitige Lebenssituation sinnierte. Wie da gezweifelt, gezögert, gestaunt, gestanden und geredet wurde, das war wie heilendes Balsam für meine von Fragen immer wieder geschundene Seele. Sie reden zu hören, wie sie ohne großes Drama das aussprachen, was im menschlichen Kopf so vor sich gehen kann. Wie sie humorvoll damit jonglierten und damit durchaus Inspiration gaben, doch auch den Blick aufs eigene Leben mal ein wenig zu lockern.

Es war ein kleines Kino, genauer gesagt "Das Kino" in Salzburg. Was die Besonderheit dieses Abends für mich auch ausmachte, war das lauschige Gefühl, das sich ergibt, wenn deutlich unter 40 Leuten in einem Kinoraum sitzen. Keiner tuschelt, keiner knackt geräuschvoll mit seinen Tortillachips und ein ganz besonderes Wir-Gefühl kehrt ein. Es wird gemeinsam gelacht und Sympathien werden allein schon über diese simple Form der Kommunikation des Miteinander-etwas-Teilens ausgetauscht.

Und so war der Film und das Erlebnis das ich mit ihm verbinde für mich eben jene besondere Begegnung. Eine Begegnung mit einem Verständnis, das sich nun immer mehr hilfreiche Wurzeln in die Wirrungen meines Denkens schlägt: Letztlich im ärgsten Zaudern und Wundern teilen wir uns genau das. Denn das ist Menschsein.