Freitag, 28. August 2015

Rosa Einhörner und Panzertape-Saftpackerl

Ein paar Einhörner springen mir entgegen und tanzen einen Reigen um mich herum, bevor sie sich mit ihrem Saftpack mit vermutlich alkoholischem Inhalt weitermachen. Kurz darauf wackelt ein Mann in BH und Strapsen an mir vorbei, grüßt mich freundlich und geht auf's Klo. Nein, ich bin nicht vollkommen wahnsinnig geworden. Ich bin einfach nur auf einem Festival.

Ein lieber Freund und Kollege fragte mich, ob ich dabei sein wollte, beim Chiemsee Summer 2015. Kost und Logis für eine Woche und gratis zwei Hände voller Bands zu sehen, die ich schon dringend einmal live erleben wollte, dazu eine Woche Urlaub, die ich vor September noch übrig hatte. Die Sache war klar: Da samma dabei.

Das, was ich am Festival erlebt habe, war eine ziemlich süchtig machende Mischung aus genialer Andersartigkeit zum Alltag und doch einer gewissen Normalität, die ich mir im Kontrast zu rosa Einhörnern und plüschigen Elefanten erlaubt habe. Nach einem guten Frühstück im urbayerischen Hotel (in meiner Nachttischschublade lag selbstverständlich eine Bibel, die Junggesellen-Bettengröße stellen sie heute, glaube ich, nicht mehr her), machten wir uns kollektiv auf zum Festivalgelände.

Die Reste vom Vortag, unzählige Saftpäckchen, die sich sämtliche Besucher am Gelände mit aus Panzertape gefertigten Haltevorrichtungen griffbereit als Halskette umgehängt hatten, sowie Kippen, die Reste zur Unkenntlichkeit zersetzter Kostüme und was Festivalanten sonst so alles dabei haben (eine Menge): Es war wie von Zauberhand von den Tanzböden verschwunden.

Nachdem am Abend zuvor die Menge getobt hatte, zeitweilig kaum ein paar Zentimeter zwischen den Menschen zu finden waren und sich die verrückteste Party des Jahres jeden Tag neu vollzogen hatte, herrschte ein paar Stunden nach der aufgehenden Sonne wieder Ruhe und Frieden. Wir, die Arbeiter des Sommers, zogen auf ein Neues ein und machten uns an unser Werk.


Ich habe viele nette Leute kennen gelernt und eine eingeschworene Gemeinschaft mit dem festen Vorsatz, den Besuchern des Chiemsee Summers die coolste Zeit ihres Lebens zu bescheren. Selbst, wenn man völlig allein ins Kantinenzelt verschwand, fand man sich in netter Meute und in harmonischen Gesprächen wieder. Wir hatten alle eins gemeinsam: Wir arbeiteten hier. Das verband uns.

Die Zeitung, die wir verfassten, war schon alleine deswegen ein Riesenspaß, weil ich mich in Vokabular und Ausdrucksweisen austoben durfte, bis mir schwindlig wurde. Auf Recherche im Gelände wurde ich nahezu angebalzt, jeder wollte interviewt werden, jeder wollte auf ein Foto und seine Meinung sagen. Wer nur einmal an einem öffentlichen Ort zur Tageszeit Menschen zu einem Thema befragen musste, der weiß um die große Euphorie Bescheid, die ich hier an den Tag lege.

Persönlich hatte ich ein paar Dinge zu verdauen, das Festival half mir tatsächlich dabei. Natürlich war ich abgelenkt, noch viel mehr jedoch erfüllte mich ein überschwappendes Gefühl an Fröhlich- und Glückseligkeit, eine arbeitsame und gleichsam spannende Zeit in der Gemeinschaft mit der "Staff" zu verbringen, frisch erlebte Schwenke von Einhörnern und Elefanten auszutauschen und sich aufgehoben zu fühlen. Erwähntem Freund und Kollegen möchte ich an dieser Stelle von Herzen danken.

Ich kann wirklich behaupten: 2015 ist ein gewaltiger SUMMER!

