Von den Tücken einer Fußmassage
Pieks, stech, aua. Pünktlich zur Feierabendzeit stellte sich in meinen Füßen in letzter Zeit regelmäßig ein vorher unbekanntes nicht besonders feiermäßiges Gefühl ein. Ich wunderte mich sehr, da ich dort, wo auf einmal alles beleidigt und eingeklemmt vor sich hin wimmerte, wirklich nichts vermutet hätte, das beleidigt sein könnte: Der Fußsohle. Nackenschmerzen, klar. Muskelverspannungen am Rücken bei der übermütigsten Biegung meiner Skulioseträchtigen Wirbelsäule? Aber sicher. Aber die Fußsohlen??
Mein Herzallerliebster mühte sich bereits öfter ab, als ich mich traue zu gestehen und jedes Mal fühlte es sich danach wie der Himmel auf Erden an. Die beleidigten Füße waren offensichtlich keine Primadonnen, ließen sich schon nach fünf Minuten des intensiven Knetens und Rubbelns wieder besänftigen. Nur dass besagter Herzallerliebster irgendwann (nagut, verständlicherweise) grummelnd den Dienst quittierte. Er fühle sich ein bisschen dämlich, sagte er. An meine Füße käme ich doch schließlich wirklich selber hin.
Unnötig zu erklären, dass eine Eigenmassage nicht den erwünschten "Wie-eine-Katze-schnurrend-vor-sich-hintretel"-Effekt erzielt. Ich beschloss also, mein hart erarbeitetes Geld mal für etwas einzusetzen, das sicherlich in die Kategorie "Unnötiger Luxus" fällt (zumindest wenn man sich wie ich ansonsten, ich gestehe, in tadelloser Gesundheit wähnt): Eine professionelle Fußreflexzonenmassage. Fuß. Reflexzonen. Massage. Allein beim Namen floss mir das Mund im Wasser zusammen und meine Füße zuckten schon freudig in Richtung Bildschirm, an dem ich die Auswahl an Masseuren in meiner Umgebung nun genauestens inspizierte.
Ich entschied mich für eine Dame, die ich namentlich zu ihrem eigenen Schutz hier nicht erwähnen möchte. Bereits bei diesem Satz dürfte Ihnen schon dämmern: Es war nicht der Bringer. Aber von vorn. Leicht enthusiastisch über die anstehende Wellnessbehandlung (außerhalb der thailändischen und Adria-Strand-Dumpingpreise hatte ich mir noch nie zuvor eine professionelle Massage gegönnt) schwang ich mich auf zum Haus der Masseurin, für die ich mich entschieden hatte. Meine Füße ziepten bereits angemessen. Die Befürchtung, sie würden sich alsbald denn die Hilfe zum (im wahrsten Sinne des Wortes) Greifen nahe stünde, von ihrer besten Seite und absolut unbeleidigt zeigen wie man es von Besuchen beim Arzt kennt (Ich glaube mir fehlt doch nix-mäßig), bestätigte sich glücklicherweise nicht. Die schmerzenden Fußsohlen steigerten meine Vorfreude ins Unermessliche.
Leider hatte ich bei meiner Wahl wohl das entscheidende Prädikat überlesen. Nämlich "Heil". "Heilmasseurin". Wahrscheinlich hätte ich die Räumlichkeiten verlassen sollen, sobald mich die (zugegeben sehr freundliche) Dame mit einem kleinen Stapel an auszufüllenden Dokumenten empfing. Vollständiger Name, Adresse, Telefonnummer, das hatte ich erwartet. Doch die Liste ging weiter. Beruf? Hobbys? Medikamente? Bisherige Operationen? Ziemlich bald fühlte ich mich wie bei einem Vorsorgetermin beim Arzt. Ich war so frech und fragte nach. Was genau denn diese Liste mit meinen Füßen zu tun habe?
Die Dame lächelte nur wissend, so wie diese Menschen immer lächeln. Der stillen Überzeugung gewiss, dass sie eine ganze Welt kenne, die mir vielleicht für immer verborgen bleibe. Dieses Lächeln von selbsternannten Kennern angesichts der Ahnungslosigkeit der Ungläubigen. "Ja, Sie werden staunen", sagte sie schließlich bedächtig und ließ sich jedes Wort genießerisch auf der Zunge zergehen.
Sie behielt Recht, ich würde staunen. Leider nicht angesichts der unglaublichen Hülle und Fülle an Wissen die mir (so wie sie sich das wohl vorstellte) die Augen für immer öffnen und mich fortan als völlig neuen Menschen durch die Welt tragen sollte. Ich staunte eher, wie sehr Menschen eigentlich aneinander vorbei reden können.
