Es gibt Emotionen, die drängen sich einem förmlich auf. Sie klopfen nicht zaghaft an die Tür und warten höflich, bis man hinauslucken und entscheiden konnte, ob man sie denn herein lassen möchte. Nein, sie treten die Tür mit einem lauten "Kawumm" ein und machen sich über alles her, was nicht niet- und nagelfest ist. Oft haben diese Emotionen, wage ich zu behaupten, mit Liebe zu tun. Denn es gibt wohl kaum etwas, das uns so in Aufruhr bringen kann. Gefühle wie "frisch verliebt", "rasend eifersüchtig" und "gerade schwer enttäuscht worden" sind solche Türeneintreter. Sie zu ignorieren ist auf gesunde Art und Weise wohl kaum möglich. Man nimmt sie deutlich wahr.
Doch dann gibt es auch Gefühle, die keineswegs so deutlich wahrnehmbar und präsent sind. Es handelt sich hierbei um lange gehegte Gefühle, um genau zu sein solange, dass sie sich bereits in unser alltägliches Bewusstsein und unseren permanenten Alltags-Zustand eingenistet haben. Während bei einer neuen Liebe eben dieses "neu" das Prägnanteste ist und die Tatsache, dass sich eine deutliche Veränderung in unserem Gemütszustand ergeben hat, uns voll und ganz einnimmt, existieren die "nicht neuen" Gefühle manchmal einfach so vor sich hin. Sind diese Gefühle beispielsweise die Liebe zur Mutter, zum Vater, zur besten Freundin, dann mag das nicht so tragisch sein. Wer wacht schon jeden Morgen auf und denkt sich "Ich LIEBE einfach alle meine Freunde!" (außer mir).
Aber was nun, wenn es sich bei dem Gefühl um etwas nicht ganz so Passendes handelt? Wenn man aufeinmal feststellt, dass man immer noch in jemanden verliebt ist, den man doch eigentlich abgehakt hatte? Leider fällt einem sowas nämlich meist nicht dann auf, wenn man gemütlich in der Badewanne sitzt und in der Lieblingszeitschrift schmökert so à la "Achja irgendwie ist da schon noch was.. naja kann man wohl nichts machen..", sondern in Situationen, die eher dem Hineinfallen in eiskaltes Wasser ähneln. Das unglaublich hübsche Mädl, das ihn da gerade angelächelt hat. Und er hat zurückgelächelt! Wie kann er nur. Oder das Wiederansehen eines Films, den man damals zum "gemeinsamen Film" erklärt hat. Wieder angeschaut, "weil man ja jetz eh über ihn hinweg ist". Tja, wohl doch nicht.
Ein weiteres Beispiel ist aber auch zu vergessen, wie lieb man jemanden eigentlich hat. Je mehr Zeit man mit einem Freund oder einer Freundin verbringt, desto besser lernt man ihn/sie kennen. Seltsamerweise fallen nach einem ganzen Haufen positiver Seiten, die negativen und die Schwächen, Ticks und nervigen (zumindest aus der eigenen subjektiven Sichtweise heraus) Angewohnheiten erst später auf. Das kann so weit gehen, dass man sich in seiner Genervtheit von dem eben noch so supertollen Freund distanziert und ein Stück weit entfernt. Ein, zwei Wochen Pause und auf einmal kommt da dieses drückende Gefühl, wenn man etwas liest, das die Person auf Facebook gepostet hat. Ein bisschen Einsamkeit, ein bisschen Wehmut, bis einem klar wird: Ich vermisse sie/ihn. Und plötzlich weiß man wieder, was genau so toll an diesem Menschen ist. Und dass man ihn lieb hat.
Statt eines neckischen Schluss-Satzes möchte ich diesen Post lieber etwas besinnlicher enden lassen (was ohnehin zu Weihnachten ganz gut passt, das ja eigentlich nicht das Fest des blühenden Kommerzes ist, sondern das Fest der Liebe). Ich glaube, wir alle sollten öfter mal in uns hinein hören, was wir eigentlich alles empfinden. Ob wir die Menschen in unserem Umkreis, die wir gern haben, genug wertschätzen und sie so behandeln, wie sie es verdienen. Und ob wir (auch im Bereich Liebe) wirklich ehrlich zu uns selbst sind. Denn manchmal sind genau die Besucher, die sanft an die Tür klopfen, statt sie einfach einzutreten, die wesentlich angenehmeren und wertvolleren Gäste.
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