Dienstag, 20. März 2012

"Savoir Vivre"

Zu deutsch: "Wissen, wie man lebt." Ob auf dem Flyer einer Weinwerbung oder an einer vollgeschmierten Bank in der Uni: Irgendwo ist mir dieser Satz neulich in die Augen gesprungen und hat sich in meinem Hirn weiter gesponnen. Erstmal scheint die Formulierung dämlich. Sicher, es geht darum, zu wissen, wie man "gut" lebt. Dennoch: Wer nicht weiß zu leben, der ist doch wohl tot, denkt man sich und verdreht im Geiste die Augen gen Himmel. Da hat mal wieder mit zwei Worten ein philosophisches Zitat erbracht. Hört sich ganz schlau an, jaja, danke, kenns schon. Genießen und so. Man denkt an Franzosen und Wein und Italiener, die im Café sitzen und je nach Tages- und Nachtszeit (oder auch nicht) kräftige Espressi oder aber Vini trinken (im stiefelförmigen Land ist "Savoir Vivre" eben dann die "Belllllla Dolce Vita"). Nein, verzeih, sie trinken nicht: Sie genießen! Sie kosten das Heiß- oder Kaltgetränk bis zum letzten Tropfen aus. Schließen vielleicht ab und an genießerisch die Augen; aber auch nur wenn sie nicht zu beschäftigt sind, mit "Parlare". Denn richtig, sie reden nicht, sie parlaren, will heißen mit schwungvoller Gestik und Mimik, mit lauter Stimme, voll Inbrunst und Emotionen. Erst klang es, als würden sie sich hassen und beschimpfen, im nächsten Moment lachen sie fröhlich miteinander.

Verzeihung, ich schweife ab. Ich liebe das französische und italienische Lebensklischee, auch wenn das mal wieder sarkastischer klang als gemeint. Nur: Können das echt nur die Franzosen? Die Italiener? Vielleicht noch die Spanier und ganz sicher auch die Australier? Was genau ist denn das, diese besondere Kunst, zu leben? Wissen, wie man RICHTIG lebt und nicht einfach nur lebt?

Ich glaube, es ist eine Kombination aus "Sich selber mögen", "Andere mögen" und "Das, was man tut, mögen". Wenn eins der drei Dinge die meiste Zeit des Lebens nicht zutrifft, könnte was schief laufen. Wer jetzt hofft, beim Weiterlesen das Patentrezept für ein glückliches, erfülltes, "gekonntes" Leben zu führen, den muss ich leider enttäuschen.

Aber manchmal habe ich so eine Idee: Wie wäre es wenn bei allem was wir tun und lassen im Hintergrund ein schönes, ruhiges und fröhliches Lied laufen würde? Für mich wäre es wohl das Auenland-Lied (ja ich weiß, das ist definitiv nicht der korrekte Titelname, aber fängt die Flöte nicht an zu trällern, sobald sie an das Auenland denken?), aber das ist sicher individuell je nach Geschmack und bevorzugter Musikrichtung. Was wäre dann? Stellen Sie sich vor, sie gehen an einem grauen, trüben Tag einen hässlichen Weg entlang. Düster oder? Trist. Jetzt stellen Sie sich das Ganze mit dem Lied vor. Sicher, Wolken, Sorgen, Trauer und Ängste werden von den schönsten Panflöten nicht weggeblasen. Doch die vier gehören unter anderem eben zu dem, was das Leben eben halt ist. Nur die Sichtweise ändert sich. Und wir besinnen uns auf das zurück, was wir mit dem Lied verbinden: Stärke, Träume, Ziele, Wünsche... das Lied kann viel in sich tragen.

Einerseits gestalten wir unser Leben selbst, andererseits ertrinken wir in genau der Riesenpalette an Möglichkeiten, die es uns bietet. Sein Leben in die Hand zu nehmen, seinen Tag zu gestalten, wie man möchte, ihn mit Menschen zu verbringen, die man gern hat und sich auch Zeit für sich und für Ruhe zu nehmen: Das kennt man, das weiß man.
Doch das Leben ist eben kein Ponyhof und nicht immer so, wie wir es haben wollen. Und manchmal wie wir es haben wollten und dennoch finden wir uns statt glücklich eher leer und zufrieden vor.

Ich glaube "Savoir vivre" greift weiter. Wissen, wie man lebt, heißt für mich nicht nur, den Moment zu genießen. Für mich bedeutet es eher, das Leben entspannt zu nehmen. Sich bei dem was man tut, fragen, wie man sich dabei fühlt. Ob es sich richtig anfühlt. Ob wir das wirklich wollen, oder glauben es zu wollen. Ob wir es wirklich NICHT wollen, oder glauben, wir dürfen einfach nicht.

Für mich ist "Savoir Vivre" letztlich genau das, was ich eigentlich vermeiden wollte, in diesem Wortlaut zu schreiben:
Seinem Herzen zu folgen.

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