Samstag, 10. März 2012

Wieviel Feierei ist noch feierlich?

Mittlerweile ist es beinahe unumgänglich geworden, die Trends aus Übersee, speziell den USA, mitzubekommen, mitzuerleben und in Form von Film, Fernsehen und weiteren Medien zu konsumieren. Auffällig ist, was dort nicht alles gefeiert wird. Nicht nur finden die Amis am laufenden Bande Anlässe des alltäglichen Lebens, die sich nach ihrem Ermessen absolut lohnen, mit vollstem Herzen und Alkoholpegel zu zelebrieren; Nein auch das Drumherum kann garnicht bunt, kitschig und ausgefallen genug sein. Bei so viel Herzlichkeit und Rührseligkeit ist man als nordischer Europäer mal wieder skeptisch: Wieviel "volles Herz" steckt da denn noch wirklich dahinter? Was sind da noch echte Gefühle, echtes Miterleben und was reine Effekthascherei und Showzelebrierung?

Auch wenn diese Einleitung auch von meiner Seite aus eher Skepsis vermuten lässt, bin ich nicht sicher. Wahrscheinlich ist es so, wie meistens, wenn man gerne einmal alle über einen Kamm scheren und verallgemeinern möchte um etwas Ordnung in die Funktionsweise der Menschen und des Lebens zu schaffen: Es geht nicht. Weil eben keiner gleich ist. Und somit lässt sich wohl auch nicht sagen, was nun zu zelebrieren übertrieben ist und was nicht.

In meinem Leben hat es viele Momente gegeben, in denen ich mich über die Ruhe, die vor, in und nach ihnen herrschte, sehr gewundert habe. So das Abschließen des der letzten Prüfung beim Abitur, wie man das Klassenzimmer und das Schulgebäude ein für alle mal verlassen hat, hinaus in die Welt gegangen ist und da war: nichts. Doch, das Geräusch der heranfahrenden S-Bahn. Und ich glaube, es hat ein Auto gehupt. Was hatte ich erwartet? Trommelwirbel, Paukenschlag, laute Musik oder zumindest eine Heerschar von Menschen, die mich jubelnd applaudierend begrüßen und in ihre fröhliche Sektrunde einladen?
Sicher, die Abifeier kam dann schon. Aber das war dann auch wieder zu einem Zeitpunkt, wo in den Köpfen aller schon ganz andere Dinge herumwuselten: Studium, Auslandspraktikum oder freiwilliges soziales Jahr. Das Leben geht schnell und so auch die Gedanken. Man kann das Gefühl kurz nach einem einschneidenden Erlebnis ja nicht einfach konservieren, bis denn dann der (meist um einiges später) gemeinsam vereinbarte Termin kommt, an dem gefeiert wird.

Der Schulabschluss ist nur eines der einschneidenden Ereignisse im Leben eines Menschen. Da kommt eine Menge hinzu: Erste Beziehung, Studiumbeginn, Studienabschluss, erster Job, erste Kündigung, erster gemeinsamer Urlaub mit Freunden, Hochzeit, erstes Kind, erster Tod in der Verwandschaft. Glückliche wie traurige Momente sind immer wieder dabei, unser Leben komplett auf den Kopf zu stellen und unser Lebensgefühl für alle Zeiten zu ändern. Da fragt man sich natürlich schon manchmal die alte Baumfrage: Wenn ein Baum umfällt und keiner sieht es, ist er dann umgefallen?
Bei traurigen Momenten der Anlass, zusammen zu kommen, um sich Trost zu spenden. Bei glücklichen Momenten gemeinsam die Korken knallen zu lassen und sich zu freuen. Das Leben zu feiern, die Besonderheit des Momentes zu feiern.

Es hat seinen Grund, dass Menschen seit jeher Feste und Rituale in ihrem Jahreskalender notiert haben. Es ist Feiern und Abwechslung vom ständigen Alltag. Es ist ein Durchschnaufen und das Kennzeichnen eines neuen Abschnittes, eines neuen Erlebnisses oder sogar einer ganz neuen Ära.
Denn wenn man da gemeinsam glücklich mit Freunden und Familie zusammen ist, leckeres isst, gute Gespräche führt und sich wohl behütet und aufgehoben fühlt, da wird einem vielleicht erst klar: Hey, das ist ein besonderer Moment in  meinem Leben!
Es wäre schade, wenn das einfach an einem vorbeiziehen würde.

Was folgt also daraus? Feiern bis zum Umfallen? Haben die Amis recht?
Jein.
Ich denke, es ist gut, Anlässe nicht unter den Tisch zu kehren. Jeder hat das Recht, alles zu feiern, was ihm feiernswert erscheint. Egal ob das nun der erste erfolgreich gemeisterte Tag  im neuen Beruf oder die Verlobung ist.
Ich glaube nur, dass man auf dem Holzweg ist, wenn man glaubt, eine Feier impliziert automatisch ein Riesenheer an Menschen, einen noch größeren Alkohol- und Fressalienvorrat sowie ein kompliziert ausgetüfteltes Buffet und selbstredend eine bahnbrechende Location.
Jeder Mensch ist anders und somit feiert auch jeder Mensch anders.
Zelebrieren kann man Momente ganz unterschiedlich. Ob man viele Menschen um sich herum haben möchte oder nur ein paar wenige im gemütlichen Kreise, vielleicht sogar nur diese eine Person: Das ist so individuell wie der Geschmack und die Person selber. Und mancheiner kann hin und wieder vielleicht auch ganz allein mit sich selbst feiern und sich des Lebens freuen. Sich besinnen und wertschätzen, was war.

Ich erinnere mich an eine ziemlich schwere Klausur meines Studiums. Ich hatte lange darauf hingelernt und als ich das Blatt schließlich abgab, hatte ich ein gutes Gefühl und sonst einfach das erleichternde "Ich habe es hinter mir". Ich spürte, dass ich jetzt nicht einfach heim gehen wollte. Ich war fröhlich, erleichtert und wollte etwas besonderes, um diesen Moment für mich zu feiern. Ich ging auf den Mönchsberg, die Sonne strahlte und die Vögel zwitscherten. Dann hörte ich mein Lieblingslied, sah die Umgebung meiner neuen Heimat und merkte: Hier habe ich gefunden, was ich gesucht habe.

Hier über den Dächern der Stadt und nur mit Berg und Sonne freute ich mich über den besonderen Moment und fühlte mich vor allem eins:
Feierlich.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen