Wer früher ein Problem hatte, fragte im Bekanntenkreis herum, ob ihm denn jemand helfen könne. Wer heute ein Problem hat, geht ins Internet. Während bei medizinischen Fragen ganz klar zu bezweifeln ist, dass die anonyme Mehrheit aller Forenuser tatsächlich über entsprechende Fachkompetenz verfügt, um diese zu beantworten, möchte ich einen Schritt weiter gehen. Ich behaupte: Auch bei anderweitigen Problemen sollte man sich sehr genau überlegen, sie im Internet mit anonymen Usern zu diskutieren.
Das fängt schon bei der Google-Eingabe an. Kaum ein Stichwort, auf das nicht schon bald genau die Art von Beiträgen, Seiten und Foren auftaucht, die man sich bereits erwartet hat. Denn: Man ist von vorneherein schon sehr fokussiert auf der Suche. Nach was? Im Prinzip nach dem, was man eh schon vermutet. Da wäre eine Anna Maier (willkürlich gewählt, ich kenne keine Anna Maier), die fragt, ob sie im reifen Alter von 14 Jahren nicht schon mehr als BH-Größe A haben sollte. Oder Willi Wunderlich, der gerne mit dem World-of-Warcraft-Zocken aufhören würde, aber nicht so genau weiß, wie.
Was zunächst nach einer guten Idee klingt, nämlich sich gegenseitig zu helfen und mit eigenen Lebenserfahrungen weiterzubringen, endet in der Praxis leider oft nicht in Hilfe zur Selbsthilfe sondern in einem kollektiven Hineinsteigern.
"Ja das Problem habe ich auch! Mir hat man damals gesagt, ich soll einfach öfter ins real life gehn. Hat aber irgendwie nicht geklappt", wäre eine der typischen Antworten auf die man stößt. Auch Anstöße wie "Süße134, ich leide mit dir! Du könntest ja mal versuchen, dir Watte in den BH zu stopfen :) Bussis und Knuddel" (wohlbemerkt von einer unbekannten) erscheinen wenig hilfreich. Meistens ist der eigene Hausverstand um einiges sinnvoller, als das was da viele so als Weisheiten und "Lösungen" von sich geben.
Der Clue, bzw. auch die Krux hinter der Sache: Austausch ist m.E. nur dann wirklich sinnvoll, wenn einer der beiden Seiten zumindest auch nur minimalst weitere Erkenntnisse im Problembereich gesammelt hat. Oder aber auf andere Weise inspirieren kann. Ersteres taucht tatsächlich ab und zu in wirklich guten Forenantworten auf. Leider in einem verschwindend kleinem Prozentteil im Vergleich zu den eher recht sinn- und nutzlosen Posts. Statt eine Lösung zu finden, können sich Leidesgenossen also nach Herzenslust in Schönheits-, Gesundheits- und was-auch-immer-Probleme hineinsteigern. Um am Ende nicht nur keinen Schritt weiter zu sein, sondern im schlimmstenfall auch um Ideen "bereichert", wie man das Problem noch ausweiten und vertieft betrachten könnte. Ganz nach dem Motto: "Stimmt, das ist ja auch schlecht dran! Gut, dass Susi956 mich drauf aufmerksam gemacht hat. Ohgott, ich muss das Problem lösen! Schnell!"
Und wie jetzt lösen? Mein Tipp: Raus gehen. An was anderes denken, nicht krampfhaft, aber wohlwollend. Mal rumprobieren. Und ganz normal mit Leuten zu tun haben, die eben NICHTS mit dem Problem zu tun haben. Oftmals ist eine Sorge nur deswegen eine Sorge, weil wir ihr zuviel Macht und Bedeutung verleihen. Weil wir viel zu viel an sie denken und sie schlimmstenfalls immer mehr zum Dreh- und Angelpunkt unseres Lebens wird. Falls es sich um gesundheitliche Fragen handelt, empfiehlt sich selbstverständlich ein Besuch beim Arzt. Für das meiste andere gilt:
Einfach leben und die Gedanken frei fließen lassen. Sorgen akzeptieren, aber sie nicht unnötig füttern.
Ein paar Wochen und viele Erfahrungen, Erlebnisse und Gedanken später, merkt man, das man das laute "Blopp" garnicht gehört hat. Denn es fühlt sich plötzlich so leicht an und man spürt: das war der Moment, an der sich das Problem ganz von selbst aufgelöst hat.
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