Dienstag, 21. Mai 2013

Shared euch doch um euren eigenen Kram

"Shared euch doch um euren eigenen Kram." Ein Wortspiel, das meiner Mutter spontan über die Lippen kam. Erneut wurde sie auf einer Seite höflich darum angehalten, ob Sie denn nicht ihren Freunden mitteilen wolle, was sie da so eben durchgelesen habe. "Sharen", das Wort ist mittlerweile mindestens so bekannt wie "Liken" und hat seinen Ursprung in einer Mentalität, die es vielleicht schon immer irgendwie gab, aber nun zu einer Art Volksepidemie zu werden droht. Die Facebook-Mentalität.

Zunächst einmal entschuldige ich mich für die harte Wortwahl, denn Epidemien können selbstverständlich schlimmere Opfer verursachen als die von Facebook. Während bei einer Krankheit Menschen gar ihr Leben verlieren, verlieren sie auf und durch Facebook nur möglicherweise ihren Verstand. Dass ich selbst bereits infiziert bin, wurde mir klar, als ich die Widerworte in mir aufsteigen fühlte. Ist doch toll, dieses Teilen! Wir alle, eine Gemeinschaft, halten zusammen, gegen den Rest der Welt! (Der, der Facebook nicht nutzt...?) Ist doch eigentlich auch eine tolle Sache. Man sieht, hört, schmeckt, riecht, schnieft etwas (im medialen Sinne wohl primär die ersten drei, zumindest solange das GeruchsTV noch nicht eingeführt wurde) und kann daraufhin begeistert die ganze Welt an den so eben erlebten Wundern Teil haben lassen.


"Erlebnisse sind viel schöner, wenn man sie teilen kann" ist ja auch so ein Hauptargument, warum man nicht alleine reisen sollte/will. Allein hier ist schon eine Krux begraben, finde ich. Das ist so ähnlich wie all diejenigen, die verzweifelt alles mit der Digicam versuchen aufzufangen, was sie gerade sehen. Sie führen ein Leben hinter der Linse und sehen die Welt nur noch in einem viereckigen Rahmen. Die Frage, die sich stellt: Warum braucht es das eigentlich, dass da jetzt ein Foto sein muss, das Geschehenes genau dokumentiert und anschließend dem ganzen Rest der Welt präsentiert werden kann? In Zeiten als dann noch in gemütlicher Atmosphäre Bilder durchgereicht wurden und in der sich die Menschen noch die Mühe gemacht haben, in liebevoller Detailarbeit Fotoalben zu gestalten, erscheint es mir doch noch sehr verständlich. Klar, man will doch seinen Liebsten zeigen, was man da gesehen hat und wo man überall war. Faktum ist allerdings: Ein Freundeskreis von über 300 Menschen ist alles andere als eine Seltenheit auf Facebook. Und das sind dann alles liebe Bekannte, bei denen man möchte, dass sie die Welt ein wenig aus den eigenen Augen sehen können, die man so gern hat, dass man sie auf eine Reise mit zu Orten und Gedanken des eigenen Hirns mitnehmen möchte? Wohl kaum.

Fotos shared man auf Facebook ebenso wie Lieder, die man toll findet, Artikel, die man nicht toll findet, einfach alles, was den persönlichen Dunstkreist so berührt. Angeregt wird man ja, wie von meiner Mutter angemerkt, zu Genüge. Kaum mehr ein Produkt, auf dem nicht dazu angeregt wird, es doch bitte auf Facebook zu liken. Sucht man bei Google nach Bildern zum Thema "Mittelungsbedürfnis" kommt in tausendfacher Ausführung das allbekannte Fäustchen mit dem gestreckten Daumen. Das Ganze könnte suggerieren: "Es ist so wichtig, was ich da eben tue, das müssen meine Mitmenschen erfahren!" Als solches dient es vielleicht vielen zur Selbstbestätigung und zur Steigerung oder Aufrechterhaltung des Selbstwertgefühls. Aber: Ist das die geeignete Methode? Fast schon heischend wirkt da manch einer, mich selbst möchte ich da auf keinen Fall ausschließen. Um Aufmerksamkeit flehend. Spätestens wenn man quasi auf das Like wartet, das den eigenen Like liket, wird es absurd. Aber so ticken Menschen: Sie finden einmal eine Quell der vermeintlichen Integration und Anerkennung und wollen mehr davon. Wie weit ist es dann aber her mit dem vermeintlichen Selbstwert, wenn man so darum buhlen muss, angehört zu werden? Hat etwas denn keine Gültigkeit, wenn es nicht auch der Rest der Welt oder zumindest so viele wie möglich mitbekommen haben?

Ich will nicht ausschließen, dass auch manch ein sinnvoller Diskurs durch das Teilen von Informationen stattfinden kann. Ebenso wenig wie ich grundsätzlich jede Form des Sich-nach-außen-Mitteilens verteufeln würde (was als Blogautorin auch irgendwie ziemlich lächerlich wäre).

Auch meine Mutter hat sicher nichts dagegen, sich nach außen zu kommunizieren und verfügt über ein gesundes Interesse für ihre Mitmenschen. Aber sie hört Musik, liest Artikel und betrachtet und macht Bilder wohl überwiegend aus einem einfachen und sehr schönen Grund: Weil sie es mag. Weil es ihr persönlich gefällt. Vielleicht weil sie dadurch abschalten kann, sich ein wenig darin wiederfindet und letztlich eben genauso entspannen kann. Selbstfindung, heute verzweifelt in komplizierten Yogaverrenkungen gesucht, geht vielleicht viel einfacher als wir alle denken. Nicht so viel sharen. Nicht so viel liken.


Einfach machen. Und genießen.

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