Samstag, 18. Dezember 2010

Notausgang Reise?

Sie sind unzufrieden mit Ihrem Leben? Irgendetwas oder gar alles passt nicht mehr, wie es ist (ob nun Lebenspartner oder Hose)?
In Filmen wird es vielfach vorgemacht: In Lebenskrisen jeglicher Form präsentieren sie das Allheilmittel: Reisen in ein fernes Land, im besten Falle spirituell geprägt, in jedem Fall bloß nicht zu "Tourimäßig" (daher eher nicht Bibione). Es sieht in diesen Filmen so einfach aus: man nehme zwei Wochen fremder Kultur, eine tiefgreifende Affäre mit einem Zen-Buddhisten und einen auf einem unglaublich alternativen Markt neuerstandenen Sari und simsalabim - Man ist wieder wie neu und absolut fit, das eigene Leben wieder in vollen Zügen zu genießen und nach eigenem Wohlgefallen umzukrempeln.

Ist es wirklich so einfach?, fragt man sich da nun. Der Preis für ein Flugticket in ein anderes Land (die Unterkunft sollte ohnehin möglichst billig zwecks Spiritualität und Authenzität des Nontourismus-Daseins gehalten werden) scheint ein vergleichsweiser geringer, um wieder glücklich und zufrieden mit und im eigenen Leben zu sein.

Ich glaube: nein, so einfach ist es eben nicht. Denn für die Unzufriedenheit zuhause gibt es meist (gute) Gründe. Sei es nun der Freund/Mann mit dem es nicht mehr so läuft, die Arbeit, die nicht mehr so erfüllt wie früher einmal (oder aber das nie getan hat) oder zu viele Verantwortungen, die man sich mit der Zeit aufgehalst hat und unter deren Last man nun droht zusammenzubrechen.
Hier beginnt meines Erachtens auch das eigentliche Problem: statt sich der Ursache der eigenen Unzufriedenheit zu widmen, sie möglicherweise das erste Mal wirklich wahrzuhaben und als Problem anzuerkennen, begibt man sich lieber auf die Flucht. Probleme anzuerkennen bedeutet Schmerz und man ahnt: die Suche nach einer Lösung würde nicht leicht werden. Also begibt man sich lieber auf die Suche nach etwas Anderem: einen neuen Sinn. Das klingt so abstrakt und irgendwie gut (hat man sicher schon mal irgendwo in irgendeinem Artikel oder Ratgeber gelesen.. oder so ähnlich). Und was gäbe es da wohl Sinngebenderes, als eine Reise, die unendlich inspirieren soll. Klingt ja auch irgendwie besser "Ich reise mal eben nach Indien", als "Ich habe eine Lebenskrise". Unter Palmen, barfuß durch den Sand, bekleidet mit besagtem Sari, sähe man die Probleme dann sicher mit ganz anderen Augen und erkenne wieder die Leichtigkeit des Seins.

Die gute Nachricht ist: Das funktioniert tatsächlich. Die schlechte: Sobald man wieder heimischen Boden betreten hat und spätestens beim Aufsperren der Wohnungstür holt einen die Realität und die Gegenwart ganz schnell wieder ein. Man steht dann wieder vor exakt der selben Mauer an Problemen, nur das sie im Kontrast zum eben noch kennengelernten Wohlfühl-Abschalt-Paradies nun gewachsen zu sein scheint und bedrohlicher und zermürbender aussieht denn je.

Es gibt Menschen, die permanent auf Reisen sind, aus nur einem Grund: der Angst, wieder heim in die Realität zu kommen.

Also: Was nun? Ich weiß, das ist leicht gesagt, aber eine andere Möglichkeit gibt es nunmal nicht:
Es gilt, sich dem Problem zu stellen. Ihm ins Auge zu sehen und es anzupacken, statt davonzulaufen. Und ist dann erstmal der erste Schritt getan, so der Satz im Gespräch mit dem Liebsten, "Schatz, lass uns bitte reden" ausgesprochen, oder mögliche Jobalternativen erwägt, dann wird allmählich klar: Probleme sind da, um gelöst zu werden. Und selbst, wenn am Ende eine Tür zufliegt- Gut möglich, dass die Reise, die man dann unternimmt, ohne den tatsächlichen Aufenthaltsort zu wechseln, tatsächlich dorthin führt, wo man so verzweifelt hinwollte: Zur wiedergefundenen Zufriedenheit mit dem eigenen Leben.

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