Mittwoch, 12. August 2015

Ganz normale Irre

Wer in der Früh gegen halb acht den Mönchsberg besteigt und sich dabei auf eine gemütliche Ruhe, alleinig gestört durch ein paar zwitschernde Vögel und im Wind rauschende Bäume, freut, der hat die Rechnung nicht mit mir gemacht. Seit ich meinen Knorpeln und Knochen zu Liebe beschlossen habe, das Laufpensum deutlich zu drosseln, habe ich mir nämlich ein neues Hobby gefunden: Singen. Laut. Im Wald. Auf dem Mönchsberg.

Eigentlich bin ich vollkommen wahnsinnig. Da läuft jeder bis aufs Mark beschämt zur Farbe einer erntereifen Kirschtomate an, sobald ihn jemand beim allmorgendlichen Duschgesang belauscht – und ich wandere durch die Gegend und plärre mir dir Seele aus dem Leib, als gäbe es keinen weiteren Morgen mehr. Passanten stören mich nur am Anfang, wenn ich einmal hochgefahren und warmgesungen bin, so ignoriere ich sie geflissentlich.

Das bringt mich in letzter Zeit zum Nachdenken. Warum sehen Menschen eigentlich bei allem, was sie mit Leidenschaft tun, so unsagbar dämlich aus? Vielleicht ist das so wie mit Kinder-Wollenden, die nur noch Schwangere sehen, und unglücklich Verliebte, die scheinbar nur noch von glücklichen Paaren umgeben zu sein scheinen: Aber ich sehe nur noch Wahnsinnige und Seltsame um mich herum.

Ich gehe ins Fitness-Center und das erste, was ich höre, ist kein "Guten Morgen!", kein freundliches Gelächter oder beifälliges Geplauder. Es ist ein lautstarkes Grunzen. "Hmpf! HA! Hmpf! Grrrrrr! Hmpf! GAAA!" Guten Morgen, Alexander (Name geändert). Alexander bekommt nicht genug vom Krafttraining und man sieht es ihm an. Er sieht ja auch echt gut aus, hübsches Gesicht und Muskeln ohne Ende, die jedes Mädel jenseits der 100 Kilo wie eine zarte Gazelle in die Lüfte schwingen könnten. Die lässige Art, mit der Menschen im Alltag begrüßt, lässt keinerlei Rückschluss auf die Geräusche zu, die besagter Muskelman im Fitnessstudio von sich gibt. Verrückt.


Und im Chor erst. Regelmäßig muss ich mir mit aller Macht sämtliche Lippen zerbeißen, um zu verhindern, in hysterisches Gelächter zu verfallen. Eine von mir äußerst geschätzte Autorin schrieb mal von Bassisten, die den Mund wie verziehen wie ein garstiger Frosch. Ich muss sagen, so treffend wäre mir die Beschreibung in hundert Jahren nicht eingefallen. Körperspannung, in den Bauch atmen, sich dabei völlig der Musik hingeben: Ein tolles Gefühl, bei dem auch ich mit aller Sicherheit zeitweise so intelligent aussehe wie ein betrunkener Hamster. Mindestens jedenfalls so dämlich wie die Dame direkt vor meinen Augen, die den Mund so ausformt, dass ich befürchte, in ihm bald die gesamte Fliegenwelt des Raumes zu tragen.

Ich könnte diesen Artikel ewig so weiterführen. Ob es Menschen beim Meditationsspaziergang sind, die im See liegen und dabei vollkommen entspannen, solche, die selbstvergessen tanzen oder die Crème de la Crème der Wahnsinnigen, die lauthals in aller Öffentlichkeit beginnen zu singen. 

Ich mache trotzdem weiter. Und wissen Sie auch warum? Ich bin eine ganz normale Irre.

Samstag, 4. Juli 2015

Sport als Religion?

Neulich als ich das Fitness-Studio meines Vertrauens betrat, bot sich mir ein interessanter Anblick. In einer Reihe lagen sie da, halbwüchsige wie auch erwachsene Männer und Frauen, in den verschiedensten Posen. Vom durchgestreckten Rücken über minimal besorgniserregend verdrehte Knien bis hin zu der typischen Yoga-Ommm-Pose war alles vertreten.

