Donnerstag, 4. August 2011

Körper, wer bist du?

Kopfschmerzen, Rückenprobleme und Übergewicht: unschön, einen Artikel mit diesen drei Beschwerden einzuleiten. Noch unschöner, dass es in der heutigen Zeit leider der Alltag vieler Menschen ist. Denn sie sind typische Probleme einer digitalisierten und technisierten Welt.

Beinahe alles geht heutzutage am Computer, online oder auf irgendeine Weise durch elektronische Helferlinge vereinfacht und mit wenig Mühen verbunden. Auch rein technische Geräte erleichtern seit Jahrhunderten immer mehr unsere alltäglichen Aufgaben. Was einst mühsam mit der Hand gewaschen und geschrubbt werden musste, erledigt heute die Wasch- oder Spülmaschine. Statt etwas einzustampfen und mühsam zu Brei zu verarbeiten, gibt es Mixer, die alles in handumdrehen zerhechselt haben. Und das sind nur die Haushaltsgeräte.

Auch im Beruf finden sich viele seit mehreren Jahrzehnten vermehrt vor einem Computerbildschirm wieder. Es wird auf Tastaturen getippt, in krummer Haltung dagesessen und meist auch zu wenig getrunken und zu wenig/ zu viel gegessen. Weder Hunger- noch Durstgefühl treten auf, wenn man nur so da sitzt, ohne sich den gesamten Tag über groß körperlich zu bewegen.


Die Körperwahrnehmung geht flöten
Das Problem an den Ganzen: man verliert den Bezug zum eigenen Körper. Man spürt weder warm noch kalt. Man hat keine Ahnung, wie sich der kleine Zeh anfühlt und was genau sich da eigentlich grad in unseren Organen abspielt, das will man eigentlich auch gar nicht wissen. Woher diese seltsamen Magendarmbeschwerden nur stammen?

Es mag arg klischehaft klingen, doch dennoch: Gehen wir mal zurück in lange lange vergangene Zeiten. Die Menschen arbeiteten hart. Frauen hatten weite Wege zurückzulegen, um Wasser aus dem Brunnen zu holen und große Anstrengungen, die sechs Kinder ohne Nanny, Kita und Aupair-Mädchen großzuziehen. Der Mann ging einem Handwerk nach, hämmerte den ganzen Tag auf heißem Eisen oder aber war Bauer und bestellte das Feld. Alle hatten sie eins gemeinsam: Sie waren aktiv, bewegten sich viel und hatten ständig etwas in der Hand, das mit Computermaus und Tastatur nicht im Entferntesten etwas zu tun hatte.

Natürlich möchte ich hier nicht dafür plädieren, wir sollten uns doch bitte alle wieder zurückentwickeln und unsere technischen Errungenschaften auf dem Scheiterhaufen verbrennen.

Stattdessen: Wie wäre es mit dem Mittelweg? Das Problem für viele heutzutage ist, dass sie mit Bewegung und Anstrengung nur mehr das Abrackern an Trainingsgeräten im Fitnesscenter verbinden. Ziel? Muskelaufbau! Abnehmen! Sonstiger Sinn? Keiner. Spaß? Wenn man sich daran gewöhnt hat, schon. Ich will den Fitnesscenter-Trend nicht unnötig in den Dreck ziehen, doch zahlreiche Mitgliedschaften, die zwar bezahlt aber nicht genutzt werden sowie Erfahrungsberichte von Familie, Freunden und Bekannten geben mir Recht.

Was fehlt ist einfach der Bezug zu etwas "Echtem". Die Höhe spüren und die Rinde an den Fingern, wenn man einen Baum hinaufklettert. Kühles Wasser, mit dem man beim Schwimmen eins wird und in das man eintauchen kann. Das wunderbare Gefühl, nach einem Spaziergang an einem kalten Winternachmittag wieder frisch durchblutet und körperlich ausgelastet in die warme Stube zu kommen.

Das Zauberwort heißt: Nein, nicht Freude an Bewegung, das wäre selbst mir jetzt zu klischehaft. Das Zauberwort heißt einfach: Natürlich sein. Ruhig sitzen, wenn der Körper ruhig sitzen möchte. Und aber auch spüren, wenn er hinaus möchte. Und nicht immer gleich ans zu zielgerichtete "Sporteln" denken, sondern einfach nur etwas tun. Das ist schon dann getan, wenn man sich draußen etwas anpflanzt und mit den Fingern in der Erde buddelt. Gemüse auf einem Brett kleinhackt, um endlich mal wieder etwas selber zu kochen statt in der Mikrowelle aufzuwärmen. Vielleicht etwas nähen, stricken, schnitzen, basteln. "Back to the roots" lautet das Stichwort. Denn was sich dann vor allem bewegt ist der Geist und mit ihm auch die gesunde Körperwahrnehmung.


Raus mit dir!
Ich habe zwar schon einmal darüber geschrieben, dass den Sinnesorganen in Zeiten der Digitalisierung immer mehr verloren gehen könnte. Doch damals ging es mir um Genüsse.

Hier möchte ich jedem, der sich einmal an einem Crosstrainer abgestrampelt hat und sich wundert, wieso er nicht permanent Lust hat, das gleich wieder zu tun, nahe legen:
Gehen Sie raus an die frische Luft, nur für ein paar Minuten, um sich die Beine zu vertreten und bewusst die Gegend anzuschauen.
Sie werden überrascht sein.

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