Montag, 29. September 2014

Die Leiden des jungen Rauhaardackels

Ich wäre gern ein großer Hund. Einer, der mit klugen und beruhigend trägen Augen in die Welt sieht und den die Menschen schon aufgrund seiner Größe nicht dumm anmachen und respektieren. Einer, der gemächlich seines Weges schreitet, in der ruhigen Gewissheit, dass es nur sehr wenige gibt, die ihn angreifen würden. Leider muss ich sagen: Ich bin eher ein Rauhaardackel.

Wann immer ich etwas sehe, das mich reizt, fange ich an zu kläffen. Meiner nicht besonders tiefen Stimme geschuldet klingt das nicht wie das von mir angestrebte kräftige Bellen sondern wie das Gezeter eines kleinen Gnoms. Auch wenn ich auf viele Menschen einen ruhigen Eindruck zu machen scheine, muss ich mich hier als Choleriker outen.

Der Mann, der einfach mitten auf den Krauthügel mit seinem Münchner-Kennzeichen-Auto fährt, auf dem Weg, der links vom Naturschutzgebiet- und rechts vom Autos-Verbotenschild umgeben ist. Dem Kerl, dem es nichts auszumachen scheint, dass sich Mutter und Kind vor seinem Dobermann, der sie bellend und Zähne-fletschend begrüßt, zu Tode fürchten. Und, mein Liebling: Leute, die einem auf dem Zebrastreifen fast überfahren. Das macht mich sauer.

Und bin ich erstmal sauer, gibt es kein Pardon. Hätte ich (mehr) Haare, es würde sich aufstellen, mir einen Buckel verleihen und mich noch fieser und grimmiger erscheinen lassen. Meine Augen glänzen vor Wut, vorm Mund beginnt es zu schäumen. Ich schaRre noch kurz mit den Hufen und dann geht es auf ihn mit Gebrüll.

Ich komme aus gutem Hause, meine ich zumindest. So wird die primäre Wortwahl noch Begriffe wie "Ars**loc*, H*rens*hn" geflissentlich umgehen. Es beginnt meistens mit einem "Entschuldigen Sie, ist Ihnen eigentlich klar...". Mein Herzallerliebster nennt das das Deutschen-Gen. Vielleicht hat er Recht. Aber ich muss schon ehrlich sagen. Wenn jemand was nicht richtig macht, dann muss man doch was sagen.

Tja und es liegt in der Natur der Sache, dass man bei Konflikten wie mit dem seelenruhigen Dobermann-Herrchen und den Beinahe-Umbringern auf dem Zebrastreifen selten an angenehme Gesellen gerät, die auf den zunächst halbwegs freundlichen Hinweis mit Sätzen wie "Oh, ja, herzlichen Dank. Mensch, sowas blödes, hab ich doch nicht aufgepasst!" eingehen. "Hoit dei Mei" und "Geht di nix o!" sind da die weitaus häufigeren Varianten.

Schüchtert mich nicht ein. Im Gegenteil. Wenn ich das Feuer wäre, wäre das das Kerosin. Denn jetzt geht die Show erst richtig los. Ich werde zum Giftzwerg, spucke Gift und Galle, bin im Fall des Falles auch schonmal bereit, es jederzeit mit einer Schlägerei aufzunehmen. Spiderman, Catwoman, Herkules, alles Waschlappen. Jetzt komme ich!

Ja und da wäre ich jetzt wieder beim großen Hund und beim Dackel. Während Dackel des Öfteren dabei beobachtet werden können, wie sie sich kläffend und in finstersten Absichten bevorzugt auf jene Hunde stürzen, die fünfmal so groß wie sie sind, sieht man bei genannten großen Hunden meistens nur eins: Gelassenheit. Pf, was will der denn. Soll mal in Kindergarten gehen, der Kleine.

Da ich auch mindestens so verletzlich wie ein kleiner Rauhaardackel bin, würde es mir, so denke ich, also gut tun, mir von dem großen ruhigen Hund eine dicke Scheibe abzuschneiden. Denn soviel Spaß es auch macht, zu streiten: Das kostet verdammt viel Energie.

Die ich brauche, wenn mir mal wieder einer die Vorfahrt nimmt. Grrr.....

Dienstag, 9. September 2014

Warum ich Hippies mag

Neulich sah ich wieder eine von ihnen. Mit nackerten Füßen saß sie am Rande des Fußgängerweges an der Salzach, zwirbelte eine ihrer blonden Dreadlocks durch die Finger und las dabei ganz konzentriert in einem Buch mit buntem Umschlag. Ihre Beine waren angezogen, die viel zu große Baumwollhose flatterte im Flusswind.

