Donnerstag, 10. November 2011

Die rote Ampel

Es war einmal eine grüne Ampel. Sie begann schon zu blinken, um zu signalisieren, dass sie bald wieder auf rot schalten würde. Ich hatte keine Lust zu rennen, also ging ich gemütlich dorthin und: Sie war rot, als ich ankam. Ich wartete eine Weile, bis sie wieder grün wurde und dieses Mal konnte ich in Ruhe die Straße überqueren.
Anders als eine junge Frau im Business-Look (Schickes Kostüm, teure Lederhandtasche, perfekt gestylte Frisur und jede Menge Makeup). Diese hätte sich wohl fast entweder das Bein oder den Absatz (oder beide gebrochen) als sie mit den, zum Rennen denkbar ungeeigneten, weil recht hohen, recht dünn-absätzigen, High-Heels los sprintete, um ja auch genau diese Ampel überqueren zu können.
Nur lustig: Wir hatten den selben Weg und spätestens fünf Minuten nach der Ampel waren wir wieder auf selber Höhe.


Ich gebe zu, es gibt sicher spannendere, anregendere und schönere Geschichten als diese. Aber diese Situation hat mich zum Nachdenken gebracht. Über Ampeln, über Zeit und darüber, wie wir unser Leben leben. Die Frage, die sich stellt ist irgendwie:
Soll man rennen, um sich Ampeln anzupassen, oder geht man eben seinen Weg und wartet geduldig, wenn sich etwas in den Weg stellt?
Mit anderen Worten: Haben wir es eilig?


Es begann schon nach der Schule. Davor hatte man eine gewisse Narrenfreiheit, denn der Abschluss musste ohnehin erstmal gemacht werden. Da biss die Maus keinen Faden ab und Alternativen wie "Ich brech die Schule ab und geh zur Schauspielschule" waren wohl eher.. naja, das tat doch eigentlich kaum wer. Schulabschluss ist etwas so Fundamentales, das die meisten sich eher gerne daran festzuhalten scheinen. Dieses Ziel ist gewissermaßen noch "idiotensicher" und garantiert richtig.
Ab da wird es komplizierter mit der Zeit: Schon hier gab es wilde Diskussionen zwischen denen, die "erstmal ein Jahr chillen/ins Ausland/ sich orientieren" wollten und denen, die eifrig ein Jurastudium begannen (wobei die wenigsten davor Poster von Paragraphen und Klauseln überm Bett hängen hatten. Grund des Studiums war eher: es war halt einfach vernünftig so).
"Ihr verschwendet eure Zeit! Wertvolle Jahre!", wurden die "Chiller" angeklagt.
"Ich find schon, was ich machen will, wenn's so weit ist!", war die Antwort.
Verunsichert waren die meisten. Welcher war denn nun der richtige Weg? Konnte man Jahre verlieren?
Konnte man Zeit verschwenden und war es schlimm, erst ein, zwei Jahre später mit abgeschlossenem Studium ins Berufsleben einzusteigen?
Die weitaus verwirrendere Frage stellten sich manche, aufgrund der Unglaublichkeit dieser, gar nicht erst: Was wenn gar nicht studieren? Quer einsteigen? So viele Ampeln abwarten, bis selbst dafür die richtige schaltete?


Ist es das Ziel, möglichst schnell am Ziel anzukommen, oder ist mehr "der Weg das Ziel" wie man so schön sagt? Man stelle sich eine gerade Strecke vor, zwei Menschen am Anfang dieser, jede Menge Ampeln dazwischen und am Ende ein Fähnchen, das den Zielpunkt markiert. Beide wollen zum Fähnchen. Wenn die eine Person loshetzt, jedes grüne Licht gerade noch erwischt, und am Ende schwitzend und hechelnd am Ziel ankommt, hat sie es geschafft. Die Frage ist nur: Wie geht es ihr? Sie ist jetzt am Ziel, vor ihr liegt nichts mehr. Alles weitere muss sich erst ergeben. Doch sie ist erschöpft und die Frage ist, wann sie sich soweit erholt haben wird, dass sie weiter kann. Alles in allem war es ein beschwerlicher Weg und all die schönen Blumen am Rand des Weges hat sie vor lauter Stress gar nicht gesehen. Auch nicht die Bäume und die Vögel, die da gezwitschert haben, die hat sie schon gar nicht gehört.
Die andere Person ging ihren Weg gemächlich. Nicht übertrieben ruhig, aber sie nahm sich ihre Zeit. Am Ende gelangte auch sie ans Ziel. Hatte bis dahin aber schon jede Menge neue Ideen, wo es als nächstes hingehen sollte. Es gab ja bei all den roten Ampeln viel Zeit, um ein wenig still zu stehen, um sich zu blicken, zu genießen und nachzudenken.
Vielleicht geht es im Leben gar nicht darum, möglichst schnell anzukommen und ja nie stehen zu bleiben. Vielleicht ist das Stehen einer der Teile, die man auf keinen Fall missen sollte. Das Leben ist mehr als ein Rennen zum Ziel.


Ärgern Sie sich also nicht über die nächste rote Ampel. Schließen Sie die Augen, lächeln Sie und nutzen sie die Zeit, um einfach mal zu ruhen.

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