Das Bemerkenswerte: Sie gehörten, wie sich herausstellte, keineswegs zusammen. Jeder war einfach für sich auf seiner Matte, zu Fuße der zahlreichen Kraftpaketmaschinen und ging seiner leidenschaftlichen Körperknüllerei nach. Dabei hatten nicht wenige die Augen geschlossen, ein paar schienen diese Erde im Geiste völlig verlassen zu haben.

Seit ich darauf achte, begegnet mir so ein Anblick fast jeden Tag – Sportler, die beim Ausleben der Adrenalin- und Endorphin-Gelüste vollkommen eins mit sich selbst und der Welt zu sein scheinen. Nicht zuletzt kenne ich das aus eigener Erfahrung. Mittlerweile komme ich nach langer Zeit des Nachdenkens zum Schluss: Ja, dies ist wohl tatsächlich eine Ersatzreligion.

Meine Eltern schliffen meinen Bruder und mich zu genau zwei Tagen im Jahr in die Kirche – das war es auch schon mit der frommen Gottesanbetung (immerhin sind wir alle getaufte wie gefirmte Katholiken). Die Sage rundum das Christkind war vielleicht noch das Charmanteste an der ganzen Sache mit der Bibel – der Osterhase findet in ihr bekanntermaßen nicht einmal Erwähnung. 

Das was wir da zelebrierten, war also unsere eigene Spiel-und-Spaß-Komposition aus christlich-theoretischer Grundierung und marketingspezifischer sowie genusssüchtiger Garnierung. Das taten wir nicht anders als wohl die überwiegende Mehrheit der Christen auch.

Das klingt kritischer, als ich es meine. Ich finde Weihnachten super und wenn ich ehrlich bin, liebe ich das Lied "Last Christmas" ebenso wie eine geschmacklos-übertriebene Weihnachtsdekoration. Einfach weil es Abwechslung in das Leben und die Schaufenster der Geschäfte zaubert. Nur, und das ist mein Punkt: Mit Religion hat das wirklich nichts mehr zu tun.

Also keine Religion. Oder eben doch? Dass sich die Weltreligionen überhaupt erst formiert haben, liegt nach meinem Verständnis am Grundbedürfnis der Menschen, einen Sinn in ihrer eigenen Existenz sowie ihrem Leben zu sehen. Es ist eine besondere Verbindung zu einem bestimmten Wesen, etwas, das einen sonst allzu eintönigen und am Ende sogar sinnlosen Tag zu etwas macht, das einen tief drinnen beschwingt und voller froher Gedanken füllen kann.

Meine These: Sport kann das auch. "Zu blöd, heute ist gutes Wetter, da habe ich keine Ausrede, keinen Sport zu machen", las ich neulich auf Facebook (wo sonst), darunter zigtausend Likes. Meine Beine würden sich freuen, wenn ich schlechtes Wetter als Ausrede zählen lassen würde. Bei Wind und Wetter zieht es mich nach draußen, ich sehne mich nach dem Gefühl, in Bewegung und damit frei zu sein, denken zu können, mir selbst nahe zu sein.

In der Bewegung liegt ein Fluss, in dem sich mir schon viele Lösungen diverser Probleme sowie zahlreiche schöne Gedanken erschlossen haben. Ich fühle mich dankbar und verbunden mit der Welt. Meine Gedanken fließen und ich fühle mich so gar nicht allein, weil alle meine Körperzellen miteinander wild kommunizieren. Irgendwann kommt der Moment, an dem ich merke, wie jemand tief in mir drinnen auf meine Gedanken Antwort zu geben scheint.

Vielleicht ist das mein Gott.

Montag, 1. Juni 2015

Über das Alleinsein

In regelmäßigen Abständen erreichen mich in letzter Zeit niedliche Bildchen, kryptische Formulierungen und mit mystischen Verzierungen versehene Sprüche. Ihnen allen wohnt ein tieftragender Gedanke inne: Wer alleine sein kann, ist glücklich. Alleine sein, das sollte wirklich jeder in seinem Leben beherrschen lernen.