Ich radelte an ihr vorbei und konnte gar nicht anders, als sie fröhlich anzugrinsen. Komplett versunken in ihrer Lektüre bemerkte sie mich nicht. Doch die mir entgegen kommende Dame, ebenfalls Radl, schätzungsweise Ende 50, fing meinen freudigen Blick auf, warf einen kurzen Blick auf das Dreadlockmädchen und erwiderte dann mein Grinsen. So grinsten wir uns an, als teilten wir ein gemeinsames Geheimnis.

Woher stammte es, das Grinsen? Was war das Geheimnis? Ich glaube es war schlicht und ergreifend: So sehr wir Hippies und ähnliche fleischgewordene Interpretationsformen manchmal belächeln, so beflügelnd und befreiend ist ihr Anblick.

Es ist doch so: Männer in Anzügen mit Aktenkoffern wie sie sie mit ernstem und gelangweilten Blick durch die Gegend tragen, sehen wir oft genug. Genauso das weibliche Pendant, das statt gerade geschnittener Hose vielleicht gerade noch so mutig ist, einen – das Knie natürlich bedeckenden – grauen oder dunkelblauen Rock über der anthrazitfarbenen Strumpfhose zu ziehen und mit möglichst lauten Stampfestöckelschuhen durch die Gegend zu jonglieren.

Ebenso der Einheitslook, den man in mittel- bis nordeuropäischen Breitengraden nun einmal gerne trägt. Funktionsjacken von Tchibo, die die Strickjacke respektive das weiße T-Shirt von C&A überdeckt, mitteleng geschnittene Jeans mit Gesäßapplikation, farblose Turnschuh oder Sandalen von Geox und dazu vielleicht noch ein möglichst wenig individuell designter Rucksack. Praktisch, einfach, komfortabel.

Nein, ich plädiere nicht dafür, dass sich jetzt alle zu Modepüppchen aufstylen, auf dass sich die Salzburger Innenstadt und Salzachwege zu einem semiurbanen Catwalk verwandeln. Erstens tut es das hier und da genauso – japanische und anderweitig asiatische Gäste lassen grüßen – zweitens ist auch das in meinen Augen kein befreienderer Anblick. Statt dem einheitlichen Businesslook ihres Arbeitsplatzes unterwerfen sich die neuschicken Stylo-People den aktuellen Modetrends. So angenehm kann dieser wie Quietscheplastik aussehender Minirock wirklich nicht zu tragen sein.

Da gibt es nur einen Menschenschlag, der mir mit seiner Kluft ein herzliches spontanes Lächeln auf die Lippen zaubert. Sie wandeln durch die Gegend mit unglaublich gemütlich aussehender Kleidung in Größen zwischen XXL und Zirkuszelt, tragen sämtliche vorhandenen Regenbogenfarben (am liebsten alle auf einmal), haben entweder kunstvoll gezwirbelte oder einfach nur ungekämmte Haare und strahlen schon von weitem aus: Es interessiert mich ehrlich einen Scheiß, was die anderen von mir denken.

Herrlich. Ich könnte diese Menschen abknutschen, jeden einzelnen Batik-tragenden von ihnen. Nicht, weil ich mich so gut mit der ursprünglichen Flower-Power-Bewegung auskenne und mich daher mit ihr assoziiere. In diesem Fall bin ich bei weitem nicht so tieftragend in meinen Assoziationen, dass ich Anti-Krieg und Pro-Marihuana mit in Erwägung ziehen würde. Hippie sein bedeutet nach meiner Auffassung einfach, ziemlich lässig und entspannt durchs Leben zu gehen. Mit locker sitzender bunter Kleidung bringen diese Menschen eine Lebensfreude zum Ausdruck, die ich bei grauen Über-Knie-Röcken und gerade geschnittenen Nadelstreifenanzügen schmerzlich vermisse.

Am liebsten hätte ich mich zu dem Mädchen gesetzt. Nicht um mit ihr über glutenfreie Kekse und die Banalitäten dieser Welt zu diskutieren, sondern einfach nur, um mir auch meinerseits die Schuhe und Socken auszuziehen. So wie sie den sonnigen Tag in diesem Moment zu genießen schien, hätte ich mir keine schönere Vergnügungsart vorstellen können. Dieses Mädl brauchte keinen St. Tropez-Strand, brauchte keinen Cocktail mit Schirmchen und auch keinen teuren Schnickschnack.

Vor allem brauchte sie auch kein ausfüllendes Tagesprogramm, keine zu erledigenden Pflichten, ohne die sich in dieser Sekunde schon leer und faul fühlen würde. Genauso wenig kümmerte es sie, wo sie vielleicht sonst noch sitzen könnte (in der Wiese, im Park, im Freibad). Hier und jetzt schien das Plätzchen auf der Promenade am Fluss attraktiv und sie ließ sich mit dem einzigen Gegenstand, den sie bei sich trug, nieder: Ihrer heißgeliebten Lektüre.

