Soviel zum ersten Fazit, bei dem ich hinzufügen muss: Ich bin ekelresistenter, als ich dachte. Ich verspüre noch immer einen gesunden Appetit auf Milch, Gurken und Schokolade.
Das zweite Fazit soll sich weniger auf den Ekelgrad als viel mehr auf den ständigen Mittelpunkt des Filmgeschehens beziehen: Helen. Ein junges Mädl, geschätzte 20-irgendwas, die ein bisschen wirkt wie eine zu groß (und zu alt) gewordene Pippi Langstrumpf. Eine mit der Vorliebe zu Blowjobs und blutigen Zeremonien mit der Monatsperiode der besten Freundin. Eine, die permanent entweder an Sex zu denken oder ihn zu haben scheint. Auf einem Skateboard brettert sie daher, in kurzen Röcken und Totenkopf-T-Shirts, spricht gerne über Muschis, am liebsten über ihre eigene, die sie im Übrigen auch in jeder freien Minute betatscht.
Und ach, wie frech sie nicht ist. Das Motiv, das der/die gemeine Autor/in beim Erschaffen eines solchen Charakters hat, scheint offensichtlich: Eine Skandalnudel zu zaubern, die die Gesellschaft aufrütteln und mit spitzbübicher Zunge all die ungesagten Ungeheuerlichkeiten mit frohlockender Leichtigkeit ausposaunen soll, auf dass es keine Grenzen für die absolute Freiheit mehr gebe. Yey.
Dazu noch ein engelsgleicher Augenaufschlag und ein freches kleines niedliches Stuppsnäschen - das Bild der verlockend rotzigen Göre ist geschaffen. Immer ein Spur zu niedlich, immer einen Tick zu hübsch, um trotz diverser Unfeinheiten wie Dünnschiss und Hämorrhoiden (ja, ich musste nachschauen, wie man das schreibt) tatsächlich abstoßend zu sein. Dass sie so lustig und offen darüber spricht, macht sie ohnehin quasi zur Stilikone.
Man könnte sie toll finden. So frech und frei. So unerschrocken, allzeit bereit, vorgeschriebenen Rollenbildern und Etiketten sowie der gesamten feinen Gesellschaft und ihrer Prüderie den Kampf anzusagen, um sich ja keiner Konvention beugen zu müssen. Man könnte sie bewundern, für ihren Mut, für die Weise, wie sie es schafft, dass man ihr Lachen selbst dann noch niedlich findet, wenn der entsprechende Mund, von dem das Gelächter schallt, so eben noch intensiv mit de Verkostung der eigenen Intimflüssigkeiten beschäftigt war.
Ja, man könnte. Tue ich aber nicht. Ganz ehrlich: Ich finde, sie nervt. Denn Mädchen wie sie wirken im Film vielleicht lustig, toll, bewundernswert. Doch man stelle sie sich in der Realität vor. Hier handelt es sich viel mehr, so weit wage ich mich nun aus meinem Fenster, um labile Persönlichkeiten, die es einfach nicht ertragen können, die gesammelte Aufmerksamkeit auch nur für fünf Minuten nicht vollständig auf sich gerichtet zu haben. Ohne Punkt und Komma suchen sie verzweifelt nach Möglichkeiten, ihre Individualität nicht etwa nur auszuleben (wofür sie mein vollstes Verständnis hätten), sondern viel mehr, diese auch möglichst vielen Angehörigen der Außenwelt unter die Nase zu reiben. All die Eigenheiten und Absurditäten, teils eigens für diesen Zweck überhaupt erst angeschafft, in einer größtmöglichen Öffentlichkeit zu zelebrieren und so endlich die Anerkennung zu bekommen, nach der sie sich so sehr sehnen. Kein Skandal zu skandalös, kein Mittel zu billig.
Dazu bereits erwähnter gekonnter Augenaufschlag, ein kurzes Reiben am Näschen sowie niedliches Grinsen und das selbst geschaffene Götzenbild ist geschaffen. Ich, die Freche. Die Revoluzzerin. Himmelt mich an.
Als gemeine und, was die Sexualität und die Auslebung dieser in der Öffentlichkeit angeh, eher durchschnittliche junge Frau kann man da kaum mithalten.
Filme wie "Feuchtgebiete" suggerieren in meinen Augen, dass man es anders tun sollte. Dass man frecher sein sollte. Mutiger. Dass wir alle viel zu "gschamig" sind und somit auf dem Holzweg. Da, schau, so wie die Helen, so sollte man sein!, scheint es von allen Seiten zu schallen. Freilich, dass auch der Typ, der sich am Anfang von ihrer Schrägheit abwendet, sie am Ende ganz toll findet und küsst.
Vielleicht bin ich einfach zu prüde, um diesen Film auch nur anzusehen. Aber wie gesagt, besonders eklig fand ich ihn gar nicht. Ich habe nichts gegen vulgäre Darstellungen, gegen unfeinen Humor und unappetitliche Nahaufnahmen. Nur eins kann ich nicht leiden:
Filme die zeigen, wie viel besser die Welt ohne Vorschriften wäre, ohne festgefahrene Rollenbilder und Etikette. Die nicht nur zeigen, dass man in Kopf und Herzen frei sein kann, sondern auch recht genaue Vorstellungen vermitteln, wie. Weil sie meines Erachtens einen entscheidenden Denkfehler haben: Sie setzen die Serie damit nur fort.
Das wär alles. Danke.