Diese Message trifft mich. Nicht weil ich nicht gelernt hätte, alleine zu sein. Sondern viel mehr, weil ich es viele Jahre aus selbstentschiedenen Gründen und mal mehr, mal weniger war. Als Single einerseits und Sporthungrige andererseits kämpfte ich mich Monat für Monat mutterseelenallein auf diverse Berge und kam abends, schwitzend und müde alleine heim. Dem Zubereiten der Mahlzeit sowie dem Kontakt zur Außenwelt über den Laptop kam eine nahezu schamanenhafte Ritualität zu.

Das waren natürlich nur Phasen. Es gab immer nette Menschen rund um mich herum, fast schon schienen sie mich zu jagen mit Anfragen, ob ich denn nicht heute mit ihnen fortgehen wollte. Doch ich wollte nicht nur nicht, ich konnte auch nicht. Ich hatte aus diversen Gründen das Gefühl, alleine besser dran zu sein. War ich bei anderen, so war alles so lähmend und langsam. Wie konnte man nur stundenlang an einem Ort sitzen und quatschen, während die Berge riefen? Ich verstand es nicht. Mehr als alles andere wollte ich anders sein.


Nach und nach mutierte ich zum fleischgewordenen Outsider. Ich trug nur noch spärliche Kleidung, um maximal flexibel zu sein und jederzeit vor und nach der Vorlesung die nächsten Klippen zu besteigen, ins Wasser zu springen oder aber laufen zu gehen. Es interessierte mich schon, was andere dachten, doch ich tat so, als wäre es nicht so. Denn das was die meisten anderen wohl dachten war wohl irgendwas zwischen "Weirdo..." und "Ohgott, wie ist die denn drauf?".

Ich kann mich aus heutiger Sicht so sehen, weil ich inzwischen wieder in Shirt und Hosen einer mehr oder weniger durchschnittlichen 25-Jährigen geschlüpft bin und meine Angst vorm Gleichartigsein verloren habe. Ich lebe in einer glücklichen Beziehung, zog bereits nach vier Monaten mit meinem in diesem Blog bereits häufig erwähnten Allerliebsten zusammen. Denn als ich ihn kennen lernte, war mir als bald klar: Ich will nicht mehr alleine sein.

So sehe ich diese Sprüche, die ich zu anfangs erwähnte, eher kritisch. Man kann schon alleine sein und vermutlich hilft es niemanden, wenn man sich in jeder freien Minute verzweifelt an jemanden dranhängt, nur weil man es nicht erträgt, sich ein paar Stunden mit sich selbst und eigenen Hobbys zu beschäftigen. Auch das Zusammenbleiben in einer Beziehung, die schon lange nicht mehr glücklich macht, und alleinig aus der Furcht vorm Alleinsein ist vermutlich nicht weiterführend.

Doch nach der Beendigung einer unschönen Beziehung, nach ein paar Stunden des Laufens, Schwimmens, Lesens, Meditierens oder was auch immer man sich für die Zeit für sich auserkoren hat, ist für die psychische Gesundheit nach meiner persönlichen Erfahrung und auch laut Experten nur noch eines wichtig: Menschen bei sich zu haben, die man liebt.

Und zu spüren, dass man eben doch nicht allein auf diesem verwirrenden Planeten wandelt.

Montag, 30. März 2015

Ein bisschen Leiden

First of all: "30 Rock" ist eine wahnsinnig witzige Serie. Die überaus anbetungswürdige Tina Fey spielt darin eine vom Stress und hier und da auch vom Sexismus gebeutelte Intendantin eines erfolgreichen Fernsehsenders. Doch in diesem Artikel soll es nicht darum gehen. Nur um eine Folge. In der nämlich sagt Liz Lemon (so der Serienname) dem Showbusiness für kurze Zeit Lebewohl – und trifft auf eine Horde vergnügungssüchtiger Damen, deren Leben zwischen Designerklamotten und Maniküren im Vergleich zum Arbeitsleben wie das schillerndste Paradies erscheint.