Ich bin jetzt mal ehrlich, arrogant und brutal: Ich wollte, dass die Lady meine Füße knetete. Eigentlich am liebsten schweigend. Und das die 30 Minuten, die ich gebucht hatte. Das was nun folgte entsprach dieser Vorstellung zu einem nur unter dem Mikroskop erkennbaren Prozentteil. Nach dem seitenlangen Bogen, den ich ausfüllen musste, war die nächste Anweisung nicht weniger befremdlich. "Ziehen Sie sich dann bitte mal Ihr Oberteil aus". Ja, richtig, Oberteil. Fußmassage und so, eh klar, oder?? Ich war komplett irritiert.
Wie bereits zuvor auf Nachfrage erwähnt, macht mein Rücken lustige Krümmungen in alle Seiten. Die Frau tat so, als hätte ich es NICHT erwähnt. Erstaunt, fast ein wenig fröhlich, gab sie mir Anweisungen, mich nach vorne und wieder zurück zu rollen und gab im Sekundentakt Kommentare wie "Also ja, das ist eine Skuliose", "Mhm", "Spüren Sie die Krümmung?". Ich war nahe dran, irgendein teures Massageöl auf Ihrem Tisch zu packen, es auf den Boden zu schmeißen und die Massage(!)praxis mit ein paar frustgetränkten Fluchen zu verlassen. Nach hunderttausend Physiotherapeuten war das ja nichts Neues, was Madame mir da erzählte. Deswegen war ich nur einfach nicht hier.
Nachdem Sie auch noch meine Pofalten (ich denke mir das ehrlich nicht aus) eingehend gemustert hatte, sollte es schließlich doch noch dazu kommen: Ich sollte mich hinlegen, die Füße seien jetzt dran. Gewaltige zehn Minuten, in denen sie von einem Punkt zum nächsten mit aller Gewalt und mit zwei Fingern hineindrückte und fragte, ob es denn weh tat. Jedes Mal mit einem wissenden, leicht sorgenvollen "Mhm" kommentierend, sobald ich sagte, ja es täte weh. Es folgte ein langer Redeschwall über alle Körperfunktionen die mit diesem oder jenem Punkt verbunden waren. Ich war mir schon bald sicher: Ich bin leider komplett blockiert. Zu meiner Heilung, so war die Dame implizit sicher überzeugt, müsste ich künftig mindestens dreimal die Woche in Ihr Hexenhäuschen eilen.
Zu guter Letzt packte sie noch ein Ding aus, das aussah wie eine große Schraube und verriet mir, sie würde jetzt mein Yang aktivieren. Sprachs und rieb das Gerät nahezu schmerzhaft vom Bauchnabel in einer Linie hinauf bis zum Knie. Wie sich das anfühlte, fragte sie immer wieder. Ich traute mich nicht, sie anzubrüllen.
Es blieb nicht viel Zeit für die eigentliche Massage, denn leider waren mein Rücken und co. totaale Zeitfresser gewesen. Sie müsse sich nun leider schicken, deswegen könne sie meine Füße jetzt nicht mehr bearbeiten. Spätestens hier hätte ich mich wieder gerne wie ein beleidigtes Kleinkind in der Trotzphase auf den Boden geworfen und mit den Fäusten auf den Boden getrommelt. Allerdings machte sich auch ein wenig Erleichterung breit.
Mir tat es Leid um das Geld, das ich an diesem Spätnachmittag los wurde. Meine Vorbehalte gegenüber dem, was sich in meinem Kopf als "alternative Medizin" gefestigt hatte (die wohl nicht zufälligerweise sehr häufig völlig ungefragt angewendet zu werden scheint), hatten noch ein wenig Nährboden gefunden.
Wer diesen Artikel ließt und nur den Kopf schüttelt angesichts meiner Ignoranz: Es tut mir Leid. Auch wenn ich es ehrlich gesagt innerlich tue, wollte ich mit diesem Text nicht die Qualifikation der Frau als Heilerin oder was auch immer anzweifeln. Ich sage nur eins: Ich hatte eine Fußmassage gebucht. Nicht mehr und nicht weniger.
sorry liebe tine,
AntwortenLöschenaber wenn man in die autowerkstätte fährt um die reifen wechseln zu lassen und die entdecken einen motorschaden, ist niemandem geholfen, wenn nur der gummi getauscht wird.
schon richtig nur weiß ich nicht ob da nicht jedem gleich ein motorschaden attestiert wird auf dass er möglichst öfter kommt (und zahlt) ;) weil er schließlich ja geheilt werden muss..
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