Montag, 31. Oktober 2011

Von künstlichen Sehnsüchten

"Ich war noch niemals..."


Früher waren die Leute arm dran. So ganz ohne Internet fehlte es an einer entscheidenden, weil einfachen und unumständlichen Art, sich zu informieren. Über aktuelle News, über Fragen aller Art und ganz besonders: über die persönlichen Möglichkeiten.
Doch Fluch oder Segen: Das ist hier die Frage.


Überall "schicksalhafte" Begegnungen
Was einem früher schicksalhaft in Form eines Aushangs am schwarzen Brett begegnete ("Suche Bandmitglied, Gitarre, bitte melden!"), lauert heute hinter jede Ecke. Egal welchen Suchbegriff man bei Frau Google eingibt, man wird hundertprozentig fündig. Solange es sich hierbei um die Wohnungssuche oder genauere Infos (wobei man auch hier bezüglich Glaubwürdigkeitsgrad aufpassen muss) handelt, ist alles schön und gut.
Doch schon bei der Jobsuche fängt es an und nimmt seinen Lauf was Freizeitbeschäftigungen und weitere Lebensgestaltungsmöglichkeiten angeht.
Die Rede ist von: Auslandsjob. Auslandsaufenthalt generell. Doch nochmal studieren? Was anderes studieren? Studium schmeißen und die Ausbildung anfangen, die so viel mehr nach dem klingt, was man immer schon mal machen wollte? (insbesondere in Phasen, wo das Studium grad nicht mehr so taugt wie einst)
Vielleicht gar alles aufgeben und genau wie der Typ, der da von sich schreibt, sich einfach nur noch auf das Verfassen des ersten Romanes konzentrieren?


Muss man alles wollen?
Die Wahrheit ist: Die Möglichkeiten sind grenzenlos. Aber nicht unser Wille.
Der Mensch ist ohnehin schon ein Herdentier: Einfach bei SEINER Sache zu bleiben, ohne sich von anderen und ihren Zielen beeinflussen zu lassen, fällt so schon schwer. Wenn man da noch ständig vor Augen geführt bekommt, was man denn noch so machen könnte, sonst könnte man ja am Ende etwas -  oh Graus! - verpassen, kann am Ende sogar Angst einjagen.
Aufeinmal ist man voller Tatendrang. Was hat man nicht schon alles an Chancen an sich vorbeiziehen lassen. "Ich war noch niemals in New York", trällert Udo Jürgens leise im Hintergrund, wie wir Job schmeißen und den Flug in ferne Ziele buchen. Um "uns selbst zu finden", so heißt es doch so schön.
Doch Vorsicht. In eben jenem fernen Land kommt oft der Gedanke: "Ja, aber eigentlich, wars doch zuhause ganz schön..."


Künstliche Sehnsüchte
Es entstehen da künstliche Sehnsüchte, die nichts mit unseren eigenen Wünschen zu tun haben. Nur mit Eindrücken, die uns suggerieren: "Der hat es offensichtlich besser als ich! Der macht was aus seinem Leben. Der ist bestimmt glücklicher". Doch: Was jemand anders will und dessen Ideal und Traum ist, von dem er munter im Internet berichtet, muss es nicht für uns sein. Egal ob Weltenbummler, Karrieremensch oder kreativer Bastler: Man kann sich geradezu in Depressionen stürzen, wenn man nicht frühzeitig erkennt, dass man eben eine ganz eigene Person ist. Nur weil man alles kann und darüber Bescheid weiß, heißt das nicht, dass man auch alles will.


Natürlich gibt es auch hier nicht nur schwarz und weiß und die Reise in das ferne Land kann dennoch der Seele und dem eigenen Horizont sehr gut tun. Ausprobieren ist sicher nicht falsch.
Solange man nicht vergisst, dass es genauso gut sein kann, dass das eigene Leben bereits passt wie es ist. Auch ohne Zusatzstudium und Auslandsjahr. Es ist legitim, manche Chancen und Möglichkeiten an sich vorbeiziehen zu lassen, wenn man bereits im Hier und Jetzt zufrieden ist und es einem an nichts fehlt. Die Wünsche und Ziele der anderen müssen nicht automatisch den unseren entsprechen, selbst wenn sie sich noch so "cool und weltgewandt" anhören.


Denn glücklicher als glücklich kann man auch nicht werden.

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