Liz, die zuerst dachte, niemals ohne den Stress und die Hektik im mehr oder weniger wahnsinnigen Fernseh-Team leben zu können, verliebt sich in dieses heitere Leben ohne Sorgen, Deadlines und unfähige Untergebene. Bis es schließlich zu DER Szene kommt. Als sich Liz gerade auf die nächste Gesichtsmassage freut, eröffnen ihr die Damen, dass sie nun zu kämpfen gedenken. Dieses genussreiche Leben enthalte nicht die entscheidenden kontrastierenden Faktoren, um es genießen zu können: Probleme, Ärger, Leiden. Mit ein paar Stunden Kratzen und Beißen ließe sich das Adrenalin jedoch wieder zurück in die Blutbahnen bringen. Ob sie nicht zu erst zuschlagen wolle? Liz verlässt die Runde umgehend.

Genau diese Szene kam mir heute in den Sinn. Heute ist ein wettertechnisch absolut mistiger Tag. Wir, die wir in Österreich (und man sagt sich insbesondere Salzburg) nicht gerade um jeden Tropfen betteln müssen, führen auch keine Regentänze auf, wenn es wieder so weit ist und es schüttet als gäbe es kein Morgen mehr. Mein erster Gedanke in der Früh, die ich alltäglich nutze, um mich ein wenig körperlich zu ertüchtigen: "Hm, ich wollte doch eh mal einen Pausentag machen...". Mein zweiter: "Ach scheiß drauf."

So begab ich mich also mit wasserfester Jacke, die bei einem solchen Wetter ungefähr fünf Minuten lang wasserfest ist, auf meinen geliebten Drahtesel um meinen Weg zum Fitnessstudio zu meistern. Die ersten fünf Minuten waren, das will ich gar nicht erst leugnen, grässlich. Ich fand es kalt und fies und eklig. Doch nach den fünf Minuten stellt sich das ein, was ich gemeinhin als das "Basst scho"-Gefühl bezeichne. Dann nämlich, wenn der eigene Schaltkasten begreift, dass das Sudern gar nichts nützt und sich an der Situation nun einmal dank sturem Frauchen nichts ändern wird, sagt er einfach: "Nagut." Oder eben: "Basst scho."

Aufeinmal spüre ich den Regen auf meiner Haut und finde ihn eigentlich ganz schön. Kalt ist mir nicht mehr, weil ich fleißig in die Pedale trete und ja, ich gebe es zu, ich fühle mich fast ein bisschen stolz, als weit und breit einziger Radlfahrer inmitten hunderter Autopassagiere. Ich merke, wie meine Strumpfhose sich immer dichter vollsaugt und der Stoff sich an meine Haut schmiegt. Doch es stört mich nicht. Ich schaue einfach auf mein Ziel vor Augen und fühle mich ein wenig buddhistisch-philosophisch, weil ich endlich einmal einfach das Hier und Jetzt vollkommen annehme und darin wortwörtlich bade.


Auf dem Heimweg schüttete es noch mehr. Irgendwie ging's mir dann doch auf den Sack. Ich war nahe dran, meine Scheiß-Philosophie wieder über den Haufen zu werfen, als mir plötzlich eins klar wurde: Wie oft hat man im Leben eigentlich die Möglichkeit, jede Faser des Körpers zu spüren? Wie oft sitzt man im Kontrast dazu in einem wohltemperierten Büro, in dem man scheinbar wichtigen Details einer Werbekampagne nachgeht, meilenweit entfernt von jeglichem Schauspiel der Natur? Radeln durchs Nass, das ist etwas, von dem man sagt, dass es furchtbar ist, das man aber auch als etwas sehr wunderbares erfahren kann. Oder anders gesagt: Ein bisschen Leiden schadet nicht.

Zumindest bis man wieder im schönen lieben warmen Zuhause ist und sich der nassen Klamotten entledigt. Mal ehrlich: Gibt's was Besseres?!

