Donnerstag, 3. Juli 2014

Hippie or not Hippie

Hippies. Sie sind überall. Wer dachte, sie sind zusammen mit den 60ern verstorben, der irrt. Jedes mal, wenn ich meines Weges hin zur nächsten Chorprobe (ein ganz besonderer Chor, zu diesem später) vorbei am Volksgarten gehe, sehe ich sie. Zumindest bei Schönwetter sind sie so zuverlässig anzutreffen wie die ersten Gewitterwolken sobald man baden gehen möchte. Sie spannen ihre Slacklines auf (DAS Hippieaccessoire schlechthin), sie ziehen sich ihre Leiberl, insofern überhaupt vorhanden, aus und rauchen vermutlich illegale Substanzen.

Aber es sind bei weitem nicht die Einzigen. Ich weiß nicht, ob das einfach die ganze Zeit hindurch eh so war, oder ob es sich tatsächlich um eine moderne Erscheinung handelt. Aber mir kommt vor, ich hätte schon lange nicht mehr so viele Jungs wie Mädls gleichermaßen in weiten Baumwollhosen und gebatikten Oberteilen kombiniert mit möglichst verfilzten langen Haaren gesehen. Ich bin ehrlich: Da sind mir viele ziemlich suspekt.

Das bringt mich immer wieder zum Nachdenken irgendwie. Was ist denn eigentlich ein Hippie? Ist es per Definition jemand, der sich ungern die Haare wäscht und gerne barfuß auf Waldwegen geht und hier und da an einer Blume (oder aber an genannten Substanzen) schnuppert? Ist es einfach nur jemand der anders denkt? Da es selten befriedigende Resultate mit sich führt, schließt man nur auf das Äußere, gehe ich mal von der zweiten Definition aus und erlaube mir diese ein wenig genauer zu erläutern.

Anders denken heißt nämlich oftmals: So denken, wie eigentlich jeder denkt. Wäre da nicht und hm. Es  ist für viele der Alltag, acht Stunden oder länger in einem Büro zu sitzen. Die meiste Zeit zu tippen und hin und wieder sehnsuchtsvoll aus dem Fenster zu sehen. Verpflichtungen und sogar Hobbies nachzugehen, die man sich so nie bewusst ausgesucht hat eigentlich. Die halt einfach da sind jetzt und es zu gewagt, nahezu dreist, erschiene, sie einfach sang- und klanglos fallen zu lassen.

Die Hippies sitzen nicht im Büro und spielen nicht Geige, weil sie das nun mal immer so getan hätten. Sie gehen auch nicht Laufen oder zum Aerobickurs, um ja fit und schlank zu bleiben. Sie spannen sich ihre Slackline-Schnur zwar auf, aber ob sie nun drüber laufen oder nicht, das weiß Gott allein und entscheidet ganz die persönliche Empfindung.

Wie so oft gilt es bei der Betrachtung eines Extrems, nicht etwa dem Irrtum zu verfallen, das Extrem sei das Ideal, das es in diesem Augenblick erscheint zu sein. Für jemanden, der gerade aus einem stressigen  und zugleich zermürbend monotonen 8-Stunden-Bürotag kommt, auf seinen zwei oder vier Rädern nun  halbschläfrig weil nie ganz wach geworden gen Zuhause tuckert, dem könnte der Anblick schon weh tun. Weil es ihn kurz und heftig wie ein Blitz durchzuckt: Verdammt, das ist das Leben! So müssts doch sein.

Müssts aber nicht. Manchmal reicht es schon, sich auf Teilbereiche des Lebens zu beschränken, da aber voll loszulegen. Ich habe vor ganz kurzem eine ganz eigene Form der Hippiebewegung am eigenen Körper erleben dürfen und darf es weiterhin. Es mag sicher nicht per ursprünglicher Definition der Flower-Power-Gesinnung entsprechen, aber es fühlt sich zumindest für mich so an. Wir haben unseren eigenen Chor gegründet. Wir, das sind circa drei Hände voll Mädls und meine Wenigkeit. Wir treffen uns einmal in der Woche und singen alles, was wir lustig sind. Jeder schwingt dazu, wie er möchte. Oder auch nicht. Singt mal einer daneben, gibt es allerhöchstens einen Lacher. Ich, die bislang nur an Schulchören teilhaben durfte, erlebe hier mein blaues, oder eben schillernd buntes Wunder. Neulich habe ich mir sogar eine weitschwingende Hose gekauft. Und sie gleich zur nächsten Probe angezogen.

Seit ich in dem Chor bin, singe ich auch so wieder öfter. Zum Erschrecken meiner selbst und nicht zuletzt meiner Mitbürger des Öfteren auch beim alltäglichen Spaziergang. In weniger peinlichen Fällen irgendwo am See wenn es regnet, wenn ohnehin nur ich mich hinausgewagt habe und wunderbar allein die Ruhe und den Regen genieße. In peinlichen Fällen einfach mitten in der Stadt. Ich muss nur ein wenig abgeschaltet haben, was beim Spazierengehen ganz schnell mal passiert, und schon geht es los. Manchmal säusele ich sanft zusammen mit Imogen Heap durch die Gassen, manchmal singe ich aber auch lauthals mit sobald der Chorus in Michael-Jackson-Liedern anstimmt. Erst heute schmetterte ich laut beim Laufen "I just can't stop loving you" und musste fast weinen vor Ergriffenheit, wie frei und verliebt ich mich fühlte (und natürlich an meinen Herzallerliebsten dabei dachte).

Verwechsele ich die Begriffe "Hippie" und "Freies Schaffen, unabhängig davon was die anderen denken"? Für mich ist es eins. Und ich kann nur sagen:
Es fühlt sich verdammt gut an!

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