Samstag, 14. April 2012

"Generation Maybe"? Gebt uns Zeit!

Tausend Möglichkeiten, keinen Elan. Viele einladende Wege, doch weder Ehrgeiz noch jeden Tropfen Herzblut, sie zu gehen. Schwere Vorwürfe, die derzeit auf unsere Generation einprasseln.

Unsere Generation: Das sind wir Privilegierten, beschenkt mit Reichtümern an Möglichkeiten, von Geburt an. Vielleicht nicht Geld, vielleicht nicht Status, dennoch mit der Aussicht, generell alles aus unserem Leben machen zu können, wenn wir es nur wollen. Sicher, ein Anwaltstöchterlein aus gutem Villa-am-See-Hause wird die Welt voraussichtlich anders erleben als der Hoodie-tragende rebelierenden Kleinganove "aus der Bronx": Aber letztlich leben wir doch in der selben Welt. Gerade Internet, Globalisierung, Vernetzung und die Aufweichung von Grenzen, prägen uns von Schulzeit an.

Praktikum im Ausland. Work and Travel. Oder da bleiben, duales Studium. Normales Studium. Fachhochschule, wer's nicht ganz so theoretisch haben will. Auch Ausbildungen scheinen lange nicht mehr den Ruf der "unakademischen Holzklasse" zu tragen. Der aktuelle Zeitgeist und die Mentalität lautet: "Alles ist möglich! Live your dream. Yes, you can."

Das Resultat: Artikel wie "Generation Maybe hat sich im Entweder-Oder verrannt". Der latente Vorwurf: Wir haben viele Chancen, die wir ergreifen könnten, alle Tore stehen uns offen; und wir chillen in der Hängematte davor, träumend und grübelnd, welche glorreichen Wege wir wohl beschreiten könnten und was nun das wirklich BESTE ist.
Manche liegen nicht, manche rennen auch hektisch von einem Tor zum anderen, sind kurz davor, eines zu passieren und machen im letzten Moment vor lauter Panik kehrt.
Das Resultat bleibt das gleiche: Die Tore bleiben unbeschritten, die Menschen ohne fixes Ziel und ein großes Fragezeichen schwebt wie ein Damoklesschwert darüber.

Das Problem erkennt schon der Artikel: Unser eins neigt dazu, den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr zu sehen. Aber ist es denn ein Wunder? Früher waren die Perspektiven an einer Hand abzählbar, heute würde nicht mal ein Tausendfüssler reichen, um ähnliche Übersicht zu bieten.

Nun aber zu dem, was ich zu dem ganzen Schlamassel anzumerken habe: So wild ist es meines Erachtens nicht. Denn in der Theorie hört sich all das schön und gut (oder eben schlecht) an, hat sicherlich seine Richtigkeit. ABER: In der Praxis schaut's dann doch noch mal anders aus.
Ich kenne zuviele 20- bis 35-Jährige, die sehr wohl das haben, was uns angeblich fehlt: Eine Vision. Haufenweise Energie. Ein wahres Streben auf ein Ziel hin, das tief im Herzen danach schreit, erfüllt zu werden. Oder zumindest, weniger pathetisch formuliert, eine genaue Vorstellung von dem, was man gerne beruflich macht, machen möchte und wie man gedenkt, dahin zu kommen. Berufs- und Reiseziele, Familienpläne und Bausparverträge.
Auch sind diese Visionsträger und Zielstreber zuviele, um nur der Abweichung von der Norm, der Ausnahme des Regelfalls, zu entsprechen.

"Generation Maybe" äußert sich meiner Erfahrung nach oft eher in einem anderen Sinne: Man hat stets im Kopf, "maybe" vielleicht noch etwas anderes zu machen. Viele fühlen sich in dem was sie tun deutlich befreiter und bestärkter, weil sie wissen, dass sie sich hier nicht wahlweise ihr eigenes Fundament oder aber ihr eigenes Grab schaufeln, sondern nur eine der zahlreichen Möglichkeiten ausprobieren. Weil sie sich genau vom Zeitgeist inspirieren und ermutigen lassen, ihre Chancen zu leben und die Scheu vor dem Scheitern geringer wird. Je mehr Möglichkeiten, desto weniger Druck auf der einzelnen. Je mehr Alternativen, desto weniger Angst davor, eine davon abzuhaken und vom persönlichen mentalen Perspektivenplan zu streichen.
Sicher, manchmal mag dann vielleicht auch der Ehrgeiz fehlen, etwas durchzuziehen. Sicher werden viele von uns im Zweifelsfall den leichteren Weg wählen, statt sich mal ordentlich durchzubeißen. Am Ende will doch aber eigentlich jeder das finden, in dem er/sie wirklich aufgeht und das "genau sein/ihr Ding" ist, um es umgangssprachlich zu formulieren.

Woran ich fest glaube: Auch die Menschen unserer Generation sind immer noch Menschen. Das heißt: Sie atmen, sie leben, sie haben Energie, sie haben Gefühle und sie haben eben sehr wohl Leidenschaft, individuelle Sehnsüchte, Wünsche und letztlich daraus resultierend: Ziele.

Gebt uns Zeit, wir finden unseren Weg schon noch.
Dank fehlender Rentenkassen werden wir wohl eh arbeiten, bis wir tot sind, um bei all der herrlichen Pathetik noch ein wenig Zynismus ins Spiel zu bringen. Wir haben also tatsächlich noch eine ganze Menge Zeit, uns auszuprobieren und aus "maybe" ein "definitely" zu machen.

2 Kommentare:

  1. Genao in dieser situation befinde ich mich gerade. Ich bin verblüft wie sehr du mir aus der seele sprichst.. es gibt wirklich so viele möglichkeiten die wir momentan haben das man/ich die übersicht leicht verwirrt was man wirklich tun will. Zu den kommt auch viel zeitdruck das man zu schnell alt wird und und und... von den ganzen habe ich mal eine pause gemacht. ich vergesse immer wieder viele Menschen auf der Welt gibt die wohl das gleiche problem haben gar schlimmere. Doch jetzt getz wohl zurück in die realität um Träume war werden zu lassen lg. E.

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  2. Ich bin wirklich gerührt, vielen Dank für das liebe Feedback! Ich wünsche dir viel Kraft, Spaß und Energie für deinen Weg :-) Mach dir keinen stress. Solange du Freude hast, ist das wichtigste bereits erfüllt. Liebe Grüße, Tine

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