Freitag, 20. Februar 2015

It's Trödeltime

Es ist dieser Moment, wenn ich gerade schwimmen war, mich abgebraust habe und dabei bin, mich trocken zu rubbeln. Wenn ich meine Schuhe binde und gleichzeitig über das nachdenke, was ich vielleicht gleich sehen, tun, erleben werde. Wenn ich auf dem Couchbett liege (Wir besitzen mangels einer echten Couch ein Bett-Bett und ein Couch-Bett. Kanns nur empfehlen, ist herrlich) und weiß: Eigentlich müsst ich jetzt einmal aus den Federn um zu laufen oder zu arbeiten. Die Liste könnte man endlos weiterführen.

Trödeln ist einfach herrlich. Immer wieder ertappe ich mich dabei, dass ich gerade an besonders stressigen Tagen überhaupt gar nicht mehr das tue, was doch eben geboten wäre: Eile, Geschwindigkeit, gesteigert bis zur hochschlagenden Hetze. Was tue ich stattdessen? Ich öffne das Facebook-Fenster und sehe fleißig nach, was gerade so Neues passiert ist. Zum dritten Mal. Und ja, ich weiß, es gehört bei manchen zu ihrer Arbeit dazu. Bei mir nicht. Oder ich gehe aufs Klo und schaue meine Hautporen und Augenbrauen im Spiegel an. Das kann ich stundenlang machen.

Woran liegt das, dass ich mich so sehr ins Trödeln verliebt habe, dass ich manchmal alles um mich herum vergesse? Meine impulsive innere Stimme meint dazu: Dein Geist ist noch nicht so weit für die nächsten anstehenden Tagesagendapunkte. Du musst ein wenig Ruhe walten lassen. Das ist mir persönlich allerdings zu esoterisch. Ich rotze ihr entgegen: "Ge bitte, nerv nicht. Hier gibt es Arbeit zu erledigen, dalli dalli!" Die innere Stimme zuckt nur die Schultern und grinst in sich hinein – den Schalter zu dem was ich tue, hält nämlich sie.

Ich kann sagen, dass ich in meinem Leben noch nie aus der Arbeit heimgegangen bin, ohne das zu machen, was es zu machen galt. Letztendlich schafft man scheinbar also auch als Trödlerin seine Arbeit. Meine Mitmenschen nerve ich trotzdem damit – meinen Hauptmitmenschen, dem herzallerliebsten Mitbewohner-Imselbenbettschlafer (im Couch-Bett und im Bett-Bett) gleich vorangestellt. Immer wenn sie bereit stehen, um durch die Gegend zu ziehen, bin ich gerade in intensiver Gedankenverlorenheit dabei, meine Schuhbänder zu einem Schmetterling zu falten. Ups, da ist die Schlaufe schon wieder daneben gegangen, nein sowas... Mein Freund wirft mir Mutwilligkeit vor. Ich glaube, er hat Recht.

Am liebsten trödle ich beim Bummeln. Bummeln ist für mich, altabgetrottene Wege entlang zu latschen und dabei so in Gedanken verloren zu sein, dass ich dabei niemanden, und ich meine NIEMANDEN wahrnehme. Aber manchmal ist mir selbst der gemächlichste Spaziergang schon zu hektisch. Dann setze ich mich hin und schaue einfach nur und sehe vor meinen Augen aber alles das, was ich in Wahrheit nur denke.

Manchmal glaube ich, dass das Trödeln einer der letzten Reste Kindheit ist, die sich noch in meinem Kopf tummeln. Pauschalitäten in Bezugnahme auf die ach so furchtbar hektische Welt heutzutage – und das Internet und die Medien und ja! – erspare ich meinen werten Leserinnen und Lesern an dieser Stelle. Sie wären doch zu offensichtlich platziert und sind an anderer Stelle zur Genüge strapaziert wurden.

Auch wenn ich mich manchmal in den Hintern beißen könnte, wenn ich durchs Trödeln eine günstige Gelegenheit verpasse: Es ist in Wahrheit ein schönes Geschenk. Denn vertrödelte Zeit ist niemals verlorene Zeit. Jetzt muss ich mir erst einmal die Schuhe binden.

