Montag, 18. November 2013

Du, mal ganz ehrlich...

Viele Menschen begegnen einem auf dem Weg vom ersten Augenreiben am Morgen bis zum letzten Gähnen am Abend. Diese Menschen kennen uns mal gut, mal weniger, mal überhaupt nicht. Manche sind nett, manche tun nur so, und manche machen keinen Hehl daraus, dass sie es nicht sind. Ein paar ganz wertvolle sind lieber als es ihr grantiges Erscheinungsbild suggeriert. Aber hierauf wollte ich nicht hinaus. Denn all diese Menschen, die doch offenkundig so unterschiedlich sind, haben alle eine ganz bestimmte Eigenschaft auf unheimliche Weise gemein: Sie haben eine Meinung und sind vor allen Dingen der Meinung, dass diese Meinung auch jeden und insbesondere dich (!) zu interessieren hat. Weshalb sie diese auch lautstark und ohne mit der Wimper zu zuckern äußern. Ein Vorrecht der Meinungshaber, quasi.

Nun will ich nicht gleich im Vorne herein alle Menschen kritisieren, die den Mut aufbringen, eine eben solche Meinung offen zu sagen. Insbesondere bei Engverwandten und Dickbefreundeten ist es in manchen Fällen sogar eine Art heilige Pflicht, wahlweise die eigenen Hosen oder die des anderen herunterzulassen und tacheles zu sprechen. Findet man die beste Freundin zum fünften Mal in Folge in einem Zeitraum von fünf Tagen  umgeben von stetig wechselnden Schnaps- und Wodkaflaschen auf, so empfiehlt sich als erster Schritt durchaus, ein Problem, das kaum zu übersehen ist, auch anzusprechen. Gerne auch mit dem berühmten Tritt in den Hintern und Unterstützung für den ersten Entzug. Für eine Freundschaft selbstverständlich? Weiß ich nicht. In diesem Fall kann Ehrlichkeit etwas bewirken. Im besten Falle, ein Leben zu retten.

Nach dieser leicht dramatisch inszenierten Erläuterung möchte ich nun zu folgenden Fallbeispielen kommen, deren Ehrenhaftigkeit in ihrem Vorgehen des Meinungsvortrags sich mir einfach nicht erschließen will. Ein konkretes Beispiel passierte mir jüngst. Heute. Nach dem Laufen ein paar Runden geschwommen, kam ich erholt aus dem Wasser, trocknete mich ab und fühlte mich wie Gott in Frankreich. Herrlich. Doch mein Unglück nahte bereits an mich nichtsahnende Kreatur heran. Ein Bademeister im weißen T-Shirt. "Scho fertig für heit?" "Ja. "Na, da warst aber nicht fleißig." Bam. Grundschule lässt grüßen. Von Herrlich-wohlig-tralla zu Hilfe-ich-hab-was-falsch-gemacht. Mit dem Kommentar von einem, dem weder mein Nachnamen noch die Tatsache bekannt ist, dass ich zuvor innerhalb zweier Stunden einen beträchtlichen Teil Salzburgs abgelaufen bin.


Ich würde mich ja gerne darüber auslassen, was das nur für ein unseliger Trottel ist, aber eigentlich muss ich gestehen: Ich kenne ihn und er ist eigentlich ganz nett. Der Kommentar war nicht unbedingt ein Meilenstein seiner besten Zitate und war vermutlich auch nicht als solcher angelegt. Will heißen: Er führte vermutlich (auch wenn ich zunächst von Gegenteil fest überzeugt war) nichts Böses im Schilde. Er hat einfach geredet.
Und sowas passiert oft. Die Menschen finden einen in abwechselnder Reihenfolge und unregelmäßigen Abständen zu dick, zu dünn, zu salopp, zu höflich, zu deutsch, zu salzburgerisch, zu schieß-mich-tot.
Allein schon Tonfälle sprechen oft Bände über die tatsächliche Meinung einer Person.

Die wesentlich wichtigere Frage als nach dem "Warum halten die nicht einfache ihre Bappn?" scheint mir doch eher "Warum kratzt's mich?". Und überhaupt: War da nicht was von freier Meinungsäußerung? Menschenrechte und so? Also aus reiner Eitelkeit und Spitzfindigkeit den Menschen künftig das Meinung-Sagen zu verbieten, mündet wohl nicht unbedingt in einen friedvolleren Planeten. Eher das Gegenteil.

Ich ziehe nur meine eigenen Schlüsse daraus und die lauten wie folgt: Ich sage NICHT jedem meine Meinung. Wenn ich jemanden zu fett finde, werde ich einen Teufel tun, und ihn komisch anschauen, wenn er auf der Straße seine Pizza verdrückt. Wenn ich jemanden uncharmant finde, versuche ich ihn weiträumigst zu umgehen, verspüre aber nicht den innerlichen Drang, ihm meine Asympathie mal eben mitzuteilen. Und wenn jemand imZug seine straßenbeschuhten Füße auf die Sitzbank vor ihm parkt und es sich gemütlich macht, bin ich die Letzte, die ihn ruppig darauf hinweist, dass das strengstens verboten ist. Kann ja meinetwegen das Bahnpersonal machen, das wird dafür bezahlt.

Aber neulich, da war da dieser eine Badegast. Der unterhielt sich in einer Lautstärke, dass wohl auch die umliegende Nachbarschaft, vielleicht der ganze Stadtteil an dem Gespräch teilhaben durfte. Seine Gesprächspartnerin sprach mit angenehmer ruhiger Stimme. Die hörbaren Differenzen zwischen sich und seiner Frau (?) schienen weder ihm noch ihr aufzufallen. Ich schwamm und versuchte, ein- und auszuatmen. Peace, alles gut. Doch selbst unter Wasser wurde ich Ohrenzeugin von Verdauungsproblemen und Fußpilz. Da reichte es mir. Ich nahm den Herrn auf meinen Kurs, sah ihn an und fragte: "Reden Sie immer so laut?" Geholfen hat's leider nix. Der Mann hat mich nur erstaunt mit erhobenen Augenbrauen angeblickt, als wäre ich als Lochness so eben aus dem Wasser gestiegen, wandte sich dann wieder wichtigeren Angelegenheiten zu. Fußpilz zum Beispiel.

Was mich die Sache lehrte: Auch ich kann meine Bappn manchmal nicht halten. Und ich fürchte das kann nur eine Ursache haben: Ich bin ein Mensch. Dann muss ich das die anderen wohl auch sein lassen.

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