Mittwoch, 20. März 2013

Das Leben und so

Vor kurzem hatte ich eine Begegnung der besonderen Art. Ich ging mehr aus Planlosigkeit hinein und ärgerte mich zunächst über einen gefühlt zu hohen Preis. Doch wir waren in munterer Gesellschaft, also nahm man es in Kauf. Bei der Begegnung handelte es sich um einen Kinobesuch und einen für mich in diesem sehr speziellen Moment sehr speziellen Film.

Es war einer, der knapp an Reality-Show vorbeischrammte und authentischer daherkam als manch ein reales Gespräch, das man im Laufe des Lebens so geführt hat. In "Nägel mit Köpfen" ging es um all das, was eben dieses Leben ausmacht. Die Existenz alleine, zu zweit, in einer Familie im gemütlichen Häuschen mit Garten ringsumher oder schicken Zweizimmerwohnung irgendwo mitten im Takt einer wummernden Großstadt.

Gemeinhin könnte man manchmal annehmen, solche Gedanken, Grübeleien und Zweifel kämen nur im eigenen Schaltkasterl vor, nicht aber in den Köpfen der anderen. Sicher, man liest hier einen philosophischen Artikel, schnappt dort ein inspirierendes Zitat auf und kennt all die Neuzeitliteratur, die nicht müde wird, sich mit dem Sinn des Lebens und der Kunst, glücklich zu werden, auseinanderzusetzen.

Doch wenn ich in den Vorlesesaal meiner Universität gehe und mich umsehe, sehe ich erstmal nur lauter Menschen, die viel zu eingebunden sind, als dass sie sich ihren Kopf zerbrächen. Ebenso beim Spaziergang an der Salzach: Alles Leute gut verteilt in Gruppen, die Alltagsbeschäftigungen mit eben dieser Selbstverständlichkeit nachgehen, die ihnen ja eigentlich auch gebührt. Eigentlich. Aber was ist eigentlich selbstverständlich? Etwas, das sich mit der Zeit aufgebaut hat vielleicht. Fehlen dann einfach noch ein paar Reihen Klötze, damit die Existenzgrundlage endlich soweit aufgebaut ist, dass ich gar nicht mehr grübeln muss? Irgendwoher muss das ja kommen, dass man im einen Moment einfach gerade aus geht und im nächsten ganz unklar darüber ist, ob man nicht zurück oder zumindest nun abbiegen sollte.

Ich gehe mal stark davon aus, dass der sehr subjektive und situationsbedingt selektive Eindruck von der Unbeschwertheit und "Unbedachtheit" (ohne die negative Auslegung  des Wortes damit zu meinen) sowohl der Menschen in der Uni als auch an der Salzach, wenig mit der Wirklichkeit zu tun hat. Tatsächlich wird man auch mich lachend in einer Gruppe antreffen, aus den Augen von jemanden, der mich seinerseits für unbedacht und einfach dahin lebend hält.

Einfach dahin leben. Das tut vielleicht eh keiner. Und hier komme ich endlich auf den Film zurück. Es wurden viele Schicksale gezeigt, die einerseits so normal wie nur irgend möglich, andererseits zumindest auf jeden Fall glaubwürdig wirkten. Das schwule Pärchen, das sich hin und wieder fetzt, aber genau seines Glückes bewusst ist, bis es sich am Ende leider doch trennt. Das hetero Pärchen, bei dem die Frau will, der Mann aber nicht. Das andere hetero Pärchen bei dem beide wollen, und zwar ein Kind, es aber erst am Ende mit einer Adoption schaffen. Und ein weiteres hetero Pärchen bei dem eigentlich auch beide wollen, aber sie muss halt ständig auf Tournee gehen. Diese Schicksale haben in ihrer Darstellung ein wenig an eine Realityshow erinnert, was schon für sich sehr interessant war, für mich aber abgesehen vom Unterhaltungswert nicht der springende Punkt ist.

Der springende Punkt waren tatsächlich und ganz besonders die Dialoge. Und die Monologe, wenn einer über seine derzeitige Lebenssituation sinnierte. Wie da gezweifelt, gezögert, gestaunt, gestanden und geredet wurde, das war wie heilendes Balsam für meine von Fragen immer wieder geschundene Seele. Sie reden zu hören, wie sie ohne großes Drama das aussprachen, was im menschlichen Kopf so vor sich gehen kann. Wie sie humorvoll damit jonglierten und damit durchaus Inspiration gaben, doch auch den Blick aufs eigene Leben mal ein wenig zu lockern.

Es war ein kleines Kino, genauer gesagt "Das Kino" in Salzburg. Was die Besonderheit dieses Abends für mich auch ausmachte, war das lauschige Gefühl, das sich ergibt, wenn deutlich unter 40 Leuten in einem Kinoraum sitzen. Keiner tuschelt, keiner knackt geräuschvoll mit seinen Tortillachips und ein ganz besonderes Wir-Gefühl kehrt ein. Es wird gemeinsam gelacht und Sympathien werden allein schon über diese simple Form der Kommunikation des Miteinander-etwas-Teilens ausgetauscht.

Und so war der Film und das Erlebnis das ich mit ihm verbinde für mich eben jene besondere Begegnung. Eine Begegnung mit einem Verständnis, das sich nun immer mehr hilfreiche Wurzeln in die Wirrungen meines Denkens schlägt: Letztlich im ärgsten Zaudern und Wundern teilen wir uns genau das. Denn das ist Menschsein.


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