Ich gebe zu, vielleicht assoziierte ich in dieser Begegnungssekunde auch zu viel. Vielleicht wartete die junge Frau lediglich auf ihren Bus, der sie in ihre Arbeit befördern sollte (die Haltestelle ist nicht weit entfernt). Das Buch war vielleicht in Wirklichkeit ihre Studienlektüre, die sie insgeheim hasste, dass sie sich furchtbar konzentrieren musste, um es nicht in irgendein Eck zu pfeffern.

Aber ich glaube das nicht. An welche Arbeitsstelle würde man ohne Schuhe (denn die standen auch nicht neben ihr) und in Zirkuszelthose antreten? Nein, das Mädchen war genau das, was ich in diesem Moment in ihr sah: Die Freiheit in Menschengestalt.

Und deswegen mag ich Hippies.

Samstag, 6. September 2014

Kleine Herbstverliebtheiten

"Wake me up when September ends" heißt ein melancholisch-schönes Lied der bekannten amerikanischen Band Greenday. So gut mir das Lied gefällt, beim Text denke ich mir einzig und allein: Bloß nicht! Grundsätzlich bin ich der Ansicht, dass Jahreszeiten etwas herrliches sind. Kaum wird einem die Hitze des Sommers zu viel, beginnt das Klima schon wieder sanfter zu werden (ja, auch dieser Sommer hatte heiße Tage!). Und hat man den kalten Winter irgendwann satt: Der Frühling kommt bestimmt.

Nageln Sie mich nicht darauf fest, aber derzeit bin ich wieder der Meinung, dass der Herbst meine absolute Lieblingsjahreszeit ist. Denn, offizieller kalendarischer Herbstbeginn hin oder her, dieser ist ohne Zweifel bereits ins Land gezogen. Sehen tut man das an den Blättern, die jetzt wieder in gehäufter Form auf den Wegen liegen und sich, wenn noch am Baum befindlich, rot, rosa, lila färben. Doch das ist nur das Offensichtliche.

Noch viel mehr als bunte Blätter und laubbedeckte Wege ist für mich etwas ganz ganz anderes ausschlaggebend, um zu wissen, dass es nun Herbst ist: Die Sonne. Ich kann nicht mehr genau sagen, an welchem der letzten Tage es war, aber da gab es wirklich einen Aha-Moment. Denn auf einmal strahlte die Sonne nicht mehr übermütig heiß und Sommer-grell. Sie schien mehr zu leuchten und die Gegend, in meinem Fall den Leopoldskroner Weiher und den Krauthügel in Salzburg, in goldenes Licht zu tauchen.

Klingt kitschig? Stammt aber gar nicht von mir. Es war mein Vater, der mir immer vom goldenen Licht des Herbstes erzählte. Für solche Feinseligkeiten wenig zu haben, erklärte ich ihn im Teenageralter noch für übermäßig rührselig. Heute verstehe ich ihn. Denn das, was mich da von oben und von der Seite anstrahlt, ist weder gelb noch grell, sondern ganz klar: gold.

Vielleicht liegt es daran, dass die Tage kürzer werden und somit die Sonne vermehrt damit beschäftigt ist, auf- und unterzugehen. Auch die Sonneneinstrahlung wird sicherlich schwächer. Aber bitte fragen Sie mich nun nicht nach den genauen Gründen. Ich habe meine Recherchehausaufgaben, nachlässlich wie ich bin, in diesem Fall nicht gemacht. Es ist halt so: Richtung Winter ist es weniger warm und die Sonne strahlt halt nicht mehr so heiß. Punkt.

Ich will sowieso auf was ganz anderes hinaus. Ein Grund, warum ich Jahreszeiten so liebe, vermutlich sogar der Hauptgrund ist der, dass jeder einzelne Umschwung das innere Kind in mir hervorlockt. Jetzt im Herbst bedeutet das: Drachensteigen lassen! Durch das Laub laufen und schöne Blätter sammeln! Kastanien aufheben und Tiere daraus basteln! Dabei muss ich gestehen: Nichts davon setze ich tatsächlich um. Nicht, weil es mir peinlich wäre.

Es ist nur: Die Fantasie alleine reicht oft. Die spinnt sich von ganz allein durch meinen Kopf, während ich mit glasigem Blick und lachenden Augen durch die Herbstlandschaft spaziere. Durch bunte Baumalleen und goldenes Herbstlicht hindurch. Dann kann ich über diese Sätze "Wir müssen mehr den Moment genießen!" nur hochmütig grinsen. Das macht der Herbst doch von ganz allein.

Man muss nur mal spazieren gehen. Und unbedingt aufwachen BEVOR der September endet!