Sonntag, 1. Juli 2012

Ja, und dann?



In diesem Leben räumen sich die Menschen in Schubladen. Aber Anna nicht, läuft frei herum. „Wie geht’s dir?“ fragt sie wen. Nicht in echt, sondern im Internet bei Facebook. Da sind jetzt alle, denn das ist einer der wenigen schubladen-verschont gebliebener Räume. Kann man einfach sein, muss nicht fragen, warum. Geht ja auch ganz schnell. „Gut“, antwortet der andere. Sie wird es wohl glauben müssen, sein Gesicht sieht sie ja nicht. Sagt halt nur jeder, kann es dann stimmen?

Sie ruft ein paar Leute an. Es hat keiner Zeit, sie arbeiten. Sie lernen. Sie sind auf jeden Fall zu beschäftigt, um sich unerhörte Zeit zu nehmen. Wächst nicht auf Bäumen, Anna. Wächst sie doch, murmelt sie leise. Wächst auf den Bäumen, an denen ich vorbeilaufe. Hat sich flink Badesachen in den Rucksack gepackt und macht sich auf den Weg. Läuft an Menschen vorbei, die zusammen in der Sonne sitzen. Die Genießer, denkt sie fröhlich. Sieht dann das Smartphone in der Hand. Sieht den gehetzten Blick immer wieder auf die Uhr. Hört sie reden „Muss gleich weiter.“ Ja, sie sitzen nicht um des Sitzens willen. Es ist ein Warten auf die nächste Episode. Anna geht weiter. Atmet ein, atmet aus, es ist ein wirklich heißer Tag. Sonne brennt, hin und wieder ein Windstoß, der sich erbarmt, den erhitzten Körper mit kühlerer Luft einzutauchen, zu umspülen. Einatmen, ausatmen, ein Fuß folgt dem anderen und die Baumwipfel ziehen einer um den anderen allmählich an Annas Kopf vorbei, als würden sie ihre Schritte zählen. Neben ihr der Fluss bestätigt sie auf ihrem Weg, fließt in die selbe Richtung. „Wohin des Weges, Wasser?“, fragt sie, fühlt sich erst dumm, dann merkt sie, dass sie eh keiner gehört hat. Fluß fragt prompt frech zurück, das hätte sie ahnen müssen: „Ja, wohin des Weges, Anna?“ „Na, zum See!“ Und dann?

Es ist das „und dann“, das ihr Unruhe bereitet, sobald sie zulange in der Welt verbringt, die die Leute modern nennen. Es wird das gemacht, dies geschaffen, hier gelernt, da beworben und immer wieder bitte etwas Neues, an dem man sich ganz frisch entdecken kann. Neue Wege jeden Tag. Und dann?
Was wäre denn, wenn und dann gar nicht da wäre. Wenn es einfach nur wäre „So hier und jetzt und basta. Nix dann. Jetzt eben.“
Ist es das, was die Philosophen und all diese Bio-Ökos mit trendigen Titeln wie „Slow Food“ und „Entschleunigung“ meinen? Ist es genau das, „und dann“ von der Liste zu streichen und mit einem fröhlichen Achselzucken zu beantworten? Einfach so keinen Plan zu haben, das kann doch nicht erlaubt sein.

Aber ohne das hinterhältig gegen den modernen Weltgedanken geplant zu haben, gibt es kein großes „Und dann“ in Annas Kopf. Sie geht und geht, das einzige was sie weiß, ist das am Ende ihres Weges der See ist. Die Sehnsüchte des Sommers, der Ruf der Sonne und von spritzendem Seewasser und dem Gefühl von gluckerndem Wasser um die Ohren,n wenn sie abtaucht. Die treiben ihre müden Beine immer weiter zu ihren Gefilden des Glücks.

Nackte Füße berühren dann das Gras, schön kühl trotz all der Hitze. Spürt die Halme an den Zehen, Schritt, Schritt weiter, und dann hat sie es bald um sich tanzen, Wasser nass und heimlich.
Ein paar Züge geschwommen, Kopf kurz nach unten und sie ist angekommen.

Und dann? Wen kümmert's.

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