Montag, 1. Juni 2015

Über das Alleinsein

In regelmäßigen Abständen erreichen mich in letzter Zeit niedliche Bildchen, kryptische Formulierungen und mit mystischen Verzierungen versehene Sprüche. Ihnen allen wohnt ein tieftragender Gedanke inne: Wer alleine sein kann, ist glücklich. Alleine sein, das sollte wirklich jeder in seinem Leben beherrschen lernen.

Diese Message trifft mich. Nicht weil ich nicht gelernt hätte, alleine zu sein. Sondern viel mehr, weil ich es viele Jahre aus selbstentschiedenen Gründen und mal mehr, mal weniger war. Als Single einerseits und Sporthungrige andererseits kämpfte ich mich Monat für Monat mutterseelenallein auf diverse Berge und kam abends, schwitzend und müde alleine heim. Dem Zubereiten der Mahlzeit sowie dem Kontakt zur Außenwelt über den Laptop kam eine nahezu schamanenhafte Ritualität zu.

Das waren natürlich nur Phasen. Es gab immer nette Menschen rund um mich herum, fast schon schienen sie mich zu jagen mit Anfragen, ob ich denn nicht heute mit ihnen fortgehen wollte. Doch ich wollte nicht nur nicht, ich konnte auch nicht. Ich hatte aus diversen Gründen das Gefühl, alleine besser dran zu sein. War ich bei anderen, so war alles so lähmend und langsam. Wie konnte man nur stundenlang an einem Ort sitzen und quatschen, während die Berge riefen? Ich verstand es nicht. Mehr als alles andere wollte ich anders sein.


Nach und nach mutierte ich zum fleischgewordenen Outsider. Ich trug nur noch spärliche Kleidung, um maximal flexibel zu sein und jederzeit vor und nach der Vorlesung die nächsten Klippen zu besteigen, ins Wasser zu springen oder aber laufen zu gehen. Es interessierte mich schon, was andere dachten, doch ich tat so, als wäre es nicht so. Denn das was die meisten anderen wohl dachten war wohl irgendwas zwischen "Weirdo..." und "Ohgott, wie ist die denn drauf?".

Ich kann mich aus heutiger Sicht so sehen, weil ich inzwischen wieder in Shirt und Hosen einer mehr oder weniger durchschnittlichen 25-Jährigen geschlüpft bin und meine Angst vorm Gleichartigsein verloren habe. Ich lebe in einer glücklichen Beziehung, zog bereits nach vier Monaten mit meinem in diesem Blog bereits häufig erwähnten Allerliebsten zusammen. Denn als ich ihn kennen lernte, war mir als bald klar: Ich will nicht mehr alleine sein.

So sehe ich diese Sprüche, die ich zu anfangs erwähnte, eher kritisch. Man kann schon alleine sein und vermutlich hilft es niemanden, wenn man sich in jeder freien Minute verzweifelt an jemanden dranhängt, nur weil man es nicht erträgt, sich ein paar Stunden mit sich selbst und eigenen Hobbys zu beschäftigen. Auch das Zusammenbleiben in einer Beziehung, die schon lange nicht mehr glücklich macht, und alleinig aus der Furcht vorm Alleinsein ist vermutlich nicht weiterführend.

Doch nach der Beendigung einer unschönen Beziehung, nach ein paar Stunden des Laufens, Schwimmens, Lesens, Meditierens oder was auch immer man sich für die Zeit für sich auserkoren hat, ist für die psychische Gesundheit nach meiner persönlichen Erfahrung und auch laut Experten nur noch eines wichtig: Menschen bei sich zu haben, die man liebt.

Und zu spüren, dass man eben doch nicht allein auf diesem verwirrenden Planeten wandelt.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen