Mittwoch, 10. Juli 2013

Ja, was will sie denn

"Hast du Probleme, das ist kein Drama. Das ist das Leben. Das ist das Programm(a, im Spanischen schöner gereimt)." So ist wohl das zu übersetzen, was ein Kerl mit dunkler aber irgendwie seltsam verständnisvoller Stimme auf spanisch in meine Ohrstöpsel haucht, wenn ich morgens meine Runden über die Ebersberger Hügel drehe. Ich fühle mich diesem Herren aufs Innerste verbunden, obgleich ich weder seinen Namen kenne, noch weiß, ob er sich diese Zeile überhaupt selbst ausgedacht hat. Aber es ausgesprochen zu hören war und ist für mich eine wahre Erleichterung.

Im Leben kommt es manchmal dicke und manchmal eigentlich nicht aber irgendwie doch. Eine seltsame Formulierung für etwas, das ich leider auf Anhieb nicht besser beschreiben kann. Was heute noch gut und glücklich, voller Tatendrang ist, kann morgen plötzlich stumm werden. Kann einen anschauen, mit unsicherem Blick und einem verlegenem Kopfkratzen. "Ja weiß ich jetzt auch nicht, was will sie denn..."
Wer von düsteren Momenten in seinem Leben spricht, weil die Oma gestorben ist oder das eigene Alkoholproblem endlich als solches samt drastischer Erkenntnisse eingesehen wurde, den versteht man. Man nickt, schaut verständnisvoll, ist es womöglich auch, sollte man bereits ähnliche Erfahrungen gesammelt haben.

Aber was ist, wenn da gar nichts ist? Eine ganze Weile baute man an einem Häuschen, Ziegel für Ziegel, dachte bereits in liebevoller Vorfreude an den zu bepflanzenden Vorgarten und freute sich seiner Dinge. Ein Ziegel hier, ein Ziegel da und die Sonne scheint auch. Doch waren es anfangs beeindruckende Fortschritte, wie aus einem Fundament bereits erste Häuserkonturen entstunden und schließlich sogar ein Dach darauf gesetzt werden konnte, ließ die Euphorie nach, als sich so etwas wie Alltag einkehrte. Es gab nicht jeden Tag einen neuen Ziegel zu platzieren und für den Garten blieb leider derweil keine Zeit.


Es ist die Krux eines jeden Menschen mit zu vielen Sehnsüchten, nehme ich an. Von Erzählungen weiß ich, dass ich mit meinem Häuschen-Problem wohl nicht die einzige bin. Wo ich viele der erzählenden Menschen dabei kennen gelernt habe, ist vermutlich auch kein Zufall: Auf Reisen, wie wir zusammen am Tisch in der gemeinsamen Küche von Hostels saßen oder aber auf der Rückbank eines Four-Wheel-Drives unterwegs durchs Irgendwo im Nirgendwo. Schön kann es fast überall sein. Aber am schönsten ist es eigentlich immer da, wo man gerade nicht ist.

Andere haben Angst davor oder verspüren zumindest deutliche Unlust, älter zu werden. Ich bin mir da nicht so sicher. Vielleicht hören dann irgendwann ja die nagenden Fragen auf. "Wohin willst du, wohin willst du", wird die eine Stimme nicht müde, mit zunehmender Dringlichkeit immer lauter um Gehör zu buhlen, während die andere mich mit Nachdruck erinnert, fast schon warnt: "Nicht stehen bleiben, Mädchen!" Und alle versammelten Kleingeister und Philosophen, die sich selbsternanntermaßen meine Beraterlein nennen, rufen sie im Kanon: "Da gibt es noch mehr!"

Und so kann es kommen, dass auf einmal jede Menge los ist, Gefühlschaos, Leere, Unsicherheit, Angst. Vielleicht sogar Trauer. Nicht, OBWOHL nichts ist, sondern WEIL nichts ist. Weil man das Gefühl hat, nun doch eher so stark gegen den Strom auf dem Tretboot zu rackern, dass man keinen Millimeter vorwärts kommt. Weil man andere vorbeiziehen sieht, die sich mit so vielen Dingen leichter zu tun scheinen. Weil man glaubt seine Ziele zu kennen, doch sich dann kurz vor der Zielgeraden plötzlich nicht mehr sicher ist. Weil man hier und da und leider oft auch an wichtigen Stellen aufs falsche Pferd gesetzt hat.

Das ist also das Programma. Nun gut, wenn das so ist, werde ich damit leben, so wie alle Menschen auch. Denn das bedeutet die Botschaft des oben erwähnten Zitats für mich: "Ja mei, passiert, jetzt stehst wieder auf und fängst was Neues an." Ein anderer Spruch, "Das Leben ist kein Ponyhof", den finde ich denkbar blöd. Mein Ziel: Das Leben zum Ponyhof machen. Auch das nicht ohne Verantwortung, schließlich will sich auch ein Pony versorgt wissen, von einem Hof ganz zu schweigen. Aber mit einem friedlich-fröhlichem Gefühl und der stillschweigend in sich hinein grinsenden Überzeugung, das richtige zu tun.

Geht das? Wir werden sehen.

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