Dienstag, 7. Mai 2013

Was sich liebt, das lobt sich?

Erst war ich stark irritiert. Dann peinlich berührt. Und schließlich kam da noch ein anderes Gefühl hinzu, das man als kühl und rational denkender Mitteleuropäer nur selten und sogar ziemlich ungern zulässt: Fast schon kindliche Freude, so pappsüß wie die zahnmordenden Lollipops und Doppelschokokekse dieser Welt. Heute traf ich einen Amerikaner.

Hin und wieder führe ich statt Hunde Menschen aus und zeige ihnen Salzburg. Die Opfer sind freiwillig und haben sich ihr Los auf Couchsurfing selbst gewählt. Einmal mit mir getroffen gibt es kein Pardon, ich habe noch jeden über die beiden Hausberge sowie die komplette Innen- und Außenstadt gejagt. Ernst beiseite: Den meisten hat das gut gefallen. Allerdings bin ich nicht sicher, ob sie sich getraut hätten, etwas Gegenteiliges zu behaupten ;-)


So kam es, dass ich heute einem 27-jährigen blonden und blauäugigen Amerikaner die schöne Mozartstadt aus allen erdenklichen Perspektiven zeigte (von oben, von unten, von im Berg drinnen, sprich Tunnel). Neben seinem strahlend weißen Lächeln immer eins in Begleitung: Die lobenden Komplimente die von eben diesen Zahnpasta-Werbebeißerchen herabregneten. Ich sei hübsch. Und klug. Und ich könne besser Englisch als er! (Ja, er ist Muttersprachler. Nein, ich nicht.) Ja und überhaupt sei es schon ein Wunder, dass ich meine Residenz nicht längst neben Gwyneth Paltrow und Heidi Klum aufgeschlagen habe. Ok letzteres habe ich erfunden, aber das mit dem Englisch hat er echt gesagt!



So und bevor ich jetzt den Eindruck erwecke, ich hätte mich so einlullen lassen, dass ich nun wie ein Drogensüchtiger nach neuen Komplimenten hechle, muss ich zunächst einmal betonen: Komplimente zu hören ist echt komisch. Das macht man bei uns nicht, irgendwie. Oder doch, aber dann sehr pointiert. "Schöne Bluse!" oder "Siehst gut aus!" sind Worte, die einen Tag auch in unseren Breitengraden durchaus häufiger versüßen. Ich habe da so eine Theorie: Die geringere Anzahl und der niedrigere "Lobradius" (also nicht: "Du bist klug!" sondern "Toll, wie du mit Zahlen umgehen kannst!") hat seine Herkunft daher, dass wir einfach nur sagen was uns auffällt. Meist sogar noch mit eingebautem Filter ("Wirkt das jetzt schleimig, wenn ich das so sage? Nicht dass sie/er noch denkt..."). Quasi widerwillig gesteht man schließlich, was einem gefällt. So empfinde ich ein Kompliment als normal und ehrlich gemeint, ohne Hintergedanken und unnötige Euphemismen.


Ja und dann war da der Amerikaner. Und er war nicht der erste. Selbst ein guter Freund, der in Deutschland geboren und aufgewachsen ist und schließlich in später Kindheit mit seinen Eltern nach Amerika zog, entwickelte dieses typische amerikanische "Gen", wohl eher aber eine dort übliche Verhaltensweise: Die "Life's awesome" (nur echt in kaugummigesprochen)-Attitüde. Und nicht nur das Life ist awesome. Eigentlich ist so ziemlich alles awesome. Das Gegenüber. Das Drumherum. Die eben ausgeführte Tätigkeit sowie die davor und die danach. Dementsprechend wird es schon leichter, nachzuvollziehen, woher das kommt mit den vielen Komplimenten. Es gehört zu dieser Einstellung einfach dazu.

Schon in Australien fielen mir deutliche Unterschiede zwischen der Umgangsweise bei uns und dort auf. Das, was bei uns freundlich, bestimmt und geerdet wirkt (und irgendwie, wie ich finde, auch sehr beruhigend und erfrischend) ist dort schlichtweg eins: Unbeholfen und unfreundlich. An der Supermarktkassa ist man das "Darling" und "sorry" hört man sogar noch öfter als bei uns, egal zu welcher Gelegenheit. So balancieren sie sich gegenseitig wie rohe Eier, fast wie in einem Wettkampf: Wer ist der freundlichste?

Was ich dagegen habe? Gar nichts. Aber: Es ist echt irritierend, wenn man so im mitteleuropäischen Kontext (ich ordne das jetzt einfach mal Mitteleuropa zu ohne das genauer recherchiert zu haben oder gar zu wissen, ist nur so ein Verdacht) mit eher zurückhaltender Höflichkeit und sparsamen Komplimenten, in solch ein Schaumbad der lieb gemeinten Worte gerät. Ich persönlich reagierte eigentlich jedes Mal mit "Noooo!" und wild abwehrenden Bewegungen, absolut unfähig, mit den verbalen Geschenken umzugehen. Ein paar mal sagte ich auch mal was Nettes zu ihm und darauf lächelte er glücklich und sagte freundlich "Thanks".

Irgendwann sagte er dann aber was, was ich sogar für plausibel hielt und mich wirklich gefreut hat. Es war pointiert, der Zusammenhang war nachvollziehbar und es war etwas, das ich nicht oft höre. Besser, ich verrate hier nicht, was es war. Aber da kam dann statt dieser fast schon aggressiven Abwehrhaltung meinerseits ein komisches Gefühl hinzu: Blubberblasige Freude. Wer hat nun Recht, der bärbeißige aber ehrliche Komplimentgeizer oder der überschwängliche Worteschenker? Keine Ahnung.

Aber war wirklich nett, diesen amerikanischen jungen Herrn heute kennenzulernen. Er schenkte mir eine liebe Postkarte von seiner Heimatstadt und, mir fast noch lieber, die Inspiration zu diesem Artikel.
In diesem Sinne: Thanks!

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