Dienstag, 3. Juli 2012

Die Seelenorte







Es gibt da so einen Ort, an den komme ich immer wieder gerne hin. Nein, stimmt nicht. Es sind viele. Einer davon ist seit relativ junger Zeit das Paracelsusbad im Mirabellgarten. Schon während ich meine Sachen in die Tasche packe und vorsätzlich bereits in den Bikini schlüpfe, kommt sie in mir auf, diese Vorfreude.

Durch den malerischen Garten hindurch spaziert, wo Vögel zwitschern und Menschen schlendern, steht man direkt vorm einladenden Eingang. Ein Gefühl der Ruhe, der Zeitlosigkeit und des Sich-Gut-gehen-lassens überkommt mich, wenn ich die warme Luft spüre und den Geruch, der nach Kur und Hotel riecht. Umgezogen, geduscht und die Stiege hoch zum Becken sind es nur noch Sekunden die mich vom Wasser trennen. Handtuch abgelegt, noch einmal den Blick über das einladend warme Wasser streifen lassen und hinein gehts in das Wasser. Es fühlt sich leicht an, man scheint zu schweben. Und dann schwimme ich. Mit Kopf unter Wasser und ganze Welt weit weg, nur der sanfte Druck und ich, wie wir eins werden. Hin und wieder sieht man sich an, lächelt sich zu. Aber das hier ist ein Raum, in dem der Alltag nicht zählt. Hier ist Ruhe.

Warum ich das so genau ausführe? Ich wollte einen Einblick vermitteln in das, worum es in diesem Artikel gehen soll. Die Wohlfühlorte, Seelennischen, wie immer man es nennen mag. Es sind Orte, an denen wahlweise die Zeit stillsteht oder rast, weil man solchen Spaß hat. Denn die Wohlfühlorte müssen nicht automatisch ruhig sein. Gut möglich, dass ein Rennfahrer dieses Gefühl hat, wenn er gerade mit 300 Sachen auf der Rennstrecke dahin wetzt. Ein anderer liebt es, Actionfilme im Kino mit lautem Geballer anzuschauen oder, oh schmach, sich Proletenfernsehen bei RTL reinzuziehen. Die Seelenorte sind nämlich nicht immer rein lokal. So wäre es nicht unbedingt richtig, nur zu sagen, das Paracelsusbad wäre der Ort an und für sich. Es geht um das Gefühl, das ich dort habe. Die Menschen, die ich dort sehe. Das Wasser, das mich umgibt und mich in seiner warmen, leichten Art jedes Mal sanft zu umarmen scheint.
Seelenorte sind nicht einfach so da und können geteilt werden. Seelenorte wurden von einem individuellen Menschen ganz eigen für sich erkoren. Der Mensch hat sich den Platz erwählt, weil er Assoziationen mit ihm verbindet. Weil es ihn vielleicht an ein schönes Kindheitserlebnis erinnert, an einen Menschen, an einen Urlaub. Und weil ihm an diesem Ort eins gelingt: Abschalten.
Natürlich haben viele gleich Sonne, Palmen und Sandstrand vor Augen. Hat sicher auch als Seelenort seine Daseinsberechtigung. Aber es gibt Sonne, Palmen, Sandstrand oder zumindest das Gefühl des Loslassens auch einem anderen Fleck irgendwo in Ihrer Nähe. Ganz bestimmt. Sie müssen Ihn nur finden.

Vielleicht ist es das, was man dem Internet anprangern könnte, somit aber auch dem Fernsehen und all denen, die es uns leicht machen, einfach gar nicht erst nach Seelenorten zu suchen. Ich glaube, dass so viele Burnouts oder auch  "nur" Stress bishin zur Ermüdung und Rastlosigkeit verhindert werden könnten, wenn die Menschen sich über ihre Ressourcen mehr Gedanken machen würden. Und nein, damit meine ich sicher nicht, was sie leisten können. Das tun wir in den heutigen Zeiten von Selbstverwirklichung und Individualisierung weiß gott genug. Ich meine eher: Was will ich? Woran denke ich gerne zurück? Was fällt mir spontan zum Thema "Mich so richtig wohlfühlen" ein? Wer durch Nachdenken nicht zur Erleuchtung kommt, macht nichts. Neues ausprobieren schadet in so einem Fall nicht.
Letztlich ist das Ziel, nicht wieder irgendwo ein tolles neues Hobby zu zelebrieren. "Ich kann einfach nicht abschalten", diesen Satz hört man ja oft. Ich glaube: Doch, schon. Nur halt nicht unbedingt bei Facebook. Das soll nicht heißen, dass das nicht möglich wäre. Das soll nur heißen, dass es Spaß machen kann, ein paar Experimente zu wagen, die wenig mit neuen Zielen ("Endlich joggen gehen!") oder Verpflichtungen (gesünder kochen! überhaupt kochen!!!) zu tun haben. Da reicht es schon, die Beine mal auf die Couch zu legen und die Gedanken herum schwirren zu lassen. Vielleicht sich nen Zeichenblock zu schnappen und wild drauf loszukritzeln. Schuhe an und einfach mal bisschen bummeln, ganze ohne sportlichen Hintergedanken.

Mich persönlich hat eine Freundin auf das Hallenbad gebracht. Mich, die vorher so eine Hallenbadverweigerin war (weil sie im Kopfe noch die eher wenig hübschen der Vergangenheit im Kopfe hatte). Mich hat es überzeugt, dieser Ort der Kur und Enthastung.
Sich von Freunden bei der Suche nach dem eigenen Seelenplätzchen helfen zu lassen, ist also mehr als legitim. Ich wünsche viel Glück!

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