Spätestens nach dem Schulabschluss steht jeder vor der selben Situation: Das Zeugnis in der Tasche, möglicherweise ein paar Urkunden und trotz der vielen Erfahrungen, die man während der Schulzeit so gesammelt hat, alll der Wahlkurse, Hobbies und Sportvereine, ist man verwirrt: Aufeinmal steht alles offen. Bisher war zwar der Rahmen immer frei wählbar, ob man nun im nächsten Jahr Latein oder Französisch belegt, ob man lieber mit Yoga oder Pilates anfangen möchte oder gleich Badminton und wie es mit der Mitgliedschaft bei Theatergruppe und Schülerzeitung aussieht. Auch Praktika hat man absolviert und im besten Falle hat man so schon eine Vorstellung, was man denn mal werden möchte. Das eigentliche Ziel war jedoch immer fix: Der Schulabschluss, komme, was wolle. Man wusste, man würde bis zum Zeugnis an diesem Ort und dieser Schule bleiben (zumindest in den meisten Fällen). Das war bis dato der bombensichere Plan, man konnte sich also bequem zurücklehnen und sich ausführlichst mit Badminton- und Theatergruppenrahmen auseinandersetzen.
Doch nichts bereitet einen auf das vor, was einen erwartet, sobald man die Schwelle des Schultores das letzte mal betreten und verlassen hat: Freiheit.
"Komm, fahr ins Ausland, erlebe eine tolle Zeit!", schreit es von diversen Plakat- und Internetwerbungen oder von Freunden und Bekannten zu uns herab. Oder doch gleich arbeiten? Studieren? Und wie war das nochmal mit dem dualen Studiengang?
Doch egal, ob gerade die Schule beendet oder bereits 20 Jahre berufstätig, die Fragen begleiten uns immer: Wer bin ich? Was will ich? Was macht mich glücklich? Während viele scheinbar ihren Weg gefunden zu haben, ein Jura-/ Schauspiel- / Physikstudium mit anschließender Karriere vorzuweisen haben, steht man da, kratzt sich ratlos am Kopf und denkt sich: "Ja und ich?" Es flüstert eine leise Stimme im Kopf nahezu unerhörtes, unendlich verlockendes: "Was wäre, wenn du jetzt einfach mal genau das tust, was du möchtest? Du kannst auch einfach frei sein!" Klare Struktur in der Laufbahn versus Abenteuer, Freiheit, aber auch Unsicherheit. Für viele eine schwere Entscheidung.
Doch das Wichtigste ist: Es handelt sich nicht um eine Entscheidung. Der Weg zu sich selber und zum Glück ist einer, den wir unser ganzes Leben lang gehen. Es gibt soviele Abzweigungen, dass jeder verloren ist, der das ehrgeizige Ziel hat, stets "das Richtige" zu machen. Viel mehr sollte man auf sein Gefühl hören, bei was auch immer man gerade tut. Statt zu weit in die Zukunft zu blicken und sich krampfhaft zu überlegen: "Was ist denn nun mein Weg?", ist es wichtig, immer einen Schritt vor den anderen zu setzen. Letztlich ist es das Leben, das die Schritte anbietet. Jeder Tag ist ein neuer, um sich selbst auszuprobieren. Wir können nicht von vorneherein wissen, was letztlich richtig und gut ist und ob es "richtig" überhaupt gibt. Wir müssen keine vollständige Karte zeichnen, wie unser Lebens auszusehen hat. Das macht das Leben selbst. Darin zu vertrauen, nimmt viel Last von der Schultern.
Alle begeben sich in ein hochgradiges Studium mit beeindruckendem Titel? Das ist noch lange kein Grund, das ebenso zu tun. Manchmal ist das hilfreichste, neue Erfahrungen zu sammeln und neue Menschen kennen zu lernen. Vielleicht auch neue Länder, neue Kulturen. Man rumprobieren, ob nun Hobbys wie Fechten, Yoga oder Serviettentechnik, oder aber Praktika bei verschiedenen Unternehmen. Oder einfach mal hier im Moment zu verweilen, Tee trinken und keinen einzigen Schritt zu tun. Und irgendwann sieht man dann weiter.
Es scheint als gäbe es ohnehin immer mehr Platz für Individualisten, unsere Gesellschaft wandelt sich. In ist heute, wer anders ist, wer sich die Freiheit nimmt, einen alternativen Weg zu gehen (und damit am Ende eventuell sogar Erfolg hat). Statt also vermeintlich "sinnlose Jahre" rucksackreisend im Ausland zu fürchten, sollte man sich bewusst sein: Praktisch nichts von dem, was wir so tun ist sinnlos. Und solange es uns weiterbringt, sich richtig anfühlt und wir unseren Kopf einigermaßen oben behalten, ist es einfach nur unser Leben, das wir leben. Niemand kann einem sagen, was einen glücklich macht. Im einen Moment scheinen wir es zu wissen, im nächsten Moment zu überdenken und im übernächsten für falsch zu erklären. Werden wir ankommen? Vielleicht.
Gerade in der heutigen Zeit voller neuer Berufe, neuer Perspektiven durch Internet, Globalisierung und co und durch einen Gesinnungswandel in der Gesellschaft wird wohl das einzige Kontinuum bleiben: Menschen. Familie und lange, tiefe Freundschaften. Diese sind jedoch kein Grund um stehen zu bleiben, sondern sie begleiten uns:
Auf dem Weg unseres Lebens.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen