Ich bin verwirrt. "Be yourself, no matter what they say" singt Sting in seinem Lied "Englishman in New York". Gleichzeitig heißt es aus allen Ecken: "Lass los, probier Neues aus, lass dich inspirieren!" Man kommt nicht umhin, sich irgendwann zu fragen: Was denn nun? Man selbst sein, oder sich ständig verändern und entwickeln?
Neue Impulse
Denn einerseits hört sich das sehr gut an: Man wandelt sich, kuckt sich Gutes von Anderen ab, möchte an sich arbeiten. Ein Sportmuffel beschließt eines schönen Nachmittags, sich aufzuraffen und kramt die Jogginghose aus dem hintersten Winkel des Kleiderschranks heraus, um sich hinaus für ein paar Laufrunden zu begeben. Ein Workaholic schafft es zur gleichen Zeit, zu schöner Musik und in guter Gesellschaft, das erste Mal seit langem wieder richtig aufzuatmen und sich zu entspannen. Egal, was unser Problem ist, es gibt immer Impulse von außen, denen wir folgen können, um an unserem Problem zu arbeiten.
Oder lieber "be yourself"?
Doch: Dieses Problem ist doch Teil von uns. Würde man dem "be yourself, no matter what..." tatsächlich folgen, so müsste der Sportmuffel sich doch denken: "Ich möchte keinen Sport machen und das ist auch gut so!" Das wäre doch eine selbstbewusste und starke Position und insbesondere, wenn Besagter weder an Übergewicht noch an anderen gesundheitlichen Problemen leiden würde, absolut legitim und gerechtfertigt. Und was mit dem Workaholic? "Ich arbeite viel, aber ich schaffe auch viel und die Arbeit macht mich glücklich!", sagt er und man ist spontan ratlos, um ihm Gegenargumente zu liefern. Denn leidet er weder an Burnout, noch vernachlässigt er im starken Maße seine sozialen Kontakte, was wäre dagegen tatsächlich einzuwenden?
Beides!
Hier ist wohl einfach nur das "Ganz oder Garnicht"-Prinzip nicht angemessen. Natürlich darf ein Sportmuffel Sportmuffel sein. Und natürlich darf ein Workaholic schuften. Jeder Mensch hat ein eigenes Naturell, seine eigenen Wünsche und Ziele. Eine innere Stimme sagt ihm, was er möchte und Gefühle, die er bei seinem Tun und Schaffen hat, geben ihm Recht oder widerlegen das eigentlich Gewollte. Das ist dann wohl das "be yourself". Seinen Weg gehen und das tun, was man selbst für richtig hält und, manchmal noch wichtiger: Was sich einfach richtig anfühlt.
Das Loslassen und sich inspirieren lassen, Neues ausprobieren ist genau das: Ausprobieren. Es heißt nicht, eine Lebensdevise zu übernehmen. Ist bei vielen in Jugendtagen ja bereits schief gegangen, als man merkte, dass man doch nicht ganz so homogen ist in der Clique, in der man ein- und ausging.
Es heißt auch nicht, das Eigene, wenn es sich von dem Neuprobierten unterscheidet, gleich für falsch zu erklären. Man schnuppert einfach nur mal in eine andere Richtung.
Eine stabile Persönlichkeit
Es ist toll, wenn man weiß, wer man ist und was man möchte. Doch in der Welt da draußen gibt es viele große und kleine Dinge, die nur darauf warten, von uns entdeckt zu werden. Das hält das Leben spannend und tut dem bereits Aufgebauten keinen Abbruch.
Wer wirklich er selbst ist und ein selbstbewusstes und stabile Persönlichkeit verfügt, wird sich nicht einfach von neuem frischen Wind umwerfen lassen. Er wird schnuppern und vielleicht Gefallen dran finden. Vielleicht aber auch nicht. Die Freiheit, genau das herauszufinden, macht meines Erachtens einen wichtigen Teil einer stabilen und gefestigten Persönlichkeit aus. Wie stabil kann sie sein, wenn sich Mauern darum befinden, um ja nichts Neues, Fremdes hineinzulassen?
Stings Song könnte meines Erachtens auch umformuliert werden: "Be yourself, but listen what they say."
Wer weiß, was dann so kommt?
Liebe Tine, vielen Dank für Ihre Gedanken. "Be yourself" heißt für mich auch, das zu tun, was man möchte: ausprobieren, testen, scheitern, anfangen... und hat nicht nur etwas mit dem "Bleiben", sonder mit dem sich selbst treu bleiben zu tun. Um es extrem zu formulieren: wenn das Lehrerkind eine Ausbildung zur Friseurin machen möchte, dann lass dich nicht abhalten "no matter what they say".
AntwortenLöschenAlles, was wir tun, wird ja permanent kommentiert, kritisiert und mit vermeindlich guten Ratschlägen begleitet. Für mich singt Sting: "mach Dein Ding".
Liebe Grüße
Daniela