Samstag, 2. Juni 2012

Wer reist, nimmt sich selber mit



"Wer auf eine Reise geht, der nimmt sich immer selber im Gepäck mit."
"Das Leben ist ein Buch. Wer nicht reist, liest nur die erste Seite."
"Man wächst an neuen Erfahrungen."

Ja, es gibt viele schlaue Sätze zu dem Thema. Das Thema, um das es geht, Sie haben es schon erraten: Reisen, ins Ausland gehen und neue Erlebnisse, Eindrücke und Erfahrungen mit sich nehmen. Es gibt viele Arten zu reisen, das Ausland zu besichtigen. Während die einen es bevorzugen als Tourist der ersten Klasse in teure Hotels einzuchecken, Cocktails zu schlürfen und sich schlichtweg die Vorteile des besuchten Landes samt Entspannung und Prinz/essin-von-Siam-Gefühl zu geben, schnappen sich die anderen lieber ihren Rucksack samt Schlafsack und nächtigen in Holzklassezügen, billigen Jugendherbergen oder am liebsten gleich im mitgebrachten Zweimannzelt. Das sind die Reisenden. Für einen bestimmten, in manchen Fällen sogar unbestimmten Zeitraum verlassen sie den heimischen Wohnsitz und die bereits eingesesssene Couch, um an abenteuerlich fremder Luft auf anderen Flecken der Erde neu durchzuschnaufen, die Gedanken zu sortieren, neues zu erleben und einfach: Mal was anderes machen.

Reisen ist etwas, das die Menschen wohl schon immer getan haben. Normalerweise ist ein zentraler Punkt daran, dass, auch wenn der Zeitpunkt noch fern ist, ein Zurückkehren zum Ausgangspunkt, der sogenannten Heimat, geplant ist. Mit anderen Reisenden von der ganzen Welt um den Esstisch des Hostels versammelt oder im Zug quatschend mit anderen Backpackern philosophiert man dann gern über Heimweh, über das, was man zuhause vermisst. Das gute deutsche Brot. Die Familie, Freunde.
Warum geht man dann überhaupt auf Reisen, wenn es zuhause doch so toll ist?
Der Grund ist einfach: Abenteuerlust.

Nach ein wenig Einleitung möchte ich hier ansetzen. Denn die Abteneuerlust lässt sich heutzutage oft nicht mehr alleine durch das Buchen eines Fluges weit weg befriedigen. Nicht einmal damit, dann auch einzusteigen. Denn egal, welcher Zeitraum, es handelt sich eben doch nur um begrenzte Zeit. Zeit, in der man viel Geld ausgibt und keines verdient. Zeit, die schon allein dadurch befristet ist, dass man ja nicht ewig Urlaub machen kann. Man muss kein Workaholic zu sein, um es nicht nur aus finanziellen Gründen eher abstoßend zu finden, so lange gar nichts zu tun zu haben. Was aber, wenn man nun eben doch für länger weg will? Egal ob Koller, den man allmählich zuhause bekommt oder Probleme, die sich daheim stellen. Das Gefühl, weg zu wollen, kann man manchmal übermächtig werden. Früher einfach nur stille Sehnsucht, lässt es sich heute ja sogar umsetzen und man beginnt zu planen. Aber was nun tun, wenn man eben nicht nur mal für ne Zeit weg will, sondern was ganz neues machen?
Die Lösung? Die haben sich schon viele schlaue Menschen in Agenturen überlegt und auch Privatpersonen sollen ganz ohne Hilfe schon allein darauf gekommen sein: Auslandsemester für Studenten, Auslandspraktikum, Work and Travel, oder, ohne klangvollen Namen: Einen Job und eine Wohnung im Ausland suchen. Auswandern auf Zeit eben, ob nun mit oder ohne Programm.
Der große Unterschied zum Reisen: Egal ob befristet oder nicht, baut man sich eine neue Existenz  auf. Man verfügt über eine fixe Adresse, die weder Ho- noch Hostel ist, man geht regelmäßig zur Arbeit und begibt sich weg vom (vom gemeinen Traveller gefürchteten) Touristenstatus. Man wohnt da, ist heimisch, ansässig und wird Teil einer neuen Kultur.

Klingt super, oder? Ich bin absolut der Meinung, doch fremde Stimmen beginnen wieder zu raunen: "Wer reist..." Nimmt sich selber mit, jaja, wir haben's verstanden. Springender Punkt ist eben schon folgender. Ob nun Rucksackreiser, schick mit Rollkoffer oder ansässig-werden-wollend mit drei Riesenkoffern: Der, der die Koffer schleppt, ihn hinter sich her zieht oder Rucksack auf dem Rücken trägt, ist immer noch die selbe Nase, wie noch daheim. Davonlaufen ist also weder vor persönlichen Charakterschwächen noch vor familiären Schwierigkeiten möglich. Wer glaubt, wo anders einfach "nochmal ganz neu anfangen" zu können und damit meint, einfach alles, was daheim eben nicht so gelaufen ist, hinter sich zu lassen, der begeht einen Denkfehler. Man stellt sich vor, wie man nun, frei von allem bisherigen Ballast, genau so ist, wie man gerne sein wollte. Frei und ungebunden, viel lockerer als sonst und überhaupt: Ein ganz neuer Mensch. Aber hat man das nicht schon zuhause versucht? Eben.

Menno, jetzt versau mir doch nicht meinen Auslandaufenthalt, höre ich es aus der Ecke murren. Und nein, das will ich wirklich nicht. Ich selbst werde nun wohl ins Ausland gehen, werde also einen Teufel tun wollen, mir das selbst durch Negativ-Denkerei zu vermiesen.

Es ist, denke ich, einfach wichtig, sich folgendes im Kopf zu behalten: Toll ist, was man schon hat. Man ist gewachsen, gereift, hat sowohl positive als negative Erfahrungen gemacht. Es geht nicht darum, zurückzulassen, sondern darum, neue Gefilde zu erkunden.  Neue Eindrücke sammeln, die zu den bereits gefundenen "alten" in die Erfahrungsschatzkiste der Erinnerungen gelegt werden können. Wie man da Unterhosen und Pullis faltet und in den Koffer legt, wie man Formalitäten unterschreibt und sich von Freunden verabschiedet, sollte man sich auch dafür Zeit nehmen: Das letzte Mal in der Heimat spazieren gehen und liebevoll seinen Blick über Gebäude, Bäume und Menschen gleiten lassen.

Denn Recht haben sie alle, die Befürworter der oben genannten Zitate. Man nimmt sich selber mit, man sammelt tolle und auch nicht so tolle Erfahrungen, man geht durch Höhen und Tiefen. Statt wegzulaufen, stellt man sich neuen Herausforderungen. Die alten Probleme von daheim gehen nicht weg, doch die eigene Perspektive ändert sich. Man gibt sich durch den Auslandaufenthalt, durch die Reise, Chance, weiter zu wachsen. Der Druck, ganz neu anfangen zu müssen, alles schlechte hinter sich zu lassen, fällt plötzlich von den Schultern. Das ist gut, denn an die Stelle der Lasten kommt nun der mit Abtenteuerlust gepackte Rucksack. Mit den Unterhosen, den Pullis und am allerwichtigsten:

Mit dem Kopf samt wertvollen Erinnerungen von daheim. Und das ist auch gut so. Auf zu neuen Gefilden und neuen Gedanken!

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