Mittwoch, 9. Juli 2014

Fußball? Nein danke.




Also mir langts jetzt mit dem Fußball. Ohne Witz. Und das obgleich ich Deutsche bin und dank des, ich zitiere, "historischen" 7-1 im Halbfinale gegen Brasilien eigentlich in lautem Jauchzgehüpfe zergehen sollte. Tatsächlich hab ich mich gefreut, als ich die frohe Botschaft am nächsten Tag im Internet vernahm (sorry, aber 22 Uhr ist definitiv nicht meine Uhrzeit). Die Freude wurde aber bereits in ihrer Entstehungsphase von dem erstickt, was mir im Laufe des Tages noch begegnen sollte.

Da waren die traurigen Gesichter der Brasilianer, wie sie heulend und Zähen knirschend in der Ecke lagen und jammerten. Die Bilder von Schlägereien und (zu) wild gewordenen Fans. Und dann waren da die Kommentare auf Facebook. Ja, ich weiß, man darf sie in mancherlei Fall so oder so nicht zu streng auf Relevanz, Bedachtheit, Herz und Nieren prüfen, aber irgendwann konnte ich es einfach nicht mehr sehen. Da waren die "Yeah yeah Schlaaand!" auf der einen (deutschen) Seite und auf der anderen (österreichischen) "Urg i speib glei". Irgendwie tat mir gerade letzteres schon ein bisschen weh. Was mich selbst wundert, denn eigentlich sehe ich mich mehr als Erdenbürgerin denn als einer Nationalität zugeordneten Person. Doch ich wurde nun einmal in Bayern geboren und bin im 10.000-Einwohner-Städtchen Ebersberg aufgewachsen und eben dieses wunderschöne Städtchen in Bayern zählt gemeinhin nun einmal zu Deutschland. Und wenn jemand das Land, in dem ich nicht nur laufen sondern auch schreiben, leben und lieben lernte, so lapidar zum Buhmann der Nation ernennt, dann tut mir das nun mal weh.

In meinen Augen ist das nicht Nationalstolz sondern ganz einfach das Festhalten an dem, was man bisher erlebt hat und wo man dies erlebt hat. Ich berufe mich (eben) keineswegs auf irgendwelche Teile der Geschichte und/oder (angebliche) Fähigkeiten und Merkmale der Deutschen, sehe mich nicht als in irgendeiner Form Privilegierte aufgrund meines Geburtsortes, den sich ja wohl wirklich niemand aussucht. Den Nationalstolz, der einen derzeit überwältigt, sobald man nur den Fernseher anschaltet (oder, zumindest in Deutschland selbst, vermutlich auch wenn man nur auf die Straße geht), kenne ich nicht und habe ich das letzte mal in dieser Form gefeiert als ich 16 war und es noch nicht besser wusste.

Jetzt fühle ich mich irgendwie alt und spaßverderberisch, wenn ich angesichts des Grölens und Jaulens nur angestrengt wahlweise die Augenbrauen hebe oder die Augen zusammenzwicke. Vielleicht würde es helfen, wenn ich das ganze Trara um den Fußball überhaupt nachvollziehen könnte. Vermutlich. Kann ich aber nicht. Wie kann es sein, dass sich da ganze Völkermärsche im Zuge von zweiundzwanzig Hanseln auftun, die anderthalb Stunden über den Platz wienern und versuchen, sich gegenseitig das Ball ins Tor zu dreschen? Woran liegt es, dass hier die Emotionen so hochglühen wie sonst beim Übergang von einem Millenium ins nächste? 

Aber ganz so alt und spaßverderberisch wie gewisse Aktivisten bin ich Gott sei Dank noch nicht. Die sind sich nicht zu blöd und walküren tatsächlich zu jedem einzelnen Auto und Hauswand, dessen Besitzer sich erdreisteten, eine Deutschlandflagge dort zu platzieren, um diese schnellstmöglich zu entfernen. An Stelle der Flagge finden die Fußballfans dann nur noch den Hinweis, sie würden mit ihrem Handeln nationalistisches Denken unterstützen. Meine Güte, echt.

Wer einmal mit dem Rucksack, ach was auch ohne, in der Welt unterwegs war, dem wird schnell klar: Ländergrenzen sind eigentlich sowas von zweites Jahrtausend. Im dritten, in dem wir uns jetzt befinden, passiert sehr viel. Im australischen Brisbane hatte ich Mühe, überhaupt Australier zu finden, soviele Reisenden sind a) unterwegs und so viele Asiaten und Menschen von überall her wohnen b) dort schon für lange oder immer. Und so sieht es doch immer mehr auf der ganzen Welt aus. Die Globalisierung sauge ich mir schließlich nicht gerade aus den Fingern. Ist es nicht der deutliche Trend der heutigen Zeit, dass die Menschen nicht mehr dort bleiben (müssen), wo sie geboren sind, sondern die Grenzen durchbrechen und neues Territorium erkunden?

Ich bin Deutsche. Ich lebe in Salzburg. Vielleicht werde ich eines Tages um die österreichische Staatsbürgerschaft ansuchen. Viel mehr plädiere ich für ein ganz neues Konzept: Nationslosigkeit. Erdenbürger, eh schon genannt.
Und dann braucht auch niemand mehr irgendwo eine Flagge entfernen. Oder wimmernd am Boden liegen, weil die "eigene" Fußballmannschaft gerade haushoch verloren hat.
All die Leidenschaft und das Herzblut könnten dann für ganz andere Zwecke genutzt werden. 
Für eine Welt ohne rein geografisch bedingte Grenzen zum Beispiel.

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