Samstag, 4. Juli 2015

Sport als Religion?

Neulich als ich das Fitness-Studio meines Vertrauens betrat, bot sich mir ein interessanter Anblick. In einer Reihe lagen sie da, halbwüchsige wie auch erwachsene Männer und Frauen, in den verschiedensten Posen. Vom durchgestreckten Rücken über minimal besorgniserregend verdrehte Knien bis hin zu der typischen Yoga-Ommm-Pose war alles vertreten.

Das Bemerkenswerte: Sie gehörten, wie sich herausstellte, keineswegs zusammen. Jeder war einfach für sich auf seiner Matte, zu Fuße der zahlreichen Kraftpaketmaschinen und ging seiner leidenschaftlichen Körperknüllerei nach. Dabei hatten nicht wenige die Augen geschlossen, ein paar schienen diese Erde im Geiste völlig verlassen zu haben.

Seit ich darauf achte, begegnet mir so ein Anblick fast jeden Tag – Sportler, die beim Ausleben der Adrenalin- und Endorphin-Gelüste vollkommen eins mit sich selbst und der Welt zu sein scheinen. Nicht zuletzt kenne ich das aus eigener Erfahrung. Mittlerweile komme ich nach langer Zeit des Nachdenkens zum Schluss: Ja, dies ist wohl tatsächlich eine Ersatzreligion.

Meine Eltern schliffen meinen Bruder und mich zu genau zwei Tagen im Jahr in die Kirche – das war es auch schon mit der frommen Gottesanbetung (immerhin sind wir alle getaufte wie gefirmte Katholiken). Die Sage rundum das Christkind war vielleicht noch das Charmanteste an der ganzen Sache mit der Bibel – der Osterhase findet in ihr bekanntermaßen nicht einmal Erwähnung. 

Das was wir da zelebrierten, war also unsere eigene Spiel-und-Spaß-Komposition aus christlich-theoretischer Grundierung und marketingspezifischer sowie genusssüchtiger Garnierung. Das taten wir nicht anders als wohl die überwiegende Mehrheit der Christen auch.

Das klingt kritischer, als ich es meine. Ich finde Weihnachten super und wenn ich ehrlich bin, liebe ich das Lied "Last Christmas" ebenso wie eine geschmacklos-übertriebene Weihnachtsdekoration. Einfach weil es Abwechslung in das Leben und die Schaufenster der Geschäfte zaubert. Nur, und das ist mein Punkt: Mit Religion hat das wirklich nichts mehr zu tun.

Also keine Religion. Oder eben doch? Dass sich die Weltreligionen überhaupt erst formiert haben, liegt nach meinem Verständnis am Grundbedürfnis der Menschen, einen Sinn in ihrer eigenen Existenz sowie ihrem Leben zu sehen. Es ist eine besondere Verbindung zu einem bestimmten Wesen, etwas, das einen sonst allzu eintönigen und am Ende sogar sinnlosen Tag zu etwas macht, das einen tief drinnen beschwingt und voller froher Gedanken füllen kann.

Meine These: Sport kann das auch. "Zu blöd, heute ist gutes Wetter, da habe ich keine Ausrede, keinen Sport zu machen", las ich neulich auf Facebook (wo sonst), darunter zigtausend Likes. Meine Beine würden sich freuen, wenn ich schlechtes Wetter als Ausrede zählen lassen würde. Bei Wind und Wetter zieht es mich nach draußen, ich sehne mich nach dem Gefühl, in Bewegung und damit frei zu sein, denken zu können, mir selbst nahe zu sein.

In der Bewegung liegt ein Fluss, in dem sich mir schon viele Lösungen diverser Probleme sowie zahlreiche schöne Gedanken erschlossen haben. Ich fühle mich dankbar und verbunden mit der Welt. Meine Gedanken fließen und ich fühle mich so gar nicht allein, weil alle meine Körperzellen miteinander wild kommunizieren. Irgendwann kommt der Moment, an dem ich merke, wie jemand tief in mir drinnen auf meine Gedanken Antwort zu geben scheint.

Vielleicht ist das mein Gott.

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