Montag, 2. Januar 2012

Angst vorm Alleinsein

"Kein Schwein ruft mich an, keine Sau interessiert sich für mich." Wer kennt sie nicht, diese Liedtextstelle. Während man den lyrisch-ästhetischen Gehalt dieser Worte in Frage stellen kann, spricht (besser singt) Max Raabe jedoch ein Thema an, das durchaus in die Gefilde der Philosophie und Psychologie des menschlichen Daseins hinabtaucht: Der Angst vor der Einsamkeit.

Die meiste Zeit sind wir schwer beschäftigt. Entweder gibt es tatsächlich viel zu tun oder aber wir erweisen uns als wahre Meister der Ablenkung. Stillstand und Nichtsnutzen ist der Gesellschaft ein Grauen. Und ebenso vielen ist es das Alleinesein. Solange sich die Rädchen drehen, Hirn und Hände eingespannt sind und wir uns auf etwas (am besten gleich mehreres) konzentrieren können, ist die Welt in Ordnung. Doch sobald Ruhe einkehrt, der letzte Punkt der To-Do-Liste abgehakt ist, schleicht sie sich an. Die Frage ist einfach, banal, doch versetzt so manch einen in Angst und Schrecken: "Und jetzt?"
Hektisch wird das Mobiltelefon aus der Jackentasche gekramt und überlegt, wen man denn anrufen könnte. Wer hat Zeit oder Lust, etwas zu unternehmen?
Denn entweder sind wir produktiv oder in Gesellschaft. Eins von beiden muss erfüllt sein, denn das, was sonst droht, ist vielen ein Grauen.
Zeit der Ruhe. Zeit des Nachdenkens. Zeit des Grübelns.
Für viele geht das nämlich zunächst Hand in Hand mit einer traurigen und niederschmetternden Einsamkeit.
Auch ein Hauch von Schuldgefühlen kann sich anschleichen: Was, wie, du hast jetzt nichts zu tun? Wie kann das sein. Die anderen haben bestimmt grad auch etwas wichtiges zu erledigen. Such dir eine Aufgabe, aber flott!

Denn sobald man alleine ist, kommt man dazu, über SICH selbst nachzudenken. Nach dem Hadern und Fragen wie "Warum hat keiner Zeit für mich?" und "Was soll ich nur tun?" kommen bald wesentlich tiefer greifende Fragen, die wir vermeiden wollten: Was mache ich mit meinem Leben? Was kann ich, was will ich? Man möchte sich anpassen, aber nach der Pubertät und im steigenden Alter lernt man die eigene Persönlichkeit, Stärken und Schwächen besser kennen. Und findet heraus, was man möchte. Es ist einfacher, sich auf andere zu stützen und sich selbst über das Zusammensein mit ihnen zu identifizieren. Doch was passiert, wenn besagter Mensch aufeinmal weg ist?

Denn kennt man seine Stärken und Schwächen und setzt sich mit sich selbst auseinander, lernt man auch die einzige fixe Konstante in unserem Leben akzeptieren und lieben lernen: Uns selbst. Wer gelernt hat, sich auch alleine gut und sicher zu fühlen, wohnt in sich selbst. Die Zeit, die man alleine ist, sollte also keineswegs ein Grund zur Furcht sein. Es ist eine Chance und eine tolle Gelegenheit, endlich mal Zeit mit sich, und nur mit sich, zu verbringen.

Wer seinen Weg auch dann selbstbewusst und fröhlich geht, auch wenn mal keiner direkt neben einem herläuft, der hat es wohl geschafft: Er ist eine starke Persönlichkeit. Er wohnt in sich selbst. Er ist frei. Und kann als solche für andere ein toller und bereichernder Freund und Gefährte sein.

Er hat eine wichtige Lebenslektion gelernt:
Allein ist nicht gleich einsam.

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