Samstag, 17. Dezember 2011

Alles eine Frage der Einstellung?

"Alles eine Frage der Einstellung." Das scheint immer mehr das Credo einiger Neuzeit- und Hobbyphilosophen heutzutage zu sein. Job scheiße, vom Partner verlassen oder am Ende vielleicht unzufrieden mit der Gesamtsituation? Kein Problem: Einfach positiv denken und kritische Situationen nicht als Problem, sondern als Möglichkeit für Wachstum sehen. Will heißen: Job scheiße? Vielleicht investiert man nicht genug, hat noch nicht genug Kontakt zu den Kollegen aufgebaut etc. Vom Partner verlassen? Na, dann nutzen Sie doch die Gelegenheit, um sich Zeit für sich selbst zu nehmen. Gut möglich, dass Sie sich selbst einfach nicht genug lieben. Die Ratgeber, die am Markt erscheinen und genau diese "positive Einstellungs-Philosophie" in die Welt setzen und verbreiten, als wäre es die Entdeckung und Sensation des Jahrhunderts, nehmen stark zu.

Nun aber mal eine Frage: Stimmt das wirklich, dass wir unser eigenes Lebensgefühl stets in der Hand haben? Ob es uns gut oder schlecht geht, ist das wirklich reine Perspektivensache, allein abhängig davon, wie wir auf unser Hier und Jetzt schaun?
Für praktizierende Buddhisten und extrem stabile Persönlichkeiten, ebenso wie für vorbildliche Positivdenker vielleicht. Ich glaube aber, in Wahrheit machen diese nur einen kleinen Teil der Bevölkerung hierzulande aus. Je reicher und generell wohlständiger, desto weniger. (ein eigenes Phänomen, das sich durchaus lohnt, in einem eigenen Post einmal behandelt zu werden)

Denn mal im Ernst: Job beschissen? Dann geht es einem auch dementsprechend. Vom Partner verlassen? Man verkriecht sich heulend mit einer Wagenladung Tempo-Taschentücher in das tiefst und verborgenst mögliche Loch und heult sich die Augen aus. Oder (bzw. und im Anschluss) begibt man sich mit den Saufkumpanen des Vertrauens in die nächstgelegene Kneipe, lässt sich volllaufen und schreibt peinliche SMS. Hat vielleicht noch einen One-Night-Stand, den man nachher so richtig bereuen kann. Schaufelt sich wahlweise tonnenweise Schokolade hinein oder aber lässt die Nahrungsaufnahme eine Weile vor Kummer ganz schleifen.
Menschen sind im Herzen so. Wenn es ihnen schlecht geht, dann geht es ihnen schlecht. Die positiven Philosophien und die Meinung, dass man jede, aber auch wirklich jede Situation positiv und "konstruktiv" annehmen kann, ist eine menschliche Erfindung. Die einen rappeln sich früher auf, die anderen später, aber ich glaube wirklich keiner würde von Haus aus denken "Oh ja, ich bin verlassen werden, toll: Der nächste hübsche und viiiiiel besser passende Partner kommt bestimmt schon bald! Jippie, mensch, bin ich froh, dass der alte Idiot endlich weg ist. Jetzt können meine Energien wieder fließen." (außer man hat das Ende bereits herbei gesehnt, versteht sich)

Ich denke jedoch nicht, dass man dazu verdammt ist, jede noch so scheußliche Situation anzunehmen und sich am besten einfach solange im Selbstmitleid suhlt, bis man sich selbst in seinen eigenen Tränen aufgelöst hat.
Ich glaube einfach nur, dass wir fehlgeleitet sind, wenn wir glauben, dass wir a) immer alles in der Hand haben. Manchmal läuft das Leben gut, manchmal läuft es schlecht. Man kann sich wehren, dass damit eben auch entsprechende Gefühle einhergehen. Man kann es aber auch einfach akzeptieren und endlich mal aufhören, ständig alles kontrollieren und beeinflussen zu wollen. Solange es nicht in einer Depression ausartet, muss nicht immer ein ganzer Persönlichkeits- und Einstellungswechsel her, wenn sich mal eine Krise anbahnt.

b) Dass es sich hier ein bisschen um die Frage nach dem Huhn und dem Ei handelt. Was war zuerst da? Ist die positive Grundhaltung die, die gute Ereignisse hervorruft? Oder sind es eben diese tollen Erfahrungen, die in uns eine positive Stimmung und Haltung auslösen? Schwer zu sagen. Fest steht: Sobald der Taschentücher-Vorrat aufgebraucht ist, kann man sich ruhig aufmachen. Auf zu neuen Gefilden, neuen Möglichkeiten oder auch die alten nochmal anders in Angriff nehmen. Ohne den Anspruch, es gleich besser zu machen, sondern einfach der eigenen Intuition folgend. Letztlich muss man dabei eben auch ein bisschen Vertrauen haben, dass alles wieder gut wird. Ohne das läufts wohl eher nicht. Es ist nicht schlimm, wenn es einem nicht sofort gut geht, nur weil man beschließt, etwas zu ändern. Es ist ok, wenn es auch  beim zweiten Anlauf wieder schief läuft.
Das ist einfach das Leben.

Wenn wir dann im Bus sitzen und aufeinmal hockt sich da ein Mensch neben uns, der uns freundlich anlächelt. Und der sich, auch wenn wir es da noch nicht geahnt hätten, als die Liebe unseres Lebens entpuppt. Wenn es aufeinmal wieder aufwärts geht, ohne dass wir richtig verstehen, wie genau das jetzt eigentlich passiert ist. Wenn wir uns am Ende gar nicht mehr erinnern können, wie das nochmal war, als es uns so scheiße ging. Da wird einem klar:

Leben passiert, ob man nun übereifrig schafft und handelt oder geduldig wartet.
Denn ob gut oder schlecht, eines kann man sagen:

Das Leben bleibt spannend. Ein Leben lang.

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