Montag, 29. Dezember 2014

Die Besten


„Ich trinke auf alte Freunde...“, so oder so ähnlich beginnt der Refrain eines bekannten Böhse-Onkelz-Lieds. Die nun durchaus in die Jahre gekommenen Onkel kann man finden, wie man möchte – diese Worte sind denkbar wahr. Ich habe das jüngst am eigenen Leib erfahren. Es war Weihnachten.

Das Seltsame ist: Wenn ich ehrlich bin, denke ich zwar hin und wieder an früher und die damit verbundenen Menschen. Wirklich vermissen tue ich aber nicht. Nicht, weil ich sie nicht ehrlich lieb habe und schätze, sondern weil das Leben nun mal anders spielt. Da gibt es einen Haufen Arbeit zu erledigen, da will ich noch joggen und schwimmen gehen und bevor der Tag rum ist, bleibt noch ein bisschen Zeit für den Hausputz, die Spülmaschine und den Herzallerliebsten. Und wo ist da die Zeit zum Vermissen? Eben.

Wir trafen uns in einem italienischen Lokal, es war verglichen mit vorhergehenden Jahren eine deutlich dezimierte Zahl. Auch das scheint ein deutliches Zeichens des Alterns zu sein – klar, nicht nur ich habe mit zunehmend fortschreitendem Lebensstatus meine eigenen Pläne, auch die anderen haben sie. Ein paar haben doch den Weg am 23. Nnach Ebersberg gefunden. Und da hat es mich ein bisschen überschwemmt, dieses Gefühl der Wiedersehensfreude.

Es begann damit, dass mich meine allererste beste Freundin von der Haustür abholte – schon das ein altgewohntes Ritual. So hatten wir es Jahrelang gemacht, um gemeinsam zu Grundschule, Gymnasium oder zum Fortgehen zu stiefeln. Wir waren beide nicht die Helden der Pünktlichkeit, und immer wenn die eine unpünktlich war, war es der anderen grad furchtbar eilig – so implizierte dieses Verfahren einen ganzen Haufen Konfliktpotenzial. Wir haben uns auch durchaus oft gerauft, wie Mädchen das eben tun. Ohne Haue, dafür mit Sticheleien und ab und zu wutentbrannten Schreien. Um Pferdedeckchen eines Plastiktieres, darum, wer Nala beim Rollenspiel sein darf und manchmal halt auch einfach so.

Vielleicht ist das das, was eine echte Freundschaft ausmacht. Oder zumindest: Wenn sie es aushält, dann ist sie echt gut. Denn ich habe mich mit der überwiegenden Mehrheit meiner richtig guten alten Freunde eigentlich nicht gezofft – oder kann mich nicht erinnern. Wie ich sie alle in den Arm nahm, wie sie da im Italiener schon auf uns warteten, freute ich mich viel mehr, als ich mir das vorgestellt hatte. Auf einmal schien mir wieder alles möglich. Wir würden zusammen den Mond erobern können, oder zumindest die Welt – so wie einst mit dem Radel quer durch die Umgebung unserer bildschönen Heimat. Und früher war gar nicht mehr so weit weg. Vielleicht sollten wir bald mal wieder fortgehen, mit schief gezogenem Eye-Liner, zu viel Wimperntusche und Push-Up-BH?

Nein, Scherz, solche Aufreißer respektive Tussis waren wir eigentlich gar nicht. Wir waren mehr auf Wein- und Bauernfesten unterwegs denn in noblen Münchner Clubs. Die Pampa rund um uns herum hatte es so an sich, hier und da mal ein großes Bierzelt aufzustellen und dort nebst traditioneller Heimatmusik auch mal die Musik, die in den letzten zehn Jahren hip war, zu spielen. Wir genossens und tranken Malibu Kirsch und Wodka-O dazu.

Bevor ich jetzt noch von durch besagte wenig kultivierte Gegenden getragenen Bierkästen anfange, komme ich wieder zur Sache. Auch wenn wir heute eine Maracuja-Saftschorle den dürftig gemixten hoch alkoholischen Getränken von damals vorziehen: Die Freunde von daheim sind doch